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       # taz.de -- Prozess gegen mutmaßlichen Attentäter: Nix Schlimmes mit den Handgranaten
       
       > In Hamburg beginnt der Prozess gegen einen 21-jährigen, der sich im
       > Internet radikalisiert und einen islamistischen Anschlag geplant haben
       > soll.
       
   IMG Bild: Soll einen terroristischen Anschlag vorbereitet haben: Der Angeklagte im Gerichtssaal in Hamburg
       
       Hamburg taz | Der 21-Jährige, der am Donnerstagmorgen vor dem Hamburger
       Oberlandesgericht steht, weil er einen [1][islamistischen Anschlag]
       vorbereitet haben soll, sieht aus, als könne er Teilnehmer eines Klimacamps
       sein. Ein schmaler, junger Mann in einer schwarzen Sweatshirtjacke mit
       langem, dunklem Zopf.
       
       Die Bundesanwaltschaft wirft ihm die „Vorbereitung einer schweren
       staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das
       [2][Kriegswaffenkontroll- und das Waffengesetz]“ vor. C. will sich
       vorläufig nicht dazu äußern, sodass dieser erste Prozesstag höchstens
       Andeutungen bringt, was für ein Mensch das ist, der im Internet nach der
       religiösen Legitimation von Anschlägen gegen Ungläubige gesucht haben soll.
       
       Ginge es nach C.s Anwalt, so würde die Öffentlichkeit wenig davon erfahren.
       C. sei noch Heranwachsender, er empfände seine Religiosität als privat und
       habe ein enges Verhältnis zu seiner Familie – die Mutter ist Deutsche, der
       marokkanische Vater erzog ihn streng religiös – und über all dies
       öffentlich sprechen zu müssen, sei nicht verhältnismäßig. Die Richterin
       lehnt das ab: C. habe schon vor der Tat eigenständig in Deutschland gelebt
       und aufgrund der „Schwere der Tatvorwürfe“ habe das öffentliche Interesse
       Vorrang.
       
       Was die Öffentlichkeit dann an diesem Tag erfährt, ist vor allem
       praktischer Natur. Und wie oft vor Gericht trifft ein ungeheuerlicher
       Vorwurf auf banalen Alltag, was beides seltsam unwirklich erscheinen lässt.
       Da verbindet sich die Welt von Ebay-Kleinanzeigen mit dem Anschlag auf den
       Boston-Marathon, wenn der Staatsanwalt vorträgt, wie C. dort die Schrauben
       bestellt, mit denen er einen Sprengsatz nach dem [3][Bostoner Vorbild]
       bauen will – so lautet die Anklage.
       
       Letztendlich ist es die Suche nach weiteren Waffen, die den mutmaßlichen
       Al-Qaida-Anhänger C. auffliegen lässt. Als er im [4][Darknet] nach Pistolen
       und Handgranaten sucht, wird ein US-Ermittler auf ihn aufmerksam, der die
       deutschen Behörden auf ihn ansetzt.
       
       Vor dem Gericht in Hamburg sagt der Beamte aus, der zum Schein Waffen für
       C. besorgt hat, ein großer, schmaler Mann, der so spricht, als sei er einem
       Thomas-Mann-Roman entstiegen, was den Eindruck von Unwirklichkeit
       verstärkt, wenn er von seinem Kontakt zu C. berichtet. „Ich habe ihm das
       Angebot für eine Makarow unterbreitet“, sagt der Beamte, denn die
       ursprünglich angefragte Glock-Pistole sei C. zu teuer gewesen.
       
       Die ursprünglich ebenfalls angefragten Handgranaten hatte C. im Laufe der
       Verhandlungen nicht mehr erwähnt, bis der Beamte selbst sie noch einmal
       anbot. Warum er das getan habe, fragt C.s Anwalt. „Ich habe mein
       grundsätzliches Portfolio angeboten“, sagt der Beamte, schließlich sei er
       als Waffenhändler aufgetreten. Letzten Endes sei C. wieder mit dem Wunsch
       danach auf ihn zugekommen und habe auf die Frage, was er damit vorhabe,
       geantwortet: „Nix Schlimmes.“
       
       Bei der Übergabe der Waffen, die mit C.s Festnahme endete, habe er „nervös“
       gewirkt, sagt der Beamte. „Wie hat sich das geäußert?“, fragt die
       Richterin. C. habe sich beim Geldzählen verzählt und seine Hände hätten
       gezittert. Und etwas anderes erzählt der Beamte noch: Dass er C. sozusagen
       zum Spaß gefragt habe, ob er Islamist sei. C. habe als Antwort nur lächelnd
       zur Seite geschaut.
       
       13 May 2022
       
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