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       # taz.de -- NGO-Mitarbeiterin zur Arbeit in Russland: „Sehe alles sehr pessimistisch“
       
       > Russland will die Heinrich-Böll-Stiftung für „unerwünscht“ erklären. Das
       > hätte weitreichende Folgen, sagt Stefanie Harter, die das Moskauer Büro
       > leitet.
       
   IMG Bild: Mehr und mehr isoliert: Menschen auf dem Roten Platz in Moskau
       
       taz: Frau Harter, der Chef des Duma-Ausschusses zur Bekämpfung der
       Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands, Wassili Piskarjow,
       will die Heinrich-Böll-Stiftung sowie 13 weitere
       Nichtregierungsorganisationen für „unerwünscht“ erklären. Wenn die Justiz
       dem folgt, was bedeutet das? 
       
       Stefanie Harter: Das bedeutet den Rauswurf aus Russland. Außerdem machen
       sich sämtliche russische Staatsbürger*innen, die dann noch mit uns zu tun
       haben, strafbar. Das gilt auch dann, wenn sie zum Beispiel an einer
       Konferenz in Berlin teilnehmen würden.
       
       Kam dieser Schritt unerwartet? 
       
       Einen entsprechenden Vorstoß von Piskarjow gab es bereits im Mai
       vergangenen Jahres. Da waren auch andere deutsche Organisationen, wie der
       Deutsch-Russische Austausch, betroffen. Aber in unserem Fall konnte damals
       das Schlimmste abgewendet werden. Allerdings wurde von da an in den
       russischen Staatsmedien diese Forderung mehrmals wiederholt.
       
       Wie hat die Heinrich-Böll-Stiftung unter diesen Bedingungen denn überhaupt
       weiter gearbeitet? 
       
       Wir sind praktisch zweigleisig gefahren. Einerseits haben wir unsere
       inhaltliche Arbeit, wie beispielsweise die Beschäftigung mit Umweltthemen
       und die Kooperation mit der Menschenrechtsorganisation Memorial,
       fortgesetzt. Andererseits haben wir in Moskau bereits angefangen
       aufzuräumen und uns Gedanken über einen Plan B gemacht.
       
       Wie sieht der Plan B denn aus? 
       
       Wir wollen mit unseren russischen Partner*innen weiterarbeiten, aber sie
       selbst müssen entscheiden, ob sie dieses Risiko eingehen wollen. Auch die
       Kontakte zu denjenigen, die Russland aus politischen Gründen verlassen
       haben und jetzt im Kaukasus oder den baltischen Staaten leben, wollen wir
       aufrechterhalten. Wir werden versuchen, auch in Russland weiterzuwirken.
       
       Wie soll das funktionieren? 
       
       Es gibt ja unter anderem eine ganze Reihe von digitalen Instrumenten. Da
       setze ich ganz auf die Kreativität unserer russischen Mitarbeiter*innen.
       
       Derzeit werden in Russland ja fast jeden Tag eine
       Nichtregierungsorganisation kalt gestellt oder Personen zu „ausländischen
       Agenten“ erklärt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung generell? 
       
       Ich sehe das alles sehr pessimistisch. Je länger der Krieg gegen die
       Ukraine dauert, desto repressiver agiert das Regime. Wir erleben gerade den
       Rückfall in einen Glaubensmodus, der von Nationalismus und Militarismus
       geprägt ist. Der Wertekanon der Gesellschaft verengt sich immer weiter. Und
       diese Entwicklung verstetigt sich.
       
       Hätten der Westen oder Organisationen wie die Heinrich-Böll-Stiftung etwas
       anders machen können, um dem etwas entgegenzusetzen? 
       
       Ich erinnere mich noch gut, als damals über eine mögliche Visafreiheit für
       Russland diskutiert wurde. Da wurde bereits klar, wie groß die
       Missverständnisse auf beiden Seiten waren. Insgesamt hätte die Politik des
       Westens konsequenter und kohärenter sein müssen, zum Beispiel nach dem
       georgisch-russischen Krieg 2008. Was uns angeht, so glaube ich nicht, dass
       wir viel anderes hätten machen können. Die Kraft, um etwas zu verändern,
       muss aus der russischen Gesellschaft selbst kommen.
       
       Was sollte denn jetzt getan werden? 
       
       Die russische Zivilgesellschaft muss weiter unterstützt werden. Da fallen
       mir auf Anhieb Aufenthaltstitel für russische Aktivist*innen in
       Deutschland ein, die sich für eine ökologische Modernisierung, Demokratie
       und Menschenrechte einsetzen. Diese Entscheidungen müssen schneller
       getroffen werden. Bislang scheint ja die Angst vor dem Rechnungshof immer
       noch größer zu sein, als vor dem Kollaps der europäischen
       Sicherheitsordnung.
       
       Wie geht es Ihnen persönlich mit dieser Situation? 
       
       Ich bin wahnsinnig enttäuscht. Ich war 1986 zum ersten Mal in der
       Sowjetunion, habe dort viele Jahre lang gelebt und gearbeitet. Diesen
       Niedergang mitzuerleben, ist für mich sehr schmerzhaft.
       
       6 Apr 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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