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       # taz.de -- Panzerhaubitzen für Kiew: Berlin prüft und prüft
       
       > Vor schweren Waffenlieferungen an die Ukraine schreckt die Koalition
       > zurück – unter anderem wegen der Eskalationsgefahr.
       
   IMG Bild: Zögert noch wegen Lieferung schwerer Waffen: Verteidigungsministerin Christiane Lambrecht
       
       Berlin taz | Die Panzerhaubitze 2000 ist ein nützliches Kriegsgerät. Das
       Geschütz, fest auf einem gepanzerten Fahrzeug installiert, kann mehr als 30
       Kilometer weit schießen. Feinde können damit also über größere Distanz
       bekämpft werden als mit Kampfpanzern wie dem Leopard 2.
       
       Kein Wunder, dass die ukrainische Regierung jetzt auch die Haubitze auf
       ihre Wunschliste gesetzt hat. [1][Einem Bericht der Welt zufolge] hat sie
       die Bundesregierung darum gebeten, 100 der Haubitzen aus
       Bundeswehrbeständen zu erhalten. Auf ukrainische Kosten würde der
       Hersteller KWM über die nächsten Jahre Ersatz bauen und die Lücken
       auffüllen.
       
       So ähnlich also wie beim Schützenpanzer Marder, bei dem sich die Ukraine
       einen solchen Ringtausch schon länger wünscht – mit dem Unterschied, dass
       der Hersteller Rheinmetall Dutzende alter Marder auf Lager hat, die nur
       generalüberholt werden müssten, sodass die Bundeswehr schneller Ersatz
       erhielte.
       
       In beiden Fällen gibt es von der Bundesregierung aber kein grünes Licht.
       Der Lieferung [2][schwerer Waffen] aus Deutschland stimmt sie bisher nicht
       zu. „Wir sagen nicht Nein“, sagte vergangene Woche die grüne
       Außenministerin Annalena Baerbock. Die FDP-Verteidigungspolitikerin
       Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) spricht sich explizit für die
       Panzerlieferungen aus. Zurückhaltend äußert sich dagegen vor allem die SPD
       um Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Kanzler Olaf Scholz.
       Drei Argumente sind aus dem Lager der Skeptiker*innen häufig zu hören.
       
       ## Ein Angriff auf Konvois ist möglich
       
       Erstens: die Eskalationsgefahr. Die russische Regierung hat angekündigt,
       Konvois mit für die Ukraine bestimmte Waffen als „legitime Ziele“ zu
       behandeln. Ein Angriff, vielleicht sogar noch auf Nato-Gebiet, ist möglich.
       Damit könnte es schlimmstenfalls zur gefürchteten direkten Konfrontation
       zwischen Russland und dem Westen kommen.
       
       Bei welcher Art von Waffenlieferungen die Grenze liegt, ist Abwägungssache:
       Kleinere Waffen wie Panzerfäuste, die verdeckt transportiert werden können,
       hat die Bundesregierung der Ukraine bekanntlich schon zur Verfügung
       gestellt. Vor der Lieferung von Kampfflugzeugen sowjetischer Bauart, die
       ebenfalls im Gespräch war, schreckten Nato-Staaten dagegen zurück. Von
       Panzerlieferungen sieht das Bündnis dagegen nicht mehr pauschal ab.
       Tschechien stellt der Ukraine beispielsweise schon T72-Kampfpanzer
       sowjetischer Bauart zur Verfügung.
       
       Zweitens: Die Arsenale der Bundeswehr sind begrenzt. Nach Auffassung der
       Bundesregierung könnte es zu gefährlichen Engpässen führen, wenn die
       Bundeswehr weiteres Gerät abgibt. In Bezug auf die Marder-Schützenpanzer
       sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am vergangenen Freitag:
       „Nach einer Prüfung haben wir feststellen müssen, dass die Abgabe nicht
       funktioniert, weil wir natürlich auch unsere eigene Landes- und die
       Bündnisverteidigung sichern müssen.“
       
       Und Drittens: Sowjetische Waffen wie den bereits erwähnten T72-Panzer
       kennen die ukrainischen Soldat*innen, sie können sie sofort einsetzen. Bei
       schwerem Gerät aus dem Westen sieht es anders aus. Bei seinem Besuch in
       London sagte Olaf Scholz am Freitag, man müsse „immer genau schauen, was
       tatsächlich wirksam eingesetzt werden kann“. Die Fragen ließen sich „nur
       sehr fachlich beantworten“. Was er damit meint: Die Ausbildung der
       Besatzung würde Wochen dauern, die Einrichtung einer Instandsetzungskette
       noch länger. Für die wohl unmittelbar bevorstehende Schlacht um die
       Ostukraine kämen die deutschen Panzer demnach zu spät.
       
       Möglich ist allerdings, dass der Krieg nicht in wenigen Wochen vorbei ist,
       sondern Jahre dauert. Geht man davon aus, bleibt für die Ausbildung noch
       Zeit.
       
       10 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.welt.de/politik/ausland/plus238089483/Waffenlieferungen-Ukraine-liegt-Angebot-fuer-deutsche-Panzerhaubitzen-vor.html
   DIR [2] /Reaktionen-auf-Massaker-von-Butscha/!5848112
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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