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       # taz.de -- Das kommt am 1. Mai in Berlin: Solide Basisarbeit im Kiez
       
       > In der Walpurgisnacht zieht die Kiezdemo „Hände weg vom Wedding!“ los.
       > Man will die Reichen enteignen, erlaubt sich aber ansonsten keine
       > Träumereien.
       
   IMG Bild: Klare Botschaft auf der „Hände-weg“-Demo 2019 im Wedding
       
       Berlin taz | Jedes Jahr gibt es zur stets neu angesetzten Revolution am 1.
       Mai einen Probelauf am 30. April. Nun, genau genommen sind es zwei: Während
       sich in Kreuzberg [1][die feministische „take back the night“-Demo]
       kämpferisch gegen das Patriachat zur Wehr setzt, findet in Wedding
       alljährlich eine antikapitalistische Demonstration statt. Das diesjährige
       Motto ist dasselbe wie im letzten Jahr: „Von der Krise zur Enteignung! Die
       Reichen müssen zahlen!“. Beginn ist um 15 Uhr am
       Elise-und-Otto-Hampel-Platz.
       
       Die organisierende Initiative „[2][Hände weg vom Wedding“] zielt ins Herz
       der kapitalistischen Ungleichheit – wobei ihre Forderungen, etwa nach
       Enteignung, recht pragmatisch sind. Und auch sonst fehlt die für den 1. Mai
       typische Revolutionsträumerei: Lediglich eine Reichensteuer, ein
       vergesellschaftetes Gesundheitssystem und Strafen für Bosse, die Union
       Busting betreiben, sollen her. Enteignet werden sollen Lebensmittel-,
       Strom-, Wasser-, Immobilien- und Rüstungskonzerne, also
       Wirtschaftsbereiche, für die die kapitalistische Verwertung ohnehin nicht
       angemessen erscheint.
       
       In diesem Jahr ist natürlich auch der Ukrainekrieg Thema, wobei die
       Initiative auf der orthodoxen Linie der [3][Ostermärsche] verharrt: Keine
       Aufrüstung und schwere Waffenlieferungen, nur der Weg der Diplomatie könne
       eine Lösung sein. Auf taz-Nachfrage sagt Sprecher Marc Brunner, er könne
       schon nachvollziehen, dass einige Ukrainer:innen zur Verteidigung Waffen
       wollen. „Das würde aber eine Eskalationsspirale bedeuten, die schnell zu
       einem Atomkrieg führen könnte.“
       
       Seit 2012 findet die Demonstration im Wedding statt. Seither hat sich der
       Protest quasi vollständig verfriedlicht – und ist zudem wieder politischer
       geworden. Vorbei sind also die Zeiten, in denen es „erst ein Punkkonzert
       und dann Krawalle“ gab, wie sich Brunner erinnert. Inzwischen fremdeln die
       Organisator:innen sogar mit dem Begriff der Walpurgisnacht. „Wir
       haben uns organisatorisch und inhaltlich vom früheren eventorientierten
       Demotyp entfernt“, sagt Brunner.
       
       Schon 2010 und 2011 habe die Gruppe die traditionellen
       Walpurgisnachtproteste um den Boxhagener Platz in Friedrichshain herum
       durch eine Demonstration in Prenzlauer Berg ergänzt, welche den Kampf gegen
       die Gentrifizierung in den Mittelpunkt stellte. Als sich dann die
       Sternburg-Brigaden, die die Friedrichshainer Demos bisher organisierten,
       2012 auflösten, bot sich die Verlagerung in den Wedding an. „Im Prenzlauer
       Berg war der Kampf ja auch verloren“, sagt Brunner.
       
       In Wedding habe das erst einmal „große Wellen geschlagen“, erinnert er
       sich. „Ladenbesitzer:innen haben aus Angst vor Krawallen ihre Fenster
       zugenagelt.“ Mit den Jahren aber habe sich Vertrauen aufgebaut. Es zahle
       sich aus, dass die Gruppe im Bezirk aktiv sei, Nachbar:innen bei
       Problemen unterstütze, alle Kämpfe solidarisch begleite. Für den
       erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnkonzerne im
       vergangenen Jahr war die Initiative aktiv; auch den Streik der Berliner
       Krankenhausbewegung hat sie eng begleitet und etwa Kundgebungen vor
       Weddinger Krankenhäusern organisiert.
       
       Die Initiative unterstützt die linke Kiezzeitung [4][Plumpe] und
       co-betreibt das Kiezhaus „[5][Agnes Reinhold]“ in der Afrikanischen Straß
       sowie ein [6][internationalistisches Büro] in der Genter Straße. Darüber
       hinaus organisiert sie offene Treffen, den Solidaritätstreff Soziale Arbeit
       zum Beispiel. „Dort tauschen sich Sozialarbeiter:innen über ihre
       schlechten Arbeitsbedingungen aus und unterstützen sich gegenseitig bei der
       Gründung von Betriebsräten oder Betriebsgruppen“, erzählt Brunner.
       
       Er ist sich sicher: „Das, was Veränderung bringt, ist die
       Selbstorganisation der Menschen, die vom Kapitalismus betroffen sind.“
       
       29 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /1-Mai-in-Berlin/!5850164
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   DIR [4] https://plumpe.noblogs.org/
   DIR [5] https://www.kiezhaus.org/
   DIR [6] https://interbuero.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timm Kühn
       
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