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       # taz.de -- Chinesische Wirtschaft unter Druck: Die Hoffnung heißt Export
       
       > Chinas Binnenkonsum ist aufgrund der flächendeckenden Lockdowns
       > vollkommen eingebrochen. Wird das Land nun zum Problem für die
       > Weltwirtschaft?
       
   IMG Bild: Ein Lieferfahrer mit seinen Waren während des Lockdowns in Shanghai
       
       Peking taz | Es ist erstaunlich, in welch kurzer Zeit sich das Blatt
       gewendet hat: Seit [1][Mitte 2020, zu Beginn der Pandemie,] wirkte China
       dank seiner raschen Erholung stets als Stütze für die stotternde
       Weltwirtschaft. Nun ist der gegenteilige Fall eingetreten: Das Reich der
       Mitte hängt stark von der europäischen Nachfrage ab, da der heimische
       Binnenkonsum vollständig eingebrochen ist.
       
       Diese Woche hat das Pekinger Statistikamt seine Handelszahlen für März
       ausgegeben, und erneut sind die chinesischen Daten für eine handfeste
       Überraschung gut: Die Exporte der Volkswirtschaft fallen außergewöhnlich
       stark aus, mit einem Wachstum von nahezu 15 Prozent im Vergleich zum
       Vorjahr hatte zuvor kein Ökonom gerechnet. Dies wird unter anderem auch
       dazu führen, dass China das laufende Kalenderjahr mit einem
       Rekord-Handelsüberschuss abschließen könnte.
       
       Doch sei dies kein Grund zur Freude, analysiert Michael Pettis von der
       Peking Universität: Denn der Überschuss habe weniger mit einem starken
       Fertigungssektor zu tun, sondern deute vor allem auf tiefgreifende
       Ungleichgewichte innerhalb der chinesischen Volkswirtschaft hin – allen
       voran, dass die Leute über zu niedrige Löhne verfügen und zu wenig
       konsumieren.
       
       In den Handelsdaten von März spiegelt sich dies in einer zweiten, noch viel
       größeren Überraschung wider: Bei den Einfuhren wurde in den Prognosen ein
       Importwachstum von rund 8 Prozent erwartet, doch stattdessen sank der Wert
       im Jahresvergleich um 0,1 Prozent.
       
       ## Für die EU läuft es nicht gut
       
       Dies ist insbesondere für die Unternehmen aus der europäische Union eine
       herbe Enttäuschung. Diese lieferten im März 11,6 Prozent weniger Waren als
       noch im letzten Jahr, die Importe aus Deutschland sind mit 9,8 Prozent
       ebenfalls stark gesunken.
       
       Dabei ist der schwächelnde Konsum in China nur ein Vorgeschmack für das,
       was noch kommen wird. Der [2][Lockdown in Schanghai,] der wirtschaftlich
       wichtigsten Stadt des Landes, hat sich nämlich erst im April wirklich
       zugespitzt: Noch immer ist die absolute Mehrheit der 26 Millionen Einwohner
       in ihre Wohnungen eingesperrt. Der Hafen ist zwar nach wie vor in Betrieb,
       doch die Frachtcontainer stauen sich bereits. Auch die LKWs können ihre
       Ladungen nicht mehr abliefern, da etliche Städte aus Angst vor einer
       Verbreitung des Virus ihre Autobahnausfahren dicht machen.
       
       ## Lockdowns in ganz China
       
       Und es kommt noch schlimmer. Denn der mediale Fokus liegt zwar auf
       Schanghai, doch mehr oder weniger ist das ganze Land von Ausgangssperren
       betroffen: Laut einer Analyse des japanischen Finanzdienstleisters Nomura
       sind derzeit 45 Städte und über 370 Millionen Chinesen im Lockdown.
       
       Für Chinas bedeutet dies also, dass kurz- und mittelfristig harte Zeiten
       bevorstehen. Das ausgegebene Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 wird
       das Land nicht mehr erreichen können, womöglich sogar stark verfehlen.
       Dabei wäre gerade jetzt ein hohes Wachstum immens wichtig: „Es gibt dieses
       Jahr allein mehr als zehn Millionen Universitätsabgänger – das ist mehr als
       die Gesamtbevölkerung anderer Länder“, sagt Yao Jingyuan, ehemaliger
       Chefökonom des nationalen Statistikamts. Er ist sich sicher: „Der Druck auf
       den Arbeitsmarkt ist beispiellos“.
       
       Denn bislang gilt die Faustregel: pro 1 Prozent Wachstum werden in China
       zwei Millionen Jobs kreiert. Doch nicht zuletzt wegen der Pandemie kann die
       Volksrepublik den Stellenbedarf keineswegs mehr decken: Denn angesichts
       geschlossener Grenzen werden praktisch sämtliche chinesischen
       Arbeitseinsteiger in ihrem Heimatland bleiben. Sollte ihnen dieses keine
       wirtschaftliche Perspektive bieten können, steigt die Gefahr sozialer
       Unruhen. Schließlich lautet das implizite Versprechen der Parteiführung an
       die Bevölkerung, dass die Zukunft unter ihrer Führung stets besser wird.
       
       15 Apr 2022
       
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