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       # taz.de -- Betriebsratswahlen bei Spie angefochten: Mitbestimmung kommt von oben
       
       > Die Firma Spie zieht gegen ihre neu gewählten Betriebsräte vor Gericht.
       > Die IG Metall wirft ihr Union Busting vor und kritisiert die Gewerkschaft
       > CGM.
       
   IMG Bild: Was gehört wohin? Das Gebäudetechnikfirma Spie will selbst über die Betriebsrätestruktur bestimmen
       
       Bremen taz | Eigentlich könnten sie loslegen mit ihrer Arbeit, die
       Betriebsräte der Firma Spie. Ende März hat die Belegschaft in den Betrieben
       Vertreter*innen für die Mitbestimmung im Betrieb gewählt – doch Spie,
       ein französisches Unternehmen für Gebäudetechnik, hat die Wahlen nicht
       anerkannt.
       
       Vor Arbeitsgerichten in ganz Deutschland ficht sie aktuell die neuen
       Betriebsräte an. „Union Busting“, also die [1][systematische Behinderung
       von Betriebsratsarbeit,] wirft die Industriegewerkschaft (IG) Metall für
       Niedersachsen und Sachsen-Anhalt dem Unternehmen deshalb vor.
       
       Für das Unternehmen Spie sind die Wahlen illegitim: Betriebsratswahlen soll
       es zwar geben dürfen, aber nicht in jedem Betrieb – wie es üblicherweise
       die Betriebsratsverfassung vorsieht – sondern jeweils gesammelt für die
       vier größeren Bezirke, in die das Unternehmen aufgeteilt ist: Nord, Ost,
       Süd und West. Für die Abweichung vom üblichen Prozedere verweist Spie auf
       einen Strukturtarifvertrag, der am 17. Dezember mit der Christlichen
       Gewerkschaft Metall (CGM) geschlossen worden ist.
       
       Genau an diesem Tarifvertrag entzündet sich der Streit mit der IG Metall.
       „Er dürfte nicht gelten“, meint Gewerkschaftssekretär und
       Spie-Betriebsvertreter Gunnar Reichwaldt, „man hat uns gelinkt“. Die
       Vorwürfe: Die CGM als „Pseudogewerkschaft“ habe im Strukturtarifvertrag
       einfach all dem zugestimmt, was der Arbeitgeber wollte. Und überdies habe
       die Firma Spie die Gültigkeit des Tarifvertrags über einen Trick von einem
       Betrieb auf das ganze Unternehmen ausgeweitet.
       
       ## Arbeitgeber sucht sich neue Gewerkschaft
       
       Noch im vergangenen Winter hatte die IG Metall selbst mit Betriebsräten und
       der Spie-Geschäftsführung über einen neuen Strukturtarifvertrag verhandelt;
       der sollte klären, wie in Zukunft die Betriebsratsarbeit organisiert werden
       könnte: Wieviele Betriebe wählen einen gemeinsamen Betriebsrat? Wie stellt
       man sicher, dass die Betriebsräte Kontakt zu allen Betriebsteilen haben?
       Und wieviele Betriebsratsmitglieder müssen dafür von ihrer sonstigen Arbeit
       freigestellt werden?
       
       Als man sich nicht einig wurde, wurden die Verhandlungen am 16. Dezember
       abgebrochen. Nur einen Tag später präsentierte das Unternehmen einen neuen
       Strukturtarifvertrag – geschlossen mit der CGM.
       
       Deren Geschichte mit der IG Metall ist alt: Schon 2003 warf die IG Metall
       der christlichen Arbeitnehmervertretung vor, eine arbeitgeberfreundliche
       Pseudogewerkschaft zu sein. Vor Gericht bestritt sie das Recht der CGM,
       Tarifverträge zu verhandeln – die Gewerkschaft habe zu wenige Mitglieder,
       um sich gegenüber Arbeitgebern durchzusetzen. In der ersten Instanz bekam
       die IG Metall recht, [2][später wurde das Urteil kassiert.]
       
       ## Zahl der CGM-Mitglieder bei Spie: Unbekannt
       
       Im Fall Spie jedenfalls treffe der alte Vorwurf voll zu, findet der
       Metaller Reichwaldt: Erstens biete der neue Tarifvertrag nichts, was
       Arbeitnehmerrechte stärken könnte; und zweitens sei die CGM in den
       Spie-Betrieben schlicht nicht verankert. „Ich vermute eine einstellige Zahl
       an Mitgliedern“, sagt der IG Metall-Betriebsvertreter Reichwaldt.
       „Persönlich kenne ich keinen einzigen.“
       
       Die CGM selbst kann auf Anfrage nicht zeitnah mitteilen, wie viele
       Spie-Beschäftigte sie eigentlich vertritt. Den Vorwurf der
       Pseudogewerkschaft weist sie zurück: „Dass wir nicht jede Möglichkeit zum
       Arbeitskampf aufnehmen, heißt nicht, dass wir nicht arbeitnehmerfreundlich
       sind“, sagt Pressesprecher Daniel Horvath.
       
       Am Vorgehen von Spie hat die IG Metall noch weitere Kritik: Geschlossen
       worden war der Strukturtarifvertrag zunächst nur mit einem Betriebsteil aus
       Hannover, der Spie Comnet. Der nächste Schritt von Seiten der
       Unternehmensführung folgte nur wenig später: mehrere Teilunternehmen, Spie
       Telba, Spie Fleischhauer, Spie Comnet und Lewron wurden verschmolzen –
       zunächst unter dem Namen Spie Comnet. Der Tarifvertrag mit CGM aus Hannover
       gelte jetzt für alle Betriebsteile, so die Argumentation der
       Geschäftsführung. „Ein Taschenspielertrick“, sagt Reichwaldt.
       
       ## Mehr Mitarbeiter*innen vom Betriebsrat vertreten
       
       Die Geschäftsführung von Spie unterstellt der IG Metall andere Gründe für
       ihren Vorwurf: Unternehmenssprecherin Constanze Blattmann erwähnt „die
       [3][offensichtlich bestehende Wettbewerbssituation] zwischen einzelnen
       Gewerkschaften“. Tatsächlich, sagt Blattmann, biete die neue Regelung doch
       mehr Mitbestimmung: „260 noch nicht vertretene Mitarbeiterinnen und
       Mitarbeiter werden durch Mitbestimmungsgremien vertreten und es wird mehr
       freigestellte Betriebsräte geben.“
       
       In der Tat kann ein Betriebsrat für mehrere Betriebsteile auch Vorteile für
       die Beschäftigten mit sich bringen: Wenn mehr als 200 Beschäftigte
       vertreten werden, wird eine Person im Betriebsrat komplett für die
       Betriebsratsarbeit freigestellt.
       
       Doch im Fall von Spie hatte es schon in der Vergangenheit eine
       Zusammenlegung von Betrieben im Betriebsrat gegeben – und Schwierigkeiten
       damit, so erzählt es Reichwaldt: Die Vertretung der Beschäftigten über die
       große Entfernung war kompliziert.
       
       Bedingung für einen gemeinsamen Betriebsrat über mehrere Betriebe wäre für
       die IG Metall und den Betriebsrat deshalb gewesen, dass zusätzliche
       Freistellungen, etwa für Ausbildungsvertreter*innen, angeboten worden
       wären. Im neuen Strukturtarifvertrag mit der CGM ist das kein Thema.
       
       22 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bremer-Konferenz-zu-Union-Busting/!5843351
   DIR [2] /IG-Metall-wird-christliche-Konkurrenz-nicht-los/!452650/
   DIR [3] /Pro--Contra-zum-Tarifeinheitsgesetz/!5424925
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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