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       # taz.de -- Keine Zinserhöhung gegen Inflation: EZB bleibt bei ihrem Kurs
       
       > Die steigenden Preise sind Folge der Energieknappheit, so die Linie der
       > Zentralbank. Deshalb nützten höhere Zinsen nichts. Man sei aber flexibel.
       
   IMG Bild: Die EZB bleibt vorerst bei ihrem Kurs: EZB-Chefin Christin Lagarde, hier bei einer Pressekonferenz am 22.2
       
       Berlin taz | [1][Nachdem die US-amerikanische Notenbank schon vor Wochen
       einen Wandel ihrer Niedrigzinspolitik angekündigt hatte], bleibt die
       Europäische Zentralbank vorerst auf ihrem alten Kurs und belässt den
       Leitzins bei 0 Prozent. Mittelfristig erwartet die EZB, dass die im
       Euroraum aktuell bei über sieben Prozent liegende Inflation wieder auf die
       angestrebten zwei Prozent sinkt.
       
       Mit der Entscheidung hält sich der zuständige Rat der EZB ganz ausdrücklich
       alle Optionen offen. Die Inflation werde vor allem von den hohen
       Energiepreisen getrieben, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagard auf einer
       Pressekonferenz. Auf die habe die Geldpolitik aber keinen direkten
       Einfluss. Ein Problem seien die hohen Inflationserwartungen. Diesen
       begegnete Lagarde, indem sie signalisierte, die EZB werde eingreifen, falls
       sich diese Erwartungen erfüllten.
       
       [2][Unter den aktuellen, „sehr ungewissen“ Bedingungen] wolle der EZB-Rat
       in der Geldpolitik flexibel bleiben, sagte sie. Wie zu Beginn der Pandemie
       sei man bereit, „jederzeit und unverzüglich“ auf Herausforderungen zu
       reagieren. Aufgrund der verfügbaren Daten habe sich der Rat aber
       entschlossen, die Staatsanleihenkäufe sukzessiv zu verringern und
       schließlich im dritten Quartal ganz einzustellen. Erst „einige Zeit“ nach
       dem Ende der Anleihenkäufe werde die EZB es in Betracht ziehen, den
       Leitzins zu erhöhen. „Einige Zeit“ könne eine Woche, aber auch mehrere
       Monate bedeuten.
       
       Die EZB kauft Anleihen, um bei bereits extrem niedrigen Zinsen die
       Wirtschaft noch weiter anzukurbeln. [3][Sie darf zwar Staaten nicht direkt
       ihre Anleihen abkaufen], kann sie aber auf den Märkten von denjenigen
       einkaufen, die sie bereits erworben haben. Dadurch ist faktisch garantiert,
       dass Käufer Abnehmer für ihre Anleihen finden, sodass diese ein weniger
       großes Risiko darstellen. Staaten können ihre Anleihen so zu geringeren
       Zinsen loswerden. Wenn die EZB ihre Anleihenkäufe einstellt, haben diese
       Staaten weniger Möglichkeiten, neues Geld zu vertretbaren Bedingungen
       aufzunehmen. Mit dem Herunterfahren des Kaufprogramms will die EZB
       erreichen, dass weniger Geld in Umlauf kommt. Das soll die Inflation
       begrenzen.
       
       Weil die Inflation in Europa aber nicht primär durch eine zu große
       Geldmenge getrieben wird, sondern vor allem durch die explodierenden
       Energiepreise, ist gar nicht sicher, dass weniger Geld tatsächlich den
       gewünschten Effekt hätte. Nicht wenige Ökonomen warnen davor, dass
       steigende Zinsen – die der nächste logische Schritt wären – die Wirtschaft
       bremsen und damit letztlich Arbeitsplätze kosten könnten. Vor dem
       russischen Angriff auf die Ukraine war etwa die EU-Komission von einem
       Wirtschaftswachstum von 4 Prozent in den Mitgliedsländern ausgegangen. Erst
       am Donnerstag kündigte aber etwa der Internationale Währungsfonds an, seine
       Prognose „deutlich“ zu senken.
       
       Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW hatte allerdings
       kürzlich ein anderes Argument ins Spiel gebracht: Die Expert:innen haben
       in einer Studie berechnet, dass eine Erhöhung des Leitzinses um 0,25
       Prozentpunkte die Energiepreise um zwei bis vier Prozent senken könnte. Der
       Hintergrund: Höhere Zinsen stabilisieren die Währung, und ein teurerer Euro
       bedeutet, dass man sich für einen Euro mehr Dollar kaufen kann. Und weil Öl
       in Dollar gehandelt wird, ließe sich so mit einem Euro dementsprechend mehr
       Öl kaufen.
       
       In jedem Fall befindet sich die EZB in einem Zielkonflikt. Höhere Zinsen
       werden die Inflation teilweise begrenzen, aber auch Investitionen und so
       die Wirtschaft bremsen.
       
       14 Apr 2022
       
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