URI: 
       # taz.de -- Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Der Stahl der Zukunft
       
       > In Duisburg arbeiten immer noch 13.000 Menschen in der Stahlproduktion.
       > Die könnte bald klimaneutral werden. Einblicke in ein monströses Projekt.
       
       Marie Jaroni schaut aus dem siebten Stock des Verwaltungshochhauses von
       [1][Thyssenkrupp Steel] aus dem Fenster auf das gewaltige Areal des
       Stahlkonzerns. Wasserdampfwolken steigen in den Himmel über dem Duisburger
       Norden. Rostbraune Stahlkonstruktionen, Backsteinschlote und schlanke
       Abgasrohre ragen nach oben. Halden von Feinerz türmen sich auf. Daneben
       lagern Brammen, bis zu 30 Tonnen schwerer Rohstahl in flachen Quadern.
       
       Das Gelände ist so groß wie Berlin-Kreuzberg, zehn Quadratkilometer. Mit
       eigenem Straßennetz und Lokomotiven, einem Hafen und Schiffen, die bringen,
       was eben gebraucht wird, um Stahl zu produzieren: Erz und Kohle. Aus den
       USA, Kanada, Brasilien, Australien und Russland, auch wenn die Importe von
       dort weniger werden. Das Gelände besteht zu einem Fünftel aus Grünflächen.
       Ökonischen tun sich da auf. In der Kokerei lebt ein Turmfalke, der es
       offenbar warm mag und Lärm erträglich zu finden scheint. Es gibt Bienen und
       Rehe, Füchse und Hasen. Und sogar einen Jäger, der die Fauna im Blick hat.
       
       Marie Jaroni (37) leitet die Dekarbonisierung bei Thyssenkrupp Steel und
       soll eine revolutionäre Veränderung managen. Sie soll das Werk, in dem
       13.000 Leute arbeiten, zu einem grünen Vorzeigeprojekt umbauen. Beweisen,
       dass man Stahl CO2-frei produzieren und damit Geld verdienen kann. „Wir
       haben nicht mehr viel Zeit, schon wegen des Klimawandels“ sagt sie. Derzeit
       entstehen bei der Herstellung von einer Tonne Stahl 1,7 Tonnen CO2. Eine
       Mammutaufgabe.
       
       Jaroni hat hier mal ein Praktikum gemacht, im Oxy, wie das Oxygenstahlwerk
       genannt wird. Da hat sie Metallurgie studiert und war wie so viele
       fasziniert von der Industriearbeit und dem nicht abreißenden Strom
       glühenden Eisens. Später hat sie bei McKinsey gearbeitet und hat jetzt
       einen der vielleicht aufregendsten Jobs in Deutschland. Thyssenkrupp Steel
       könnte in den nächsten Jahren sehr viel verlieren – Jobs, Geld, Kunden.
       Aber noch mehr gewinnen.
       
       Knapp einen Kilometer entfernt vom Verwaltungsgebäude auf dem Weg in die
       Gießhalle des Hochofens 2 liegt ein stechender Schwefelgeruch in der Luft –
       ein Nebenprodukt der Roheisenproduktion im Ofen. „Ich rieche das gar nicht
       mehr“, sagt ein Mitarbeiter der Leitstelle des Hochofens, in der die
       Produktion digital gesteuert wird. In der Gießhalle sieht Stahlproduktion
       so aus wie eine Inszenierung der Industriegeschichte: Es ist es staubig,
       dunkel. Ein visuelles Spektakel. Ein gelbglühender Strom von gut 1.400 Grad
       heißem Roheisen fließt durch ein Abstichloch aus dem Hochofen. Es ist heiß,
       schweißtreibend.
       
       Im Hochofen werden Koks und Eisenerz mit 1.200 Grad heißer Luft erhitzt,
       chemische Prozesse jagen die Temperatur auf 2.200 Grad hoch, so trennt sich
       das Eisen von der Schlacke. Die heiße Masse, die wie Lava zu brodeln
       scheint, die Fontänen glühender Funken – das ist nicht nur ästhetisch
       spektakulär. Es ist ein ikonisches Bild der Industrie, das einen Reigen von
       Assoziationen weckt: Prometheus, der Gott, der den Menschen das Feuer
       brachte. Proletarische Männerarbeit, die Schwerindustrie, die früher der
       Motor der Moderne war.
       
       Thomas Schaak trägt einen schweren silbrigen Schmelzermantel, der ihn vor
       den Funken schützt. „Ein Fehltritt kann gefährlich sein“ sagt Schaak, ein
       kleiner runder Mann mit einem Kreuz als Ohrring. Schaak arbeitet seit 36
       Jahren in Stahlwerken. Erst bei Hoesch in Dortmund. Nach der feindlichen
       Übernahme des Konzerns durch Thyssen in den 90er Jahren schafft er in
       Duisburg. Einer der Stahlschmelzer sagt: „Hier sagt keiner ‚ich‘. Wir sind
       ein Team.“ Vor allem ist dies harte Arbeit. Die Hitze. Wechselschicht.
       
       Schaak steht vor dem glühenden Strom geschmolzenen Eisens. Wenn der Strom
       mal aus seinem Bett läuft, muss man mit Sand löschen. Aber das passiert
       selten. Der Prozess im Hochofen wird in der Leitstelle überwacht. Aber ohne
       Schmelzer in der Gießhalle geht es nicht. Erz und Koks sind Rohstoffe, die
       nie ganz gleich reagieren. Kein Tag ist wie der andere. 12.000 Tonnen
       Roheisen produziert der Hochofen 2. Jeden Tag. Gebaut wurde er 1993, da war
       er der größte der Welt. Die Gießhallen der Hochöfen sind das sinnliche
       Zentrum des Werkes.
       
       Wenn der [2][klimaneutrale Umbau der Stahlproduktion] vollzogen ist, werden
       die vier Hochöfen Geschichte sein. Also noch weitere Metall-Kolosse für die
       museale Industrieroute zwischen Dortmund und Duisburg? Noch mehr mahnende
       Zeugen einer Zeit, die vielleicht nicht besser war, aber viel vitaler und
       selbstbewusster? Noch ein Dokument des langsamen Untergangs des Ruhrgebiets
       mit all den stillgelegten Zechen, Hüttenwerken und Kokereien, die zu
       Denkmälern oder freundlichen Parks mit Rostflair umgewidmet wurden und nun
       tapfer von einer Geschichte künden, die nie mehr wiederkommt?
       
       Bei Thyssenkrupp Steel, dem Stahlzweig des Konzerns Thyssenkrupp, liegt die
       Sache anders. Stahl wird auch in der Zukunft noch gebraucht. Die vier
       Hochöfen sollen zwar verschwinden, aber sie werden von
       Direktreduktionsanlagen, so der sperrige Begriff, ersetzt. Klimaneutral. In
       denen passiert etwas Ähnliches wie in den Hochöfen – eben nur mit
       Wasserstoff statt mit Koks. Die Prozesse laufen nicht so heiß ab, bei etwa
       700 Grad. Schmelzer Schaak macht all das keine großen Sorgen. Auch in
       neuartigen Anlage müsse ja jemand beim Abstich aufpassen. Und: „Ist ja auch
       gut für die Umwelt.“
       
       Die Direktreduktionsanlage ist der Herzstück beim Ökoumbau in der
       Stahlindustrie. Sie wird höher als die Hochöfen, 150 Meter. Die erste soll
       2025, spätestens 2026 in Betrieb gehen. Kosten: knapp über eine Milliarde
       Euro. Sie kann mit Gas oder Wasserstoff betrieben werden. Das Ziel:
       Thyssenkrupp Steel will 2030 drei von von 10 Millionen Tonnen Stahl
       klimaneutral produzieren. Marie Jaroni, die Projektleiterin für die
       Transformation, glaubt, dass dies gelingen wird. „Alle im Werk wollen es.
       Wir wissen, wie wir es technisch machen. Und wir haben einen massiven
       CO2-Einspareffekt“.
       
       Das Stahlwerk klimaneutral umzubauen ist eine gigantische Aufgabe – oder
       eine einfache, ganz wie man es betrachtet. Einschüchternd wirken die schwer
       vorstellbaren Mengen an Ökoenergie und Wasserstoff, die in Zukunft
       gebraucht werden. 3.000 Windräder wären nötig, um den Energiehunger des
       Stahlwerkes zu stillen. In ganz Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 3.400.
       Um das Werk einen Tag lang mit Wasserstoff zu betreiben, wäre 16-mal das
       Berliner Olympiastadion gefüllt mit Wasserstoff nötig.
       
       Schwindelerregende Massen. Denn es gibt derzeit weder genug Windräder und
       Solaranlagen noch den nötigen Wasserstoff, noch die Pipelines, um die
       gewaltigen Mengen ins Werk zu transportieren. Gigantische Ausmaße hat die
       Stahlproduktion allerdings derzeit auch. 20 Millionen Tonnen Kohle und Erz
       werden für die jährliche Stahlproduktion benötigt.
       
       Marie Jaroni ficht die ungelöste Energiefrage nicht weiter an: „Ich bin mir
       sicher: Der Wasserstoff wird da sein, wenn es die Pipeline gibt.“ Wo
       Nachfrage ist, so die Logik, wird auch ein Angebot sein. Und die Pipeline
       ist – das ist der einfachere Part – ja eigentlich schon da. Man muss nur
       eine neue sechs Kilometer lange Röhre bauen, um die vier
       Direktreduktionsanlagen an das europäische Gasnetz anzuschließen, das in
       ein paar Jahren zum Wasserstoffnetz umfunktioniert werden kann. Angesichts
       des labyrinthischen Gewirr von Röhren und Leitungen, das schon jetzt das
       Werksgelände durchzieht, wirkt die Pipeline-Anbindung eher wie eine
       Kleinigkeit. Acht Milliarden Euro wird der Ökoumbau des gesamten Werkes
       bis 2045 kosten.
       
       Direkt gegenüber dem Vorstandsgebäude, von dem aus Marie Jaroni das
       Stahlwerk überblickt, befindet sich ein unscheinbarer Flachbau. Dort sitzt
       Tekin Nasikkol (53) an seinem Schreibtisch. „Wir lieben unseren Stahl“,
       sagt er. Nasikkol ist ein paar Hundert Meter von hier geboren, im
       Duisburger Norden. Seine Eltern sind aus der Türkei eingewandert, schon
       sein Vater hat im Werk gearbeitet. In seiner Kindheit lag schwarzer Staub
       aus dem Stahlwerk auf den Gartenmöbeln, den man erst mal wegwischen musste.
       „Darüber hat sich damals keiner beklagt. Heute wäre das undenkbar“, sagt
       er.
       
       Was sich nicht ändert: Die Grenze zwischen der Arbeit im Werk und dem Leben
       ist schmal. „Wenn es im Werk eine Störung gibt, dann fragen die
       Mitarbeiter: Soll ich kommen? Auch wenn sie freihaben“, sagt er. Als es
       neulich einen Schaden an einer Anlage gab, kam ein Mitarbeiter, der
       Geburtstag hatte. Er hat seine Gäste einfach nach Hause geschickt. „Solche
       Beispiele zeigen: Wir identifizieren uns hundertprozentig mit diesem
       Unternehmen“, sagt Nasikkol.
       
       Er hat Stahlschmelzer gelernt und neben der Arbeit im Werk studiert. Seit
       2018 ist er Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel. Ein
       einflussreicher Posten. In der Stahlbranche gilt die Montanmitbestimmung.
       Gegen Gewerkschaften und Betriebsräte geht nicht viel.
       
       ## Die Liebe zum Stahlwerk
       
       Die Identifikation mit der Arbeit ist ein Ergebnis der Tradition und ein
       Echo des proletarischen Ethos. Und für viele ist es mehr als eine Metapher,
       das Werk als Familie zu betrachten. Oft hat schon der Vater hier
       gearbeitet, die Kinder machen dort gerade die Ausbildung. Das Familiäre und
       das IG-Metall-Kämpferische sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Die
       Liebe zum Stahlwerk gibt es auch, weil die ArbeiternehmerInnen hier mehr zu
       sagen haben als in chinesischen Staatskonzernen oder US-Werken, wo
       Gewerkschaften nicht viel zu melden haben.
       
       In Nasikkols Büro hängt ein IG-Metall-Plakat „Vorwärts erinnern – 25 Jahre
       Rheinhausen“. Es ist eine Erinnerung an den großen Streik gegen die
       Schließung des Werks, damals 1987. Heroisch und am Ende doch erfolglos, wie
       so oft in den Kämpfen um den Erhalt der siechen Industrie im Ruhrgebiet.
       1993 wurde die Stahlprodukltion in Rheinhausen endgültig eingestellt.
       
       Mit Thyssenkrupp Steel muss es anders laufen, anders als mit der Kohle, die
       im Ruhrgebiet nicht mehr gefördert wird. Die Arbeitslosenquote im
       Duisburger Norden, in dem Straßenbahnhaltestellen „Thyssen Tor 30“ heißen,
       liegt zehn Prozent höher als im bürgerlichen Süden der Stadt. Was aus
       Hamborn und Marxloh wird, wenn die Ökotransformation misslingt, weiß
       niemand. An jedem der 13.000 Jobs im Stahlwerk hängen vier bis fünf Mal so
       viele in der Region. „Die Transformation der Stahlindustrie hat auch eine
       soziale Komponente“ sagt Nasikkol nüchtern. Nur so würden „gute,
       tarifgebundene Industriearbeitsplätze und die Stahlstandorte in Deutschland
       erhalten bleiben“.
       
       Und es kann ja funktionieren. Wenn der Umbau schnell und energisch
       vorangetrieben wird. „Duisburg kann die Wasserstoff-Hauptstadt
       Nordrhein-Westfalens, ja von Deutschland werden“ sagt Nasikkol. Das sei
       „eine riesige Chance“. Eigentlich eine Win-win-Situation. Jobs in einer
       Region, die sie wirklich nötig hat. Und Klimaschutz. Eine faszinierende
       Vorstellung. Kann sie gelingen?
       
       Die Idee, dass Deutschland selbst die Mengen an Ökoenergie erzeugen kann,
       die die Industrie benötigt, ist naiv. Der Wasserstoff wird zu rund 75
       Prozent importiert werden müssen. Lässt man die große Frage nach dem
       Wasserstoff mal kurz beiseite, dann scheint die Idee, hier Stahl
       klimaneutral herzustellen, recht praktikabel zu sein. Denn man muss dafür
       nicht den ganzen Stahlwerkskomplex neu aus dem Boden stampfen – sondern nur
       einen kleineren Teil. Das Werk hat acht Produktionsstufen. Die
       Kohleverarbeitung in der 800 Meter langen Kokerei fällt weg, die Hochöfen
       werden ersetzt. Doch beim der Rest der Produktion, bei Gießereien,
       Walzwerken und Warmbandwerk, bleibt es, wie es ist.
       
       Dennoch steht die Frage im Raum: Ist Duisburg wirklich der richtige
       Standort für die Stahlproduktion im 21. Jahrhundert? Thyssen und Krupp sind
       hier groß geworden, weil vor 150 Jahren so viel Kohle unter der Erde des
       Ruhrgebiets lag. Die gibt es nicht mehr. Die neue Kohle heißt Wasserstoff.
       Wäre es da nicht buchstäblich naheliegend, Stahlwerke künftig dort zu
       bauen, wo die Energie ist – in Katar oder Australien, in Chile oder
       Schweden, wo gerade ein neues Ökostahlwerk errichtet wird? Nostalgie ist
       industriepolitisch kein überzeugendes Argument.
       
       Vorstellbar ist etwa, dass der Eisenschwamm, den ein Ökohochofen
       produziert, aus Schweden nach Duisburg geliefert wird. Davon hält
       Gewerkschaftler Nasikkol nichts. „Wenn wir beginnen, Teile der Produktion
       auszulagern, ist kein Ende absehbar“ sagt er. Erst werde der Eisenschwamm
       anderswo hergestellt, dann das Roheisen, dann Brammen, schließlich der
       gewalzte Stahl. Am Ende gebe es im Ruhrgebiet, ja in ganz Deutschland keine
       Industrie und Wertschöpfung mehr. „Das lehnen wir konsequent ab“, so
       Nasikkol.
       
       Marie Jaroni hält Duisburg für einen guten, weil praktischen Standort. „Wir
       erreichen von hier aus im Umkreis von 500 Kilometern 80 Prozent unserer
       Kunden.“ Und richtig ist ja auch: Die Rohstoffe für die Stahlproduktion,
       Erz und Kohle, kommen schon lange von weit her nach Duisburg.
       
       Auf dem Werksgelände raucht und dampft, rumpelt und kracht es. Wenn die
       glühenden, tonnenschweren, zehn Meter langen Stahlquader zu kilometerlangen
       Bändern gepresst werden, macht das einen ohrenbetäubenden Lärm. „Sauberkeit
       und Ordnung gleich Sicherheit“ steht als Mahnung auf dem ganzen Gelände.
       Vieles sieht hier aus wie früher, wie oldschool industry, wie Dreck, Staub,
       Arbeiterschweiß und 20. Jahrhundert. Doch das täuscht. Die Bilderwelt wirkt
       archaisch, die Produktion ist hochgradig digitalisiert, Hightech.
       
       2.000 verschiedene Sorten Stahl werden hier produziert – geeignet für
       Motorhauben oder Dosen, Lebensmittelverpackungen oder Elegantes fürs
       Designerbadezimmer. „Stahlindustrie ist hochinnovativ und modern. Wenn wir
       grünen Stahl produzieren, wird sich unser Image verbessern“, so
       Gesamtbetriebsratschef Nasikkol.
       
       Aber wird der Konzern stabil bleiben auf dem Transformationskurs?
       Thyssenkrupp ist so etwas wie die Drama Queen unter den großen deutschen
       Konzernen. Immer wieder gibt es hektische Strategiewechsel, mal sprudeln
       Profite, dann droht der Kollaps. Es gab katastrophale Managementfehler,
       Milliardenflops in Brasilien und den USA. Der Konzern hat ein schwankendes
       Verhältnis zu dem Stahlwerk, der mal sein Kerngeschäft war. In den letzten
       Jahren gab es manchmal Treueschwüre aus der Konzernzentrale in Essen. Aber
       zwischendrin versuchte der Konzern das Stahlwerk immer mal wieder
       loszuwerden.
       
       Jetzt soll alles besser werden. Dafür soll Thyssenkrupp Steel ein
       unabhängiges Unternehmen werden. Man hofft damit viel Geld von Investoren
       für die kühnen Ökopläne akquirieren zu können. Neuer Aufsichtsvorsitzender
       ist Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, der für Kontakte in die Politik sorgen
       soll. Doch die anvisierte Ablösung des bald grünen Stahlwerks vom Konzern
       dauert. Nach Corona und Lieferengpässen und explodierenden Energiekosten
       infolge des Ukrainekriegs ist mal wieder Krise angesagt.
       
       Im Stahlgeschäft braucht man gute Nerven. Die Branche ist angewiesen auf
       Erz und Kohle, ein Geschäft, das global monopolistisch organisiert ist. Und
       auf der anderen Seite auf die Autoindustrie. Die Stahlproduktion als
       kleinerer Player zwischen zwei ganz großen – eine ungemütliche Rolle.Der
       grüne Stahl soll die Malaise beenden. Die Kunden, heißt es, warten darauf.
       Pi mal Daumen würde ein mit grünem Stahl hergestelltes Auto 200 Euro teuer
       werden als mit konventionellem – ein überschaubarer Betrag.
       
       So ist der Ökostahl die leuchtende Vision im Duisburger Norden, die viele
       Widersprüche zu versöhnen scheint. Alte und neue Technologie,
       proletarisches Arbeitsethos und Ökoproduktion. Der Weg dorthin ist
       unübersichtlich. Scheitern droht auf vielen Ebenen. Noch ist ja nicht mal
       klar definiert, was grüner Stahl eigentlich ist. Ganz dringend, sagt Marie
       Jaroni, „brauchen wir eine rechtsgültige Definition, was [3][grüner
       Wasserstoff] und grüner Stahl ist“. Man hat gute Verbindungen zum grünen
       Wirtschaftsminister Robert Habeck, der auch schon im Werk war. „Wir
       brauchen aber“, sagt Jaroni, „nicht nur Absichtserklärungen, sondern klare
       Förderzusagen“.
       
       Sonst wird es nichts mit der ersten Direktreduktionsanlage.
       Gesamtbetriebsrat Nasikkol sagt, dass der Konzern „in den letzten Jahren
       viele Strategien und Pläne nicht umgesetzt hat. Am Transformationskurs darf
       nicht gerüttelt werden.“ Wann also entscheidet sich, ob der grüne Traum
       Wirklichkeit wird? Bald, sagt Jaroni. „Die Weichen werden in diesem Jahr
       gestellt.“
       
       14 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.thyssenkrupp-steel.com/de/
   DIR [2] /Angeschlagener-Konzern-Thyssenkrupp/!5729939
   DIR [3] /Sachverstaendige-zu-Wasserstoff-Strategie/!5774381
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
   DIR ThyssenKrupp
   DIR Stahl
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR GNS
   DIR Podcast „Vorgelesen“
   DIR Loveparade Duisburg
   DIR Stahl
   DIR Stahlindustrie
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR fossile Energien
   DIR Nordrhein-Westfalen-Wahl 2022
   DIR CDU
   DIR PPP
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Jahrestag der Loveparade-Katastrophe: Als wären die Opfer selber schuld
       
       Vor 15 Jahren wurden bei einer Massenpanik 21 Menschen in Duisburg getötet,
       Hunderte verletzt und traumatisiert. Verantwortung hat niemand übernommen.
       
   DIR Klimaneutraler Stahl auf der Kippe: Es steht viel auf dem Spiel
       
       Thyssen äußert Zweifel an der Produktion von „grünem Stahl“. Das wäre ein
       verheerendes Signal für die Öko-Transformation.
       
   DIR Stellenstreichungen bei ThyssenKrupp: Und die Subventionen?
       
       Der Stahlkonzern ThyssenKrupp will viel Personal kürzen, bekommt aber
       gleichzeitig Staatsgeld – das sollte künftig unterbunden werden.
       
   DIR „Grüner“ Stahl in Großproduktion: EU erlaubt Hilfen für Thyssenkrupp
       
       Deutschlands größter Stahlhersteller will klimafreundlicheren Stahl
       produzieren. Das kostet Milliarden. Der Weg für Subventionen ist nun frei.
       
   DIR Kriterien für nachhaltigen Wasserstoff: Grün und fair muss er sein
       
       Grüner Wasserstoff soll die deutsche Wirtschaft unabhängiger machen. Damit
       er wirklich nachhaltig ist, fordern Umweltverbände klare Regeln.
       
   DIR Vor der Landtagswahl in NRW: Grüne Königsmacher
       
       Wüst oder Kutschaty? Auch darum geht es bei der NRW-Wahl. Bei der
       Regierungsbildung dürften vor allem die Grünen eine Schlüsselrolle spielen.
       
   DIR NRW-Landtagswahlen: Die gestörte Harmonie der CDU
       
       Die Kür von Hendrik Wüst zum Spitzenkandidaten sollte eine
       „Jubelveranstaltung“ werden. Doch dann beklagt ein Delegierter die fehlende
       Diversität.
       
   DIR Angeschlagener Konzern Thyssenkrupp: Staatsgeld für grünen Stahl
       
       Der Ruhrgigant Thyssenkrupp schreibt Milliardenverluste und hofft auf
       Staatsbeteiligung. Dafür will er auf klimaneutrale Produktion umsteigen.