# taz.de -- AfD-Scheitern in Schleswig-Holstein: Tag der Befreiung
> In Kiel ist die AfD gescheitert – und erstmals überhaupt aus einem
> Landtag geflogen. Innerhalb der Partei verhärten sich nun die Fronten.
IMG Bild: Gescheitert: Jörg Nobis, Spitzenkandidat der AfD in Schleswig-Holstein
Berlin taz | Der 8. Mai war noch nie ein guter Tag für Nazis. Noch zwei
Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein jammerte die extrem rechte
AfD per Pressemitteilung: Der als „Tag der Befreiung“ im Kalender stehende
Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges mit der bedingungslosen
Kapitulation des Dritten Reiches sei für viele Deutsche eben keine
Befreiung gewesen, sondern „ein Tag der Niederlage und des Zusammenbruchs“.
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass die AfD zwei Tage später
erstmals in ihrer neunjährigen Geschichte an einem 8. Mai aus einem
Parlament geflogen ist.
Nur [1][4,4 Prozent der schleswig-holsteinischen Wähler*innen] haben die
AfD gewählt. Der Landtag ist somit von der Partei befreit. Der Rückgang von
1,5 Prozentpunkten entspricht über einem Viertel der bisherigen Stimmen –
die meisten sind zur CDU abgewandert, die sich hier modern gibt und nach
rechts abgrenzt.
Viele freute das – zumal an diesem Datum. Die [2][Niederlage der AfD]
„zählt zu den besten Nachrichten des gestrigen Wahltags“, sagte Josef
Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, „diese Partei, die der
Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall beobachten darf, schadet
nach meiner Auffassung unserer Demokratie und hat in den Parlamenten nichts
verloren.“ Er forderte Wähler*innen in Nordrhein-Westfalen auf, sich an
Schleswig-Holstein ein Vorbild zu nehmen – dort wird am kommenden Sonntag
gewählt.
## Ergebnis verhärtet die Fronten
In Parteikreisen fürchten nicht wenige genau dies: Dass von der
Wahlniederlage in dem kleinen Bundesland nur eine Woche vor der wichtigsten
Landtagswahl in NRW eine negative Sogwirkung ausgehen könnte. In NRW liegt
sie in Umfragen zwischen 6 und 8 Prozent.
In jedem Fall verhärtet das Ergebnis in der Partei nachhaltig die Fronten
und verschärft den ohnehin zunehmend eskalierenden Ost-West-Konflikt, der
oftmals analog zur strittigen Haltung zu Russlands Krieg verläuft. Nicht
wenige sprechen sogar davon, dass der Osten die Wahl sabotiert habe, weil
der thüringische Landeschef und Rechtsextremist Björn Höcke kurz vor der
Wahl öffentlich mit seiner eigenen Kandidatur für den Bundesvorstand
geliebäugelt hatte und gewissermaßen als faschistisches Schreckgespenst die
angeblich bürgerliche AfD-Wählerschaft in Schleswig-Holstein vergrault
habe.
Viele halten Chrupalla für unfähig, die Partei zu führen, und für
intellektuell überfordert. Allein wagt sich keiner so richtig hervor, um
diesen vor dem Parteitag im Juni herauszufordern. Der immerhin mit
Chrupalla zusammen im Vorstand der Bundestagsfraktion sitzende Norbert
Kleinwächter sagte [3][dem RND], dass die Parteispitze dringend „neue
Köpfe“ brauche – mit bestem Gruß an den Parteivorsitzenden Chrupalla.
Die Völkischen, deren Wunschkandidat Chrupalla stets war, deuteten die
Wahlniederlage vielmehr als Schwäche der westlichen Landesverbände um und
leiten daraus einen Machtanspruch ab, zumal die AfD in Sachsen und
Thüringen derzeit stärkste Kraft in Umfragen ist. Chrupalla machte die
Niederlage dann auch routiniert am Dauerstreit der AfD Schleswig-Holstein
fest, sprach von mangelnder Unterscheidbarkeit sowie fehlender Disziplin.
Vor der verkorksten Saarlandwahl hatte Chrupalla noch geschimpft, dass er
doch auch nichts dafür könne, wenn [4][der Westen es einfach nicht
hinbekomme]. Viele Expert*innen sehen die AfD auf dem Weg zu einer im
Osten verankerten völkischen Regionalpartei, die im Osten starke
Wahlergebnisse einfährt und im Westen mit der Fünfprozenthürde kämpft.
## Niemand fühlt sich verantwortlich
Verantwortung für die Niederlage wollte niemand übernehmen. Und so sprach
es auch Bände, dass die geplante gemeinsame Pressekonferenz von Chrupalla
und dem schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten Jörg Nobis am
Montagvormittag erst verschoben und dann ganz abgesagt wurde. Nobis hatte
sich angeblich verspätet, Chrupalla wollte sich ohnehin nur digital
zuschalten lassen, weil er die 2G-Voraussetzungen nicht erfüllte. Und so
platzte der Termin, mit teils widersprüchlichen Erklärungen der AfD, obwohl
die Partei selbstverständlich mit Alice Weidel, Beatrix von Storch und
Stephan Brandner gleich drei Vize-Vorsitzende hat.
Klar war letztlich: Öffentlichkeit war nach dem Wahldebakel unerwünscht.
Zumal öffentliche Auftritte von Chrupalla nebst kruder Aussagen zum
Ukrainekrieg zuletzt die Sorgenfalten bei vielen AfD-Mitgliedern im Westen
vertieft hatte. So lähmt die Russlandfrage weiter die AfD und überlagert
fast alles – womöglich auch die NRW-Wahl.
9 May 2022
## LINKS
DIR [1] /Liveticker-zur-Wahl-in-Schleswig-Holstein/!5853191
DIR [2] /AfD-vor-dem-Aus-in-Schleswig-Hostein/!5853265
DIR [3] https://www.rnd.de/politik/afd-chef-chrupalla-wahlniederlage-in-schleswig-holstein-nicht-ungewoehnlich-BBZIM6J5P33RIPW74BFIJYUF5A.html
DIR [4] https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-tino-chrupalla-ukraine-russland-1.5556856
## AUTOREN
DIR Gareth Joswig
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