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       # taz.de -- Putins Rede zum 9. Mai: Leidvoller Bedeutungsverlust
       
       > Russlands Präsident Putin erlebt in der Ukraine militärische Misserfolge.
       > Wenig verwunderlich, dass auch seine Rede zum 9. Mai eher moderat
       > ausfiel.
       
   IMG Bild: Moskau am Montag: Wladimir Putin nimmt an einem Gedenkmarsch zum „Tag des Sieges“ teil
       
       Im 77. Jahr nach dem sowjetischen Sieg ist [1][Russland] wieder einsam
       geworden. Ausländische Gäste nahmen an der Feier zum Sieg über den
       Hitlerfaschismus auf dem Roten Platz am Sonntag nicht teil. Selbst Staaten,
       die den Überfall Moskaus auf die Ukraine in diesem Februar nicht öffentlich
       verurteilten, waren nicht zugegen. Russlands Versuch, an imperiales
       Verhalten anzuknüpfen, schürt bei vielen Wegbegleitern Bedenken.
       
       Wladimir Putins Hände triefen vor Blut. In seiner elfminütigen Rede vor der
       Parade gab sich der Oberbefehlshaber der Streitkräfte jedoch weder
       blutrünstig noch schlachtbereit. Hatte er die Tonlage nur den moderateren
       Gepflogenheiten des Gedenktags angepasst oder signalisierte seine
       Zurückhaltung eine neue Einsicht, womöglich sogar Friedens- und
       Versöhnungsbereitschaft?
       
       Putin hat einige Misserfolge im Ukrainefeldzug zu verantworten. Selbst vor
       den Toren Kiews machte die russische Streitmacht kehrt und nahm neuen
       Anlauf auf den Donbass. Es läuft nicht so glatt, wie es sich der bislang
       unbesiegte Heerführer ausgemalt haben mag. Russlands Kriegsziele schrumpfen
       zusammen. „Entmilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ waren ohnehin nur
       Hirngespinste, mit denen Putin die Wiederholung des ruhmreichen Sieges über
       Hitlerdeutschland simulieren wollte.
       
       Auch der Westen erlag der Putin’schen [2][Propaganda]. Seit zehn Jahren
       wird die russische Armee reformiert, umgebaut und neue Superwaffensysteme
       werden gefeiert. Doch gibt es diese überhaupt? Stützt sich nicht auch der
       Sicherheitsbereich auf Angaben einer Elite, die dem Chef im Kreml vor allem
       Durchbrüche melden möchte? Autoritäre Systeme sind dafür anfällig.
       
       Krieg gegen die [3][Ukraine] bedeutet einen Feldzug gegen die Demokratie.
       Tatsächlich richtet sich der Krieg vor allem gegen den Westen. Die Nato
       verkörpert für Moskaus Kleptokraten die westliche Welt. Moskau fühlt sich
       nicht so sehr in die Enge getrieben oder bedroht. Wohl eher leidet man am
       Bedeutungsverlust, der mit dem Ende des sowjetischen Imperiums einherging.
       
       Auch Großbritannien und Frankreich verloren einst ihre Imperien und leiden
       bis heute darunter. Doch während Demokratien meist langfristig Mechanismen
       entwickeln, mit Verlusten umzugehen, träumt in Russland ein Autokrat davon,
       in die Geschichte einzugehen. Ohne die Ukraine ist Russland nur ein großes
       Land, kein Reich. Das zu ändern, hat sich der Kremlchef offenbar
       vorgenommen.
       
       War es wirklich das Wetter, das am Sonntag den Einsatz der Flugstaffel über
       dem Roten Platz vereitelte, wie der Kreml-Pressesprecher behauptete? Man
       kann es auch anders deuten: als Maßnahme, knappes Fluggerät nicht für
       Showzwecke zu verschleißen.
       
       9 May 2022
       
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