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       # taz.de -- Analyse der AfD-Wahlniederlage: Streit ist kein Wahlkampfschlager
       
       > Die AfD ist in Schleswig-Holstein nicht in den Landtag eingezogen. Los
       > geht sie, die Fehlersuche, aber auch die Selbstzerfleischung in der
       > Partei.
       
   IMG Bild: In Schleswig-Holstein ist Jörg Nobis mit seiner AfD aus dem Landtag geflogen
       
       Hamburg taz | Die Enttäuschung war AfD-Spitzenkandidat Jörg Nobis am
       Gesicht abzulesen. [1][Erstmals seit ihrer Gründung] zog die vermeintliche
       Alternative für Deutschland nach einer Wahl nicht in ein Parlament ein. Die
       AfD scheiterte in Schleswig-Holstein am 8. Mai an der 5-Prozent-Hürde.
       „Krisenzeiten“ seien „Regierungszeiten“ versuchte Nobis das Wahlergebnis
       von 4,4 Prozent zu erklären, räumte aber auch ein, dass der „interne
       Streit“ vom „Wähler nicht goutiert“ wurde.
       
       In den vergangenen Monaten war dieses Scheitern dennoch nicht ganz zu
       erwarten. Die Prognosen schwankten zwischen 5 und 7 Prozent. Schon früh im
       Landtagswahlkampf bemühte sich der Landesverband als Partei gegen die
       staatlichen Pandemiemaßnahmen aufzutreten. Es gab keine politische
       Entscheidung zum Coronavirus, die die Landtagsgruppe um Nobis nicht
       kritisierte.
       
       Der Grund war offensichtlich: Im November vergangenen Jahres zeigte eine
       Wahlumfrage von Forsa zur Bundestagswahl, dass von den „Nicht-Geimpften“ 50
       Prozent angaben, die AfD gewählt zu haben. Weitere Studien bestärkten den
       Zusammenhang von Protest gegen die Maßnahmen und AfD-Nähe.
       
       Die AfD in Schleswig-Holstein setzte also auf diese Strategie,
       berücksichtigte dabei aber die doppelte Konkurrenz in dieser Thematik
       nicht: Zum einen hatte die FDP mit ihrem Bundestagsabgeordneten aus
       Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, einen lautstarken Kritiker gegen die
       Impfpflicht. Außerdem kandidierte auch „Die Basis“ für den Kieler Landtag,
       eine Partei die nur aufgrund der Pandemiemaßnahmen überhaupt gegründet
       wurde. Am Wahltag erzielte die Basis mit ihrem Spitzenkandidaten David
       Claudio Siber 1,1 Prozent. Zur FDP wanderten rund 6.000 AfD-Wähler:innen
       ab.
       
       ## Daniel Günther distanzierte sich von rechten Positionen
       
       Insgesamt verlor die AfD [2][im Vergleich zur vorigen Wahl 1,5
       Prozentpunkte.] Der größte Teil der abtrünnigen Ex-AfD-Wähler*innen setzte
       ihr Kreuz bei dieser Wahl bei der CDU. Das mag auch hier an der großen
       Beliebtheit des Ministerpräsidenten Daniel Günther liegen, dem es – anders
       als in seiner Partei befürchtet – nicht geschadet hat, dass er sich in der
       vergangenen Legislaturperiode klar von AfD-nahen Positionen distanzierte.
       
       Für die AfD stockte es hingegen schon im Wahlkampf. Sie versuchte, sich
       erneut als die Partei „der Normalen“ und „der einfachen Leute“ zu
       inszenieren. „Mit den Themen bezahlbare Energie und bezahlbares Wohnen
       haben wir bei vielen Wählern den richtigen Nerv getroffen“, sagte der nun
       Ex-Landtagsabgeordnete Volker Schnurrbusch. Er habe gedacht, dass die AfD
       in Schleswig-Holstein eine „feste Größe geworden“ wäre.
       
       In dem Land haben immer mal wieder rechtsextreme Parteien von NPD bis DVU
       Erfolge erzielen können, zogen in den Landtag – die NPD 1967 mit 5,8
       Prozent die DVU 1992 mit 6,3 Prozent. In Neumünster besteht seit Jahren
       eine rechtsextreme Szene. Die NPD sitzt dort im Stadtrat. Zur Landtagswahl
       trat sie nicht an, was der AfD in die Hände gespielt haben dürfe. Gereicht
       hat das aber nicht.
       
       Und daran haben wohl auch die von Nobis selbst angesprochenen Querelen
       ihren Anteil. Die Landes-AfD ist desolat und das schon seit 2018. Ein immer
       wiederkehrender Konflikt ist die [3][Personalie Doris von
       Sayn-Wittgenstein]. Die frühere Landesvorsitzende flog erst wegen
       rechtsextremer Kontakte aus der Landtagsfraktion und dann aus der Partei.
       Bis heute hat der Landesverband keinen neuen Landesvorstehenden.
       
       Aber ganz so eindeutig ist das mit der Distanzierung eben auch nicht in der
       AfD. So wurde Sayn-Wittgenstein von Parteimitgliedern bei der Nominierung
       zur Landesliste auch als Parteilose noch vorgeschlagen. Ein Affront gegen
       Nobis, der vielen in der Partei einfach zu moderat, zu profillos ist.
       Wenige Tage vor der Wahl polterte dann a[4][uch noch Sayn-Wittgenstein
       selbst] gegen die AfD. Die Antworten des schleswig-holsteinischen
       Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der jetzt ebenfalls
       Ex-Landtagsabgeordneten legten nahe, dass im AfD-Landesverband Personen dem
       Landesverfassungsschutz zuarbeiten könnten.
       
       ## Der Streit eskalierte kurz vor der Wahl
       
       In einer Mitteilung warnte Sayn-Wittgenstein vor Kontakt mit der AfD.
       Bürger:innen, die sich vertraulich an Abgeordnete der Partei wendeten,
       müssten nun damit rechnen, „weitergemeldet“ zu werden. Und sie spekulierte,
       ob nicht der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland „im Auftrag der
       Dienste“ einen erfolgreichen Aufbau der AfD in Schleswig-Holstein „mit
       teils erfundenen oder unanständigen Angriffen“ habe verhindern wollen. Ihr
       Fazit: Eine „unabhängige, nur dem Wähler verpflichtete“ AfD gebe es nicht
       mehr. Die Partei sei „nicht wählbar“.
       
       Das Wahlergebnis befeuert in der AfD nicht bloß die landesinterne Debatte.
       Die vermeintlich moderateren AfDler:innen werfen dem Bundesvorsitzenden
       Tino Chrupalla vor, die Partei durch einen „sozialen Patriotismus“ eines
       Björn Höcke und eines großen „Putinismus“ weiter zu radikalisieren. Die
       Radikaleren halten hingegen „den Deppen“ im Norden bei Twitter vor, durch
       ihren anhaltenden Streit die zu erwartenden „sechs Prozent“ vertan zu
       haben.
       
       10 May 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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