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       # taz.de -- Urteil in Burkina Faso: Lebenslang für Expräsident
       
       > In Burkina Faso verurteilt ein Militärgericht den 2014 gestürzten
       > Langzeitherrscher Blaise Compaoré zu lebenslanger Haft. Allerdings in
       > Abwesenheit.
       
   IMG Bild: Feier am Sankara-Denkmal in Ouagadougou nach dem Gerichtsurteil, Mittwoch
       
       Cotonou taz | Höchststrafen im historischen Prozess um die Ermordung von
       Burkina Fasos Ex-Präsident [1][Thomas Sankara], der bis heute in seiner
       Heimat als Held verehrt wird: Am Mittwoch hat ein Militärgericht in der
       Hauptstadt Ouagadougou die Urteile verkündet. Sankaras Nachfolger Blaise
       Compaoré ist zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die
       Richter sahen seine „Mittäterschaft am Mord“ als erwiesen an sowie den
       Anklagepunkt „Angriff auf die Staatssicherheit“.
       
       Sankara, der sich selbst 1983 an die Macht im damaligen Obervolta geputscht
       hatte, und zwölf Gefährten wurden während einer Sitzung am 15. Oktober 1987
       in Ouagadougou [2][erschossen]. Compaoré, sein damaliger Wegbegleiter,
       übernahm daraufhin die Macht. Er blieb Präsident bis zu seinem [3][Sturz]
       durch friedliche Proteste der Zivilgesellschaft im Herbst 2014.
       
       Seitdem lebt Compaoré im Nachbarland Elfenbeinküste im Exil und hat die
       ivorische Staatsbürgerschaft angenommen. Von dort heißt es, dass er gerade
       eine Villa für mehrere Millionen Euro errichten lässt. Seine Anwälte ließen
       vor Prozessauftakt im Oktober verkünden, dass ihren Mandanten kein faires
       Verfahren erwarte, weshalb er nicht vor Gericht erscheinen werde.
       Unmittelbare Folgen für ihn hat das Urteil also nicht.
       
       Auch Compaorés späterer Sicherheitschef Hyacinthe Kafando wurde zu
       lebenslanger Haft verurteilt, ebenso sein späterer Armeechef Gilbert
       Diendéré. Aufgrund eines Putschversuchs im Jahr 2015 verbüßt der einstige
       Kommandeur der Armee bereits eine [4][Strafe von 20 Jahren]. Er war anders
       als die anderen beiden Hauptangeklagen beim Prozess auf der Anklagebank
       anwesend.
       
       Kafando, der auch wegen des „Verbergens einer Leiche“ schuldig gesprochen
       wurde, ist seit Ende 2015 oder Anfang 2016 auf der Flucht. Nach
       Informationen der Zeitschrift „Jeune Afrique“ soll er in Togo und Benin
       gewesen sein, sich aber ebenfalls überwiegend in der Elfenbeinküste
       aufhalten.
       
       Beide Länder sind Nachbarn und eng miteinander verbunden. Eine mögliche
       Auslieferung war nie Thema. Compaoré hat außerdem weiterhin
       Unterstützer*innen im eigenen Land, die von seiner Herrschaft
       profitiert haben.
       
       In letzter Zeit hieß es außerdem immer wieder, dass Burkina Faso während
       seiner 27-jährigen Herrschaft immerhin sicherer gewesen sei als heute. Seit
       Compaorés Sturz haben islamistische Terrorgruppen, teils aus Mali
       eingedrungen, [5][weite Landesteile unsicher gemacht], durch Terrorangriffe
       starben zwischen 2016 und 2021 mehr als 2000 Menschen. Mehr als 1,8
       Millionen sind auf der Flucht.
       
       Drei Angeklagte wurden freigesprochen. Noch sind die Urteile nicht
       rechtskräftig. Die Revisionszeit beträgt 15 Tage.
       
       Die Urteile wurden mit Applaus aufgenommen, geht doch ein historischer
       Prozess zu Ende, der sechs Monate gedauert hat. Er wurde immer wieder
       unterbrochen, etwa aufgrund des neuerlichen Militärputsches im Januar.
       Damals hatte es Befürchtungen gegebwen, die neuen Militärmachthaber könnten
       das Verfahren ohne Urteil einstellen. Nun endet es aber mit harten
       Urteilen, die noch über die Forderrungen der Anklage hinausgehen. Das gilt
       als Signal an alle Staats- und Regierungschefs: Verbrechen können auch
       Jahrzehnte später noch aufgearbeitet werden.
       
       Trotzdem mischt sich auch Enttäuschung in das Urteil. Der Anwalt der
       Familie Sankara, Prosper Farama, spricht Medienvertreter*innen
       gegenüber von Erleichterung, sagt aber auch: „Leider hat während dieses
       Prozesses kein Angeklagter gestanden oder Buße getan.“
       
       7 Apr 2022
       
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   DIR Katrin Gänsler
       
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