# taz.de -- Ausmisten für ein neues Lebensgefühl: Ein Hoch auf Alman-Camouflage-Namen
> Unser Autor macht dieses Jahr einen großangelegten Frühjahrsputz. Beim
> ausmisten und verschenken Begegnen ihm viele verschiedene Charaktere.
IMG Bild: Einige Möbelstücke passen irgendwann nicht mehr ins Lebensgefühl
Diesmal ist der Frühjahrsputz üppiger ausgefallen. Einige Möbelstücke und
Geräte mussten raus, sie passen einfach nicht mehr in mein Lebensgefühl –
obwohl sie einwandfrei funktionieren. Das Minischlafsofa, das ich nie
benutzt habe. Die viel zu kleine Singlespülmaschine, in die ich die großen
Teller nur mit viel Akrobatik und Geduld platzieren konnte. Wegwerfen ging
nicht, weil Greta Thunberg richtigliegt. Deswegen habe ich im Netz das
meiste als „zu verschenken“ deklariert. Für die Spülmaschine wollte ich
dann doch 80 Euro haben. Der Prophet Mohammed war schließlich Händler von
Beruf. Fairer Handel ist also Halal-Kapitalismus.
Als Erstes kam [1][eine ukrainische Familie vorbei]. Ich hatte auf Englisch
mit dem Sohn geschrieben. Sie nahmen das Sofa und einen Bürostuhl mit. Ein
Familienmitglied komme vielleicht bald aus der Ukraine nach, und sie
bräuchten mehr Möbel. Wir haben nicht viel gesprochen. Die Sachen in ihr
Auto mit ukrainischem Kennzeichen gehievt und uns zum Abschied zugenickt.
Pragmatisch, zielorientiert, respektvoll: Ich stehe der SPD für ihre
Ukrainepolitik gerne Rede und Antwort.
Einen Tag später erschien ein Studi, der glücklich war, nicht mehr per Hand
abwaschen zu müssen. Er blickte mich skeptisch an und stellte sich mit den
Worten vor: „Der Schlauch sieht so aus, als bräuchte er viel Muskelkraft.
Ich mache das mal lieber.“ Er grinste dabei hinter seiner Maske, und ich
habe ihn eingeladen, doch bitte gerne alles alleine zu machen. 15 Minuten
schaute ich ihm zu, wie er verzweifelt mit einer Zange versuchte, die
Spülmaschine von der Wasserzufuhr abzutrennen, und dabei sein Leben
verfluchte. Die Muskeln brachten doch nicht das von ihm erhoffte Ergebnis,
[2][seine Männlichkeit zur Schau zu stellen]. Für mich war es unglaublich
unterhaltsam.
Der übermütige Studi brachte mich kurz auf andere Gedanken. Denn
Verzweiflung machte sich bei mir breit, weil der Schrank, den ich unbedingt
loswerden wollte, lange keine Abnehmer*in gefunden hat. Jemand hatte
sich dreimal angekündigt und war dann doch nicht gekommen. Der wahre
Charakter von Menschen zeigt sich in ihrem Umgang mit Unbekannten. Ich
dachte, das wäre die Lektion dieses speziellen Frühjahrsputzes. Dann
erreichte mich aber die erlösende Nachricht eines Users mit dem Namen Bill,
er wolle sogar das hässliche rote Regal mitnehmen. Er könne jetzt gleich
mit dem Transporter vorbeikommen. Ein Traum.
Kurz darauf war er da, ein groß gewachsener, nordafrikanisch aussehender
Mann. Kräftig, mit Schirmmütze auf den schwarzen Locken und Siebentagebart.
Er hieß nicht Bill, in Wahrheit ganz anders und sagte trocken, dass es
einfacher sei, wenn man in Deutschland einen für Almans kompatiblen Namen
benutze. Wir haben uns direkt gut verstanden, ich trage schließlich auf der
Tauschplattform auch [3][einen Alman-Camouflage-Namen.] Ein Hoch auf die
Bills dieser Welt.
5 May 2022
## LINKS
DIR [1] /Angriffskrieg-in-der-Ukraine/!5842967
DIR [2] /These-zu-Maennlichkeit/!5844731
DIR [3] /Kolumne-Habibitus/!5391794
## AUTOREN
DIR Mohamed Amjahid
## TAGS
DIR Kolumne Die Nafrichten
DIR Putzen
DIR Ebay
DIR Möbel
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Schwerpunkt Feministischer Kampftag
DIR Schwerpunkt Radfahren in Berlin
DIR Greenwashing
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Erregte Gesellschaft: Kokain im almanischen Diskurs
Als Journalist interessiert unseren Autor, was die Menschen bewegt. Wenn er
dann erfährt, was sie kaltlässt, erstaunt und entfremdet ihn das immer
häufiger.
DIR Care-Arbeit und Gleichberechtigung: Ist Spielen auch Arbeit?
Ein Paar versucht mit einer Handy-App, Putzen, Kochen und Kinderbetreuung
gerecht aufzuteilen. Ein Wettbewerb entsteht. Kann es Sieger geben?
DIR Repaircafés in Berlin: Das geht doch noch!
In Berlin fallen jährlich 70.000 Tonnen Sperrmüll an. Repaircafés und
weitere Initiativen versuchen, dem Müll ein zweites Leben zu geben.
DIR Berliner Startup für Secondhandware: Grüner Lifestyle für Faule
Der Berliner Startup GreenCircle möchte den Kauf und Verkauf von
gebrauchter Ware bequemer gestalten. Nette Idee – hat aber ein paar Haken.