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       # taz.de -- UN-Experte zu Situation in Deutschland: „Systemversagen“ bei Polizeigewalt
       
       > UN-Experte Nils Melzer kritisiert die Bundesregierung für ihren Umgang
       > mit Polizeigewalt. Die Behörden seien weiter blind für eigenes
       > Fehlverhalten.
       
   IMG Bild: Polizeigewalt etwa bei Demos würde in Deutschland kaum verfolgt, beklagt ein UN-Experte
       
       Genf dpa | In Deutschland gibt es beim Umgang mit [1][Polizeigewalt] nach
       Auffassung eines UN-Menschenrechtsexperten „Systemversagen“. Dieses Fazit
       zieht der bisherige UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere
       grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Nils Melzer, aus
       seinem Austausch mit der Bundesregierung, wie er der Deutschen
       Presse-Agentur sagte. Zuvor hatte Die Welt darüber berichtet.
       
       Melzer war im Sommer 2021 wegen mehrerer Videos, die offenbar Polizeigewalt
       bei Berliner [2][Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen] zeigten,
       aufgeschreckt worden. Er äußerte Sorge darüber und bat die Bundesregierung
       um eine Stellungnahme. „Ich fand die Reaktion der Regierung bedenklich“,
       sagte er jetzt. Nach Auffassung der Bundesregierung sei es verhältnismäßig
       gewesen, dass Polizisten beispielsweise einen nicht aggressiven
       Demonstranten vom Fahrrad stießen und auf den Boden warfen. „Die
       Wahrnehmung der Behörden, was verhältnismäßig ist, ist verzerrt“, sagte
       Melzer.
       
       Er habe die Bundesregierung um eine Statistik gebeten, wie viele Polizisten
       wegen unverhältnismäßiger Gewalt belangt werden, sagte Melzer. Die Antwort
       sei gewesen: In zwei Jahren sei es ein einziger gewesen, und in mehreren
       Bundesländern gebe es gar keine Statistiken. „Das ist kein Zeichen von
       Wohlverhalten, sondern von Systemversagen“, sagte Melzer. „Die Behörden
       sehen gar nicht, wie blind sie sind.“
       
       Während Demonstranten teils in Schnellverfahren abgeurteilt würden, würden
       Verfahren gegen Polizisten eingestellt oder verschleppt, „bis niemand mehr
       hinschaut“. Sein Fazit: „Die Überwachung der Polizei funktioniert in
       Deutschland nicht.“ Arroganz sei gefährlich, sagte Melzer: „Das zerstört
       das Vertrauen der Bürger in die Polizei.“
       
       Melzer hat seine abschließende Einschätzung am 28. März nach Berlin
       geschickt. Es dauert 60 Tage, bis das UN-Büro für Menschenrechte sie
       veröffentlicht. Melzer ist wegen einer Berufung in das Direktorium des
       Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) Ende März von seinem UN-Amt
       zurückgetreten. Der Dialog mit Berlin sei damit abgeschlossen, sagte
       Melzer. Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger wird im Juni gewählt und
       dürfte sich anderen Themen widmen.
       
       21 Apr 2022
       
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