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       # taz.de -- Kampf um die Zukunft des Frauenboxens: Schwerwiegende Leichtgewichte
       
       > Im New Yorker Madison Square Garden kämpfen Katie Taylor aus Irland und
       > Amanda Serrano aus Puerto Rico um den WM-Titel im Leichtgewicht.
       
   IMG Bild: „Die Beste gegen die Beste“: Katie Taylor (l.) und Amanda Serrano auf dem Empire State Building
       
       Was am heutigen Samstag ansteht, ist eine Weltmeisterschaft, bei der
       wirklich Welten aufeinanderprallen. [1][Katie Taylor, 35, aus Irland,]
       trifft in New York auf Amanda Serrano, 33, aus Puerto Rico. Taylor ist im
       Leichtgewicht die Weltmeisterin aller vier relevanten Profiboxverbände WBA,
       IBF, WBO und WBC, und auch das unabhängige Fachmagazin The Ring führt sie
       als Beste ihrer Klasse. Amanda Serrano ist eigentlich
       Superfliegengewichtlerin und hält beziehungsweise hielt sieben WM-Titel
       unterschiedlichster Gewichtsklassen, Rekord im Profiboxen. Schon rein
       fachlich hat Katie Taylor recht, wenn sie sagt: „Einer der Gründe, warum
       dieser Kampf so besonders ist, dass hier die Beste gegen die Beste kämpft.“
       
       Katie Taylor steht für das seriöse Boxen, saubere Technik und lange
       Amateurschule. Amanda Serrano steht für etwas, das man in ihren Worten
       vielleicht als das „ehrliche Boxen“ bezeichnen könnte: durch den Sport den
       sozialen Aufstieg schaffen, sich durchs Leben boxen, Respekt für sich
       selbst erkämpfen.
       
       Schon vor zwei Jahren war der Kampf der beiden angesetzt worden. Da hätte
       er in London stattgefunden, organisiert von Taylors Promoter Eddie Hearn,
       nicht nur im Vereinigten Königreich einer der größten Boxunternehmer. Der
       Kampf platzte, das lag zum Teil an der Coronakrise, zum Teil auch an
       Terminschwierigkeiten wegen Dreharbeiten für einen Film über Serranos
       Leben, aber auch an den Börsen, die Amanda Serrano nicht akzeptierte.
       
       Es wurde weiterverhandelt, und aus Taylors Titelverteidigung in London
       wurde das Event in New York: Börsen, die es im Frauenboxen noch nicht gab,
       und zum ersten Mal in seiner 140-jährigen Geschichte wird der Madison
       Square Garden zwei Frauen zu Hauptkämpferinnen des Abends ernennen.
       
       ## „Unangreifbare Nationalheldin“
       
       Katie Taylor wurde erst 2016 Profi, zuvor gehörte sie zu den besten
       Amateurboxerinnen der Geschichte: 2012, [2][als in London das Boxen für
       Frauen erstmals olympisch wurde,] gewann sie Gold, und fünfmal war sie
       Amateurweltmeisterin. Sogar in der irischen Fußballnationalmannschaft
       spielte sie, von 2006 bis 2009. Ihre Autobiografie wurde 2012 mit dem Irish
       Book Award ausgezeichnet. Erstmals Boxgeschichte schrieb sie, als sie 2001
       in Dublin den ersten Frauenboxkampf Irlands bestritt. Eine Pionierin, von
       der Steve Bunce, Boxexperte der BBC, sagt: „Selbst wenn Katie Taylor noch
       vor den Olympischen Spielen in London zurückgetreten wäre, würden wir über
       diese Frau sprechen, die in Irland eine unangreifbare Nationalheldin war.“
       
       Amanda Serrano sieht das kein bisschen anders: „Als Katie ins Profilager
       wechselte, war ich enorm aufgeregt, denn ich wusste, dass sich nun die
       Dinge für uns ändern.“ Serrano hatte nur eine kurze Amateurkarriere, als
       21-Jährige wurde sie Profi und folgte ihrer Schwester Cindy. Deren Ehemann,
       Jordan Maldonado, war ihr erster Trainer und Manager. Maldonado
       repräsentiert wie kaum ein anderer das Halbseidene im Profigeschäft: 2007,
       da war Amanda Serrano noch kein Profi, stand er im Mittelpunkt von
       Ermittlungen wegen Steroiden und anderen Drogen in New Yorker Boxstudios.
       
       Maldonado wurde zu einem Jahr Haft verurteilt, seine Frau Cindy, die sich
       auch schuldig bekannt hatte, musste sechs Monate auf die Fahrerlaubnis
       verzichten, und Cindys Schwester Amanda sollte zwar angeklagt werden, aber
       es kam zu keiner Verhandlung.
       
       Cindy Serrano boxte 2018 in Boston gegen Katie Taylor und verlor. Aus der
       Ecke brüllte während des Kampfes Maldonado in Richtung der überlegenen
       Taylor: „Du hast dir die schwächere Serrano ausgesucht!“ Maldonados
       Brüllereien blieben nicht ohne Folge, Taylors Trainer wollte ihn zur Rede
       stellen, die Hallen-Security musste einschreiten. Katie Taylor selbst hat
       den Kampf und Maldonados Auftritt in schlechtester Erinnerung. „Ich habe
       während des gesamten Kampfes gehört, was er gesagt hat. Er hat schreckliche
       Dinge gesagt – das war doch seine Frau im Ring!“, berichtete sie einer
       irischen Zeitung. „So etwas zu rufen, ist doch übel. Man sollte seine Frau
       doch wenigstens etwas ermutigen.“
       
       ## Betuchter Manager
       
       Sogar in Puerto Rico, wo Serrano sehr populär ist, warf man ihren Manager
       aus der Halle. Der Ringrichter sprach von Beleidigungen, „die zu schmutzig
       sind, um sie zu wiederholen“. Noch im vergangenen Jahr beschwerte sich eine
       Gegnerin von Amanda Serrano, die Mexikanerin Yamileth Mercado, die durch
       technischen K. o. verlor, dass Jordan Maldonado sie noch aufs Übelste
       beleidigte, als man sie ins Krankenhaus brachte. Der Auftritt verschaffte
       ihm eine sechsmonatige Sperre, freilich nur im Bundesstaat Ohio, aber
       dennoch sorgte der Kampf für eine Veränderung in der Karriere der Amanda
       Serrano.
       
       Der damalige Promoter Jake Paul wurde bald Serranos Manager. Ob Paul
       seriöser ist als Maldonado, lässt sich schwer sagen, in jedem Fall hat er
       ökonomisch ein anderes Standing. Dem Magazin Forbes gilt er als Nummer zwei
       der Youtube-Unternehmer 2021, umgerechnet 40 Millionen Euro soll der
       25-Jährige mit Vlogs und Musikvideos verdient haben. Er war Schauspieler,
       vernetzt jetzt Influencer auf Youtube, und immer wieder versuchte er, als
       Profiboxer zu reüssieren. Unter dem Kampfnamen „The Problem Child“ hat er
       zwar fünf gewonnene Kämpfe im Cruisergewicht in der Bilanz, aber es waren
       allesamt keine hochkarätigen Gegner.
       
       Der Rest bei Paul war immer Ballyhoo, unter anderem wollte er einmal einen
       Bruder des Schwergewichtsweltmeisters Tyson Fury herausfordern. Der
       Bild-Zeitung gilt Paul wegen diverser PR-kompatiblen Sexaffären als
       „Fummelboxer“, aber Amanda Serrano ist zufrieden: „Die Zusammenarbeit mit
       Jake Paul ist eine große Hilfe“, sagt sie. „Nicht nur für mich, sondern
       auch für das Boxen und die Frauen generell.“ Der englische Guardian
       schreibt über die Geschäftsbeziehung: „Serrano verleiht Paul
       Glaubwürdigkeit als Sportler und rückt ihn in ein neues, wohlwollendes
       Licht als Vorkämpfer für den Frauensport. Derweil trug er dazu bei, ihr
       Profil über die Profiboxszene hinaus zu schärfen.“
       
       Immerhin hat Paul derart hart mit Eddie Hearn verhandelt, dass nicht nur
       mehr Geld heraussprang, sondern auch ein Kampf in New York, wo Serrano
       schon viele Jahre lebt. Zudem ist Paul nun mit Hearn gemeinsam Promoter des
       Abends. „Er benutzt mich, ich benutze ihn“, erklärt Hearn die
       Geschäftsbeziehung und wundert sich doch über den Kollegen: „Es ist schon
       ungewöhnlich, zu einer Pressekonferenz zu kommen und zu sehen, dass auf
       einen anderen Promoter mehr Kameras gerichtet sind.“
       
       ## Große technische Fähigkeiten
       
       Dass Serranos bisherige Manager eher als halbseiden gelten, sagt nichts
       über ihre sportlichen Fähigkeiten: Mit 30 K.-o.-Siegen aus ihren 44 Kämpfen
       hat sie einen beeindruckenden Rekord. Ein Unentschieden und eine einzige
       Niederlage, vor zehn Jahren, trüben den kaum. Sie ist unglaublich
       fokussiert auf den anstehenden Kampf. Jüngst erzählte sie, dass sie kein
       Handy besitzt, um sich nicht ablenken zu lassen.
       
       Serrano muss Taylor ernst nehmen. Die hat nämlich einen ähnlich
       beeindruckenden Kampfrekord: 20 Kämpfe, 20 Siege. An ihren technischen
       Fähigkeiten besteht kein Zweifel, allerdings hat sie erst sechs
       K.-o.-Siege, was aber nicht über ihre Schlaghärte täuschen soll, wie
       BBC-Experte Steve Bunce sagt: „Du kannst die Kamera in jeder einzelnen
       Phase des Kampfes auf ihre Füße halten, sie werden immer in der perfekten
       Position sein.“
       
       Serrano richtet sich darauf ein. „Ich muss mich einfach an den Gameplan
       halten, auf meine Ecke hören und dafür sorgen, dass ich Amanda Serrano
       bin“, hat sie gesagt. Ihre Gegnerin habe sie genau analysiert, aber: „Du
       weißt ja, der Stil macht den Kampf aus. Sie könnte sich anders verhalten,
       wenn sie im Kampf gegen mich einen Treffer ins Gesicht bekommt.“ Aber,
       setzt Serrano hinzu: „Es ist wirklich eine Ehre, bei diesem ikonischen
       Event im Ring zu stehen, mit Katie Taylor, einem fantastischen,
       unangefochtenen und ungeschlagenen Champion.“
       
       Der Kampf ist tatsächlich die große Chance, das Frauenboxen auf eine neue,
       höhere Stufe zu stellen. „Katie Taylor war es, die Eddy Hearn dazu gebracht
       hat, sie auf DAZN zu bringen“, sagt Serrano voller Anerkennung, „sie war
       der Türöffner“. Nun sind die beiden Hauptkämpferinnen im Madison Square
       Garden, und der Kampf wird bei DAZN gezeigt.
       
       Promoter Eddie Hearn sagt: „Der Garden ist nicht deshalb ausverkauft, weil
       die Leute sagen: ‚Oh, wir sollten den Frauensport unterstützen.‘ Er ist
       ausverkauft, weil es ein unglaublicher Kampf ist.“ Und Katie Taylor
       ergänzt: „Wenn man an Madison Square Garden denkt, denkt man an
       [3][Muhammad Ali vs. Joe Frazier.] Das sind Kämpfe, über die noch heute
       gesprochen wird. Ich denke, man wird noch jahrelang über diesen Kampf
       sprechen.“
       
       Die große Pauke wird im Profiboxen immer geschlagen. Frauen stehen da
       Männern in nichts nach. Als Jahrhundertfights wurde etwa 2001 der Kampf von
       Laila Ali gegen Jacqui Frazier aufgebaut, dabei war es halt das Duell
       zwischen Muhammads und Joes Tochter. 2005 hätte der Kampf zwischen der
       Amerikanerin Christy Martin und der Niederländerin Lucia Rijker eine solche
       Bedeutung bekommen können, zwei als unschlagbar geltende Boxerinnen, doch
       verletzungsbedingt kam er nicht zustande.
       
       An diesem Abend könnte alles anders werden.
       
       30 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR Martin Krauss
       
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