URI: 
       # taz.de -- Vor den Wahlen in Schleswig-Holstein: Beharrlichkeit der Schweinemäster
       
       > Die CDU will sich weiblicher geben, stößt aber an ihrer eigenen Basis auf
       > Widerstand. Vor allem auf dem Land dominieren Männer die Partei.
       
   IMG Bild: Im Haustürwahlkampf: Die CDU-Landtagskandidatin Rixa Kleinschmit
       
       Elsdorf-Westermühlen taz | In ihrem pinkfarbenen Hoodie ist [1][Rixa
       Kleinschmit] nicht zu übersehen. Die CDU-Kandidatin im Wahlkreis Rendsburg
       steht auf dem Parkplatz am Feuerwehrgerätehaus von Elsdorf-Westermühlen,
       umgeben von Mitgliedern der Jungen Union (JU). Die jungen Männer tragen
       Blau, die Frauen dieselben grellen Hoodies wie die Kandidatin. Flyer und
       Werbekulis werden ausgeteilt, Routen besprochen – die Gruppe bereitet sich
       auf den Haustürwahlkampf vor.
       
       Die Stimmung ist so gut wie das Frühlingswetter: Die CDU mit ihrem
       Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten [2][Daniel Günther] liegt bei den
       Umfragen weit vorn. Der 48-Jährige aus Eckernförde ist im Land beliebt,
       viele würden ihn direkt erneut zum Ministerpräsidenten wählen. Günther gilt
       bundesweit als Vertreter des liberalen Flügels der CDU – aber wie tickt
       eigentlich seine Landespartei?
       
       Jünger, moderner und weiblicher solle sich die CDU präsentieren, mit diesem
       Vorsatz trat Günther an, der 2016 zum Vorsitzenden gewählt wurde. Doch
       gerade „weiblicher“ klappt nicht recht. Unter den 25 Abgeordneten der
       aktuellen Parlamentsfraktion sind nur 4 Frauen, dafür aber 5 männliche
       Landwirte oder Agrar-Ökonomen. Mehr Bauern als Frauen: Sehr wahrscheinlich
       wird das nach der Wahl nicht wesentlich anders aussehen. Denn die CDU
       gewinnt regelmäßig fast alle Direktmandate, entsprechend spielt die Liste
       kaum eine Rolle. Am 8. Mai treten für die CDU in den landesweit 35
       Wahlkreisen immerhin 10 Frauen an. Doch eine Reihe von ihnen kandidiert in
       den Städten, in denen die SPD am ehesten die Chance hat, der CDU ein Mandat
       abzunehmen.
       
       Rixa Kleinschmits Wahlkreis zählt zu den nicht ganz so klaren Fällen. Er
       umfasst zwei Kleinstädte und vier ländlich geprägte Ämter, bei der
       Landtagswahl 2017 ging er an die CDU, bei der Bundestagswahl 2021 an die
       SPD. Angesichts der aktuellen Umfragen sollte es aber klappen mit
       Kleinschmits Direktmandat, und zumindest Elsdorf-Westermühlen, das Dorf, in
       dem die Kandidatin mit ihren Werbeflyern von Haustür zu Haustür geht, ist
       eine Hochburg der Christdemokraten. Der Ort ist geprägt von großen
       Einfamilienhäusern mit Doppelgaragen und akkuraten Vorgärten. Die meisten
       Dorfbewohner*innen, mit denen Kleinschmit ins Gespräch kommt, nehmen den
       CDU-Flyer gern, viele wünschen der Kandidatin Glück.
       
       ## Das perfekte Profil: Frau, jung, Mutter
       
       Kleinschmit passt perfekt ins Anforderungsprofil: Nicht nur Frau, sondern
       mit 41 Jahren auch noch vergleichsweise jung, Mutter zweier Töchter und
       obendrein studierte Landwirtin. „Ich hatte immer eine Affinität zu dem
       Beruf“, sagt Kleinschmit, schließlich stammt sie von einem Bauernhof, den –
       ganz traditionell – ihr Bruder übernommen hat.
       
       Sie selbst hatte eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin absolviert,
       bevor sie ihr Studium begann. „Mit Agrarwissenschaft kann man unglaublich
       viel machen“, sagt Kleinschmit. Sie arbeitet als Geschäftsführerin des
       Kreisbauernverbandes Rendsburg-Eckernförde, der mehrheitlich konventionelle
       Bäuer*innen vertritt – davon gebe es einfach mehr, sagt Kleinschmit, die
       Jagen, Lesen und Kochen als Hobbys nennt. Und der Verband ändere sich:
       „Klimawandel ist für die Landwirtschaft ein Riesenthema, Energiegewinnung
       aus Wind und Sonne ebenfalls.“ Also ist sie zwar durchaus dafür, geeignete
       Ökoflächen in Deutschland zu beackern, um den Ausfall der Ernte in der vom
       Krieg überzogenen Ukraine auszugleichen. Aber sie betont auch, dass dies
       nur eine kurzfristige Maßnahme sein solle.
       
       Aktuell ist Kleinschmit in Elternzeit – und bereitet sich auf den Einstieg
       in die Berufspolitik vor. Auf die Frage, wie konservativ die CDU in
       Schleswig-Holstein sei, sagt sie: „Es hat sich einiges getan.“ Dazu habe
       auch die Jamaika-Koalition beigetragen. „Schön, dass die Zusammenarbeit so
       reibungslos läuft“, freut sich Kleinschmit, die sich als eine bezeichnet,
       die „Tischtücher lieber zusammennäht statt durchzuschneiden“. Auch Jo
       Reimer, der die Kandidatin als freiwilliger Wahlkampfhelfer durch das Dorf
       begleitet, würde gern die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP
       fortführen, und auch er hält seine Partei inzwischen für ziemlich modern
       und liberal. „Jedenfalls hier“, fügt er hinzu. Andere Landesteile seien
       konservativer, meint das JU-Mitglied.
       
       Wer im Kieler Landtag um Einschätzungen der Schleswig-Holstein-CDU bittet,
       hört meist die Einschätzung, die Basis sei insgesamt konservativer als die
       Aktiven in der ersten Reihe. Mit den Koalitionen und Bündnissen, die in der
       politischen Arithmetik bereits als vollkommen normal erscheinen, etwa
       Schwarz-Grün als möglicher nächster Regierung, tun sich viele im Land noch
       schwer, vermuten Abgeordnete. Allerdings befürworten viele CDU-Mitglieder
       die Jamaika-Koalition und würden sie gern fortsetzen.
       
       ## Die alte CDU: Mit „aller Kraft“ für den Autobahnbau
       
       Dennoch scheint die CDU Schleswig-Holstein manchmal auf ihr eigenes
       Klischee hereinzufallen. So wie in Segeberg-Ost, wo die Partei [3][Sönke
       Siebke], einrn Schweinemäster und Ackerbauern, in den Landtag schickt. Nur
       ein politischer Erdrutsch könnte verhindern, dass er in dem ländlich
       geprägten Wahlkreis den Einzug ins Parlament verpasst. Für ein Treffen mit
       der taz hat Siebke leider keine Zeit: Der 56-Jährige verkauft seine
       Schweine, denn bis zur Wahl muss der Stall leer sein. Schließlich braucht
       Siebke Zeit für die Berufspolitik. Auch sein Ehrenamt als Bürgermeister der
       Gemeinde Schmalensee nehme ihn sehr in Anspruch, bedauert er.
       
       Aber auf seiner Homepage verrät er einiges über seine politischen Ziele:
       Mit „aller Kraft“ wolle er sich für den Weiterbau der Autobahn 20
       einsetzen, die seinen Kreis durchquert. An zweiter Stelle nennt er eine
       „zeitgemäße Einsatzausrüstung“ der Landespolizei und eine „Stärkung des
       Katastrophenschutzes“. Zum Thema Klimaschutz fällt Siebke vor allem ein,
       dass er „Geld kostet“ und „Autofahren kein Luxus für wenige werden“ dürfe.
       Das Direktmandat bekam Siebke erst nach einer Stichwahl. Er siegte knapp
       gegen Maren Storjohann, Kreisvorsitzende der Frauen-Union und Mitglied des
       örtlichen Naturschutzringes, die im ersten Durchgang die meisten
       Delegiertenstimmen erhalten hatte.
       
       „Die Strukturen in den Ortsverbänden sind immer noch zu männlich geprägt“,
       bedauert [4][Katja Rathje-Hoffmann], stellvertretende Vorsitzende der
       Landtagsfraktion und Landesvorsitzende der Frauen-Union. Sie setzt auf die
       Quote, über deren Einführung die CDU beim nächsten Bundesparteitag
       diskutiert. Doch auch die Quote verhindert nicht, dass mehr Männer in die
       Spitzenpositionen drängen und die Ortsverbände sie wählen. Rathje-Hoffmann
       plädiert für andere Spielregeln: „Sitzungen, die nicht endlos dauern,
       vielleicht auch mal online stattfinden, mit einer festen Tagesordnung – das
       macht es für Frauen leichter, in die Politik einzusteigen.“
       
       Frauenquote ja oder nein? „Vor 15 Jahren hätte ich vermutlich gesagt, es
       braucht keine“, sagt Rixa Kleinschmit. Immerhin habe sie sich in einem
       männlich dominierten Beruf durchgesetzt und nie den Eindruck gehabt,
       zurückgesetzt zu sein. Auch in der Politik sei sie von Männern gefördert
       worden: „Ich war immer politisch interessiert, war schon auf Fehmarn im
       Gemeinderat. Als ich nach Westerrönfeld zog, hat der dortige Bürgermeister
       mich angesprochen.“ Dennoch sei sie inzwischen der Meinung, dass es die
       Quote brauche: „Ich will nicht, dass meine kleinen Töchter mich in 20
       Jahren fragen, warum Frauen immer noch weniger verdienen und weniger Ämter
       besetzen als Männer.“
       
       Warum als Landwirtin ins Parlament? „Auch die Frauen in den ländlichen
       Regionen brauchen eine Stimme“, sagt Kleinschmit. Und klar finde sie es
       gut, dass ihre JU-Unterstützerinnen Hoodies in Barbiefarbe tragen: „Ich mag
       die Farbe, und den anderen war das Blau zu langweilig. Überhaupt: Mit
       Klischees kann man spielen.“
       
       Während Kleinschmit in den letzten Wochen vor der Wahl Termine über Termine
       absolviert, räumt die Frauen-Unions-Vorsitzende Rathje-Hoffmann ihr
       Parlamentsbüro. Sie wird dem nächsten Landtag nicht mehr angehören. Die
       Abstimmung um das Direktmandat in ihrem Wahlkreis hat sie verloren – gegen
       einen Mann.
       
       8 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rixa-kleinschmit.de/
   DIR [2] /Politiker-Daniel-Guenther-ueber-die-CDU/!5844734
   DIR [3] https://www.cdu-sh.de/personen/soenke-siebke
   DIR [4] https://www.cdu.ltsh.de/abgeordneter/katja-rathje-hoffmann.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
   DIR Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022
   DIR CDU Schleswig-Holstein
   DIR Frauen
   DIR GNS
   DIR Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022
   DIR Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022
   DIR Feminismus
   DIR Tourismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR +++Liveticker zur Wahl in Schleswig-Holstein+++: AfD deutlicher unter 5 Prozent
       
       Die Union gewinnt und hat mehrere Koalitionspartner zur Wahl. Grüne drohen
       der Union mit Opposition. Die AfD muss um Verbleib im Landtag zittern.
       
   DIR Die Wahrheit: Hinter Hamburg beginnt die Arktis
       
       Am Sonntag wird in Schleswig-Holstein gewählt, dem nicht nur nördlichsten,
       sondern wahrhaft österreichischsten Bundesland Deutschlands.
       
   DIR Film-Remake eines Streitgesprächs: Vier Feministinnen und ein Macho
       
       Ein Medienereignis des Feminismus als Remake: RP Kahls Film „Als Susan
       Sonntag im Publikum saß“ setzt eine Podiumsdiskussion von 1971 in Szene.
       
   DIR Debatte um Neun-Euro-Ticket: Trojanisches Pferd für Superarme
       
       Wegen des geplanten Neun-Euro-Tickets befürchten deutsche Urlaubsregionen
       wie Sylt den Kollaps. Immerhin steht die eigene Exklusivität auf dem Spiel.