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       # taz.de -- Führung des Umweltverbands WWF: Außen flauschig, innen Krise
       
       > Leitende Angestellte von WWF Deutschland kritisieren die Führung der
       > Umweltorganisation. Sie beklagen mangelhaften Umgang mit einem
       > Compliance-Fall.
       
   IMG Bild: Hat es schwer: Der Pandabär
       
       BERLIN taz | Wer beim WWF arbeitet, tut das oft aus einer intrinsischen
       Motivation heraus. Es geht schließlich um eine gute Sache. Die
       Umweltschutzorganisation kämpft für Bonobos im Kongo, gegen die Vermüllung
       der Weltmeere, gegen die Klimakrise. Es geht um nichts weniger, so heißt es
       in einem aktuellen Werbespot, als um die Rettung der Erde.
       
       Da muss eine ganze Menge passieren, dass leitende Angestellte des WWF sich
       zusammentun, um einen Protestbrief zu schreiben. Sie sind unzufrieden
       damit, wie ihre Organisation geführt wird. Den Brief haben 26
       Leiter*innen der Fachbereiche unterzeichnet, das ist fast die komplette
       mittlere Führungsebene des WWF Deutschland. Ende vergangener Woche haben
       sie die fünf Seiten an den Stiftungsrat geschickt, das Aufsichts- und
       Kontrollorgan des WWF Deutschland. In dem Brief, der der taz vorliegt,
       sprechen sie die Mitglieder des Gremiums mit Vornamen an. Sie schreiben,
       dass sie das Vertrauen in die leitenden Organe verloren hätten.
       
       Der Geschäftsführende Vorstand habe gegen Compliance-Regeln des WWF
       verstoßen, heißt es. Beim Prozess der Aufarbeitung hätten die
       Verantwortlichen die betrieblichen Regeln nicht eingehalten. Die
       Unterzeichnenden fordern eine „vollumfängliche, transparente Klärung“ des
       Sachverhalts und, dass „konsequent gegen den Verstoß gehandelt wird“.
       
       Solche Vorwürfe sind für jede Organisation problematisch, aber erst recht
       für eine wie den WWF, eine der größten Natur- und
       Umweltschutzorganisationen der Welt. Er ist von Spenden abhängig, von
       Vertrauen in seine Arbeit.
       
       ## Whistleblowerin soll bedroht worden sein
       
       Nach taz-Informationen geht es bei dem Compliance-Fall um mögliche
       Interessenskonflikte von zwei Mitgliedern der Geschäftsführung. Die
       Personalchefin des WWF Deutschland bekam mit, dass der Geschäftsführende
       Vorstand des WWF Deutschland, Eberhard Brandes, eine Affäre mit der
       Finanzchefin der Organisation hat. Laut ihrem LinkedIn-Profil schied die
       Finanzchefin im März 2022 aus dem WWF aus. Davor hatten Brandes und die
       Finanzchefin aber gemeinsam Budgetentscheidungen getroffen.
       
       Dabei könnte es sich um Verstöße gegen interne Compliance-Regeln handeln.
       Es geht auch um den Vorwurf, dass Personen, die auf interne Missstände
       hinweisen, vom WWF eher drangsaliert wurden, statt Missstände transparent
       aufgeklärt. Denn die zugesagte Vertraulichkeit der Hinweisgeberin sei nicht
       gewahrt worden, schreiben die leitenden Angestellten in ihrem Protestbrief.
       Sie sei sogar bedroht worden. Nach einer internen Untersuchung seien keine
       Empfehlungen umgesetzt worden und die betriebliche Beschwerdestelle sei
       nicht einbezogen worden.
       
       Auf taz-Anfrage will sich der WWF zu den Vorwürfen nicht detailliert
       äußern. Ein Pressesprecher schreibt: „Der WWF nimmt die Compliance-Vorwürfe
       sehr ernst und hat sie unter Beachtung der Rechte aller Betroffenen mit
       großer Sorgfalt bearbeitet.“
       
       Zwei Stühle sind am Dienstagmittag dieser Woche in Saal 513 des Berliner
       Arbeitsgerichts für Zuschauer*innen aufgestellt. Sie reichen bei weitem
       nicht aus. Rund 20 Leute, vor allem Frauen, sind gekommen, um die
       Verhandlung zu verfolgen. Sie drängen in den Raum, lehnen an der Wand,
       setzen sich auf den Boden. Er verstehe gar nicht, sagt der Richter, was an
       dieser Verhandlung so interessant sein soll.
       
       ## Eine Abfindung aus Spendengeldern
       
       Das Gericht verhandelt die Klage der Personalchefin des WWF Deutschland
       gegen ihren Arbeitgeber. Sie arbeitet weiterhin für den WWF, ist aber
       unzufrieden, wie mit ihr und ihrer Meldung umgegangen wird. Sie will eine
       Auskunft über den Fortgang des Compliance-Verfahrens erstreiten, die ihr
       nach den WWF-Regeln auch zustehe.
       
       Rechtlich ist die Materie kompliziert, da zwar eine [1][neue EU-Richtlinie
       zum Whistleblower-Schutz] erarbeitet wurde, mit der Hinweisgebende in
       Betrieben besser geschützt werden sollen. Diese ist aber bis heute nicht in
       deutsches Recht übertragen.
       
       Vor Gericht wird der Compliance-Fall thematisiert. Die Finanzchefin, die
       eine Affäre mit dem Vorstand gehabt haben soll, hat einen Aufhebungsvertrag
       unterzeichnet. Sie sei in dem Zuge großzügig abgefunden worden: mit einer
       teuren Fortbildung und einem Bonus. Das berichtet der Anwalt der klagenden
       Personalchefin. „Im Raum steht, dass möglicherweise mit Spendengeldern ein
       Abfindung gezahlt wurde, auf die kein Anspruch bestand“, sagt der Anwalt
       und betont, dass der WWF eine Nonprofit-Organisation ist. Der WWF
       Deutschland sagt, die Abfindung sei rechtmäßig gewesen.
       
       Die Personalchefin hatte ihren Vorwurf bereits im Herbst 2021 über eine
       interne Hinweisplattform dem WWF gemeldet. Der WWF rühmt sich mit dieser
       Plattform. Sie gibt Whistleblowern in- und außerhalb des WWF die
       Möglichkeit, anonym und vertraulich Missstände zu melden – interne
       Angelegenheiten, aber auch beispielsweise Menschenrechtsverletzungen, die
       in Projekten des WWF passieren könnten.
       
       ## Drohen mit Kündigung
       
       Nur zeigt gerade der Fall der Personalchefin, dass das womöglich nicht
       immer funktioniert. „So wie dieses System gehandhabt wird“, sagt ihr Anwalt
       vor Gericht, „kann man nur jedem empfehlen, es nicht zu nutzen.“
       
       Der Vorsitzende des WWF-Stiftungsrats, Valentin von Massow, habe der
       Personalchefin mit Kündigung gedroht, nachdem sie ihm die Affäre gemeldet
       hatte, sagt ihr Anwalt. Massow ist derzeit auch kommissarischer Präsident
       der Dachorganisation WWF International. Er will sich zu der Angelegenheit
       nicht äußern.
       
       Die Vorwürfe der Personalchefin sind auch bei WWF International gelandet,
       da bemühte man sich offenbar um Aufklärung. Eine Anwaltskanzlei wurde mit
       einer Untersuchung beauftragt. Sie erstellte einen Bericht über den
       Compliance-Fall, der bis heute allerdings geheim ist. Nur der Vorstand und
       der Stiftungsrat sollen ihn kennen. Vor Gericht will die Personalchefin
       auch erstreiten, dass sie Auskunft über den Inhalt des Berichts bekommt.
       Auf taz-Anfrage schreibt ein WWF-Sprecher, dass die Organisation den
       Bericht aus „Rücksicht auf die persönlichen Rechte Dritter“ nicht
       preisgibt. Das Arbeitsgericht hat einen Kammertermin im November anberaumt.
       
       Im Verhaltenskodex von WWF International von 2017 heißt es, alle
       Mitarbeitenden verpflichten sich, Interessenskonflikte zu vermeiden. Sollte
       ein möglicher Interessenskonflikt bestehen, verpflichten sich die
       betroffenen Mitarbeitenden, diesen ihrem Management zu melden. Die
       Betroffenen in dem aktuellen Fall haben das nicht getan.
       
       ## Misstrauen in den WWF gibt es schon lange
       
       Diese Richtlinien sollen die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des WWF
       sichern. Die Regeln sind auch die Folge einer [2][Reihe von Skandalen], die
       der WWF in den vergangenen Jahren überstehen musste. Ihm wurde unter
       anderem vorgeworfen, [3][dass er zu sehr mit der Industrie kungelt]. Noch
       gravierender waren die Vorwürfe, die 2019 [4][durch journalistischen
       Recherchen ans Licht kamen]: Der WWF hat vor lauter Naturschutz offenbar
       elementare Menschenrechte ignoriert. Er soll militante Gruppen in Nepal,
       Indien und Kongo mitfinanziert haben, die Menschen gefoltert, vergewaltigt
       und sogar getötet haben sollen.
       
       Das Misstrauen in den Vorstand des WWF Deutschland ist kein neues Thema, es
       gibt schon lange Kritik an der Chefetage. Man kann das sogar öffentlich
       nachlesen. Auf einem Jobbewertungsportal bemängeln ehemalige
       Mitarbeiter*innen anonym den „konservativen und veralteten
       Führungsstil“, die „toxische“ Arbeitsatmosphäre, fehlende Wertschätzung und
       den großen Druck auf die Mitarbeitenden. „Der Panda ist nach außen
       flauschiger, als er nach innen agiert“, heißt es in einer Bewertung.
       
       Der Diplom-Betriebswirt Eberhard Brandes, Jahrgang 1962, ist seit 2006
       Geschäftsführender Vorstand von WWF Deutschland und damit für Budget,
       Strategie und auch Außendarstellung zuständig. Nach innen tritt er wie ein
       US-amerikanischer CEO auf, erzählen Mitarbeitende.
       
       In jüngster Zeit ist beim WWF Deutschland eine große Personalfluktuation zu
       beobachten, nicht nur, aber vor allem auf der Leitungsebene unter dem
       Vorstand. Die Organisation ist in Deutschland stark gewachsen, sie hat ihre
       Einnahmen zuletzt gesteigert, auf 113 Millionen Euro im Jahr, es gibt
       inzwischen rund 500 Mitarbeitende. Die Strukturen und Entscheidungsprozesse
       seien da nicht so recht hinterhergekommen, sagen aktuelle und ehemalige
       Mitarbeitende gegenüber der taz. Sie üben auch Kritik am Geschäftsführenden
       Vorstand Brandes. Er wird als sehr dominant beschrieben, abgehoben mitunter
       und als sprunghaft. Gegenüber der taz wollte sich Brandes nicht äußern.
       
       ## „Ein Klima der Angst“
       
       Den Verantwortlichen des WWF sind negative Einschätzungen der Belegschaft
       längst bekannt. Ende 2020 wurde eine interne Umfrage unter den
       Mitarbeitenden durchgeführt, die der taz vorliegt. Auf die Frage, was den
       Mitarbeitenden des WWF nicht gefalle und geändert werden solle, gab es über
       100 Bemerkungen in Bezug auf „Führungsverhalten und Führungskompetenz“.
       Mitarbeiter*innen schrieben dort etwa: Frauen bekämen sexistische
       Sprüche zu hören, es herrsche teilweise ein chauvinistischer Ton. Eine Frau
       gab an, persönlich inakzeptable Äußerungen in Bezug auf das Aussehen von
       Kolleginnen, auf Rollenklischees und Schwangerschaften gehört sowie
       ungefragte Berührungen erfahren zu haben. Jemand fordert eine Strategie,
       mit der der WWF solches Verhalten eindämmen könne.
       
       Ein Jahr nach der Umfrage, im Oktober 2021, wandten sich außerdem
       Mitarbeiter*innen des WWF Deutschland über die interne
       Whistleblower-Plattform an WWF International. In einem langen Brief
       bemängeln sie, dass der Geschäftsführende Vorstand Brandes eine
       „sexistische Arbeitsatmosphäre“ geschaffen habe, die „geprägt durch
       chauvinistische und verbal übergriffige Aussagen“ sei. Der Vorstand habe
       „ein Klima der Angst“ geschaffen und ein „geringschätzendes,
       einschüchterndes und manipulatives Arbeitsumfeld etabliert“.
       
       Die Verfasser*innen des Briefes fordern eine Untersuchung. Daraufhin
       sei eine Agentur für Antidiskriminierungsmaßnahmen engagiert worden, die
       die Belegschaft für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld habe
       sensibilisieren sollen. Ergebnisse dieser Arbeit sind nicht bekannt.
       
       Haben Sie Informationen zu Vorgängen im WWF oder in anderen Organisationen,
       über die Sie die taz informieren möchten? Melden Sie sich gerne vertraulich
       bei den Autor:innen oder über [5][informant.taz.de]. 
       
       In einer früheren Version des Artikels fehlte der erste Absatz. Wir haben
       ihn ergänzt.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundesregierung-verschleppt-Gesetz/!5835720
   DIR [2] /Schwerpunkt-Gruene-Armee/!t5605400
   DIR [3] /Journalist-ueber-Kritik-am-WWF/!5088081
   DIR [4] https://www.buzzfeednews.com/article/tomwarren/wwf-world-wide-fund-nature-parks-torture-death
   DIR [5] https://informant.taz.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
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