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       # taz.de -- Tod der Journalistin Shireen Abu Akleh: Streit um unabhängige Untersuchung
       
       > Nach den tödlichen Schüssen schieben sich Israelis und
       > Palästinenser:innen gegenseitig die Schuld zu. Forderungen nach
       > Aufarbeitung werden laut.
       
   IMG Bild: Shireen Abu Aklehs Sarg wird durch die Menge getragen
       
       Tel Aviv taz | Tausende Palästinenser:innen versammelten sich am
       Donnerstag zur Trauerfeier für die [1][Al-Dschasira-Journalistin Shireen
       Abu Akleh], die am Vortag in Jenin durch eine Kugel getötet worden war.
       Dichtgedrängt folgten sie der Prozession, bei welcher der in eine
       palästinensische Fahne gewickelten Leichnam durch die Straßen Ramallahs
       getragen wurde.
       
       Auch am Folgetag ist der Hergang ihres Todes nicht genau aufgeklärt:
       Israel, dessen Außenministerium am Mittwoch in einem getwitterten Video
       nahegelegt hatte, dass Abu Akleh „wahrscheinlich“ durch [2][Schüsse von
       militanten Palästinenser:innen] getötet worden sei, ruderte
       mittlerweile zurück. Es bleibe unklar, ob Abu Akleh von
       Palästinenser:innen oder vom israelischem Militär getötet worden sei,
       betonte Aviv Kohavi, Kopf von Israels Militär.
       
       Die Nichtregierungsorganisation B’Tselem, die Menschenrechtsverstöße in den
       palästinensischen Gebieten dokumentiert, hatte das getweetete Video
       analysiert und kam zu dem Schluss, dass die „palästinensischen Schüsse, die
       vom israelischen Militär verbreitet wurden“, „nicht die Schüsse sein“
       können, „die die Journalistin Shireen Abu Akleh getötet haben“. Das deckt
       sich mit den Berichten von zwei Augenzeug:innen, die das israelische
       Militär beschuldigen.
       
       Laut der israelischen Zeitung Ha’aretz wurde die tödliche Kugel von einem
       Typ Sturmgewehr abgeschossen, das sowohl von militanten
       Palästinenser:innen als auch von Israels Militär verwendet wird. Abu
       Akleh sei aus einer Entfernung von etwa 150 Metern getroffen worden.
       
       ## Internationale Untersuchung nötig
       
       Die internationalen Stimmen nach einer [3][unabhängigen Untersuchung]
       werden immer lauter. Uneinigkeit gibt es jedoch über die Frage, was genau
       „unabhängig“ bedeutet: „Man kann die Israelis nicht fragen, dass sie sich
       selbst untersuchen, wenn sie seit über 70 Jahren die Menschenrechte
       verletzen, und erwarten, dass sie nach all den Jahrzehnten zu einem anderen
       Ergebnis kommen als bisher“, sagte Ahmad Abuznaid, [4][Direktor der
       US-Kampagne] für die Rechte der Palästinenser.
       
       Israel bot eine gemeinsame Untersuchung an, die meisten
       Palästinenser:innen sehen dies jedoch als leere Geste. Auf der
       Trauerfeier wiederholte Palästinenser:innen-Präsident Mahmud Abbas
       seine Absage dazu: „Sie haben das Verbrechen begangen, und wir trauen ihnen
       nicht.“ Die Palästinensische Autonomiebehörde werde sich stattdessen
       „sofort an den Internationalen Strafgerichtshof wenden.“
       
       Die Ankündigung einer gemeinsamen Untersuchung von Außenministers Jair
       Lapid reiche nicht aus, schrieb die international tätige
       Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen in einer Presseerklärung:
       „Es muss so schnell wie möglich eine unabhängige internationale
       Untersuchung eingeleitet werden.“
       
       Seit 2018 sind laut Reporter ohne Grenzen mehr als 140 Journalist:innen
       durch israelische Sicherheitskräfte verletzt worden, seit 2000 wurden
       außerdem mindestens 30 getötet. Israel steht auf Platz 86, die
       Palästinensischen Gebiete auf Platz 170 von 180 Staaten der Rangliste der
       Pressefreiheit.
       
       13 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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