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       # taz.de -- Wohnungsbau in Hamburg: Nur die Kosten schießen in die Höhe
       
       > Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ist in Hamburg im 2021 massiv
       > eingebrochen. Besonders stark ist der Rückgang bei den Sozialwohnungen.
       
   IMG Bild: Kommt nur schleppend voran: Wohnungsbau in Hamburg
       
       Hamburg taz | Es seien „gute Nachrichten“, die die Wohnungsbaukoordinatorin
       des Hamburger Senats am Montag in den Räumen der Stadtentwicklungsbehörde
       zu verkünden hatte. Monika Thomas freute sich, dass im vergangenen Jahr
       erneut das Ziel erreicht worden sei, die „Stadt für alle zu bewahren“. Rund
       7.500 Wohnungen sind im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistikamts
       Nord fertiggestellt worden.
       
       Doch so sehr Thomas Optimismus zu versprühen versuchte: Im Vergleich zum
       Vorjahr ist die Zahl dramatisch eingebrochen. Und im [1][„Bündnis für das
       Wohnen“] kann sich niemand so recht erklären, an wem es gelegen hat.
       
       Konkret sind 2021 7.461 [2][Wohnungen] fertig gebaut worden. Im Jahr zuvor
       waren es noch knapp 11.300 – ein Rückgang um rund 33 Prozent. Das vom
       Hamburger Senat gesetzte Ziel wurde damit meilenweit verfehlt. 2011
       schmiedete der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das Bündnis für das
       Wohnen, um jedes Jahr mehrere tausend Wohnungen nicht nur zu genehmigen,
       sondern sie auch jährlich fertigzustellen.
       
       Ins Boot holte Scholz dafür die [3][Wohnungswirtschaft] und die sieben
       Hamburger Bezirke: Die Stadt sorgt dabei für ausreichend Grundstücke, die
       Wohnungswirtschaft für eine zügige Bebauung und die Bezirke sollen
       möglichst flott das Baurecht schaffen. Zunächst waren 6.000
       Baugenehmigungen pro Jahr ausgegeben, seit 2016 sind 10.000 Wohnungen das
       Ziel. Zudem wurde vergangenes Jahr beschlossen, dass 35 statt 30 Prozent
       davon Sozialwohnungen sein sollen mit einer Preisbindungsfrist von 30
       Jahren.
       
       ## Rückgang bei den Sozialwohnungen noch krasser
       
       Die Fertigstellung von mehr als 10.000 Wohnungen war erstmals 2018
       erreicht; 2019 wurde die Marke nur knapp verfehlt und 2020 dann deutlich
       übersprungen. Nun also ein rasanter Rückgang, der bei den Sozialwohnungen
       prozentual noch krasser ausfällt: Waren 2020 3.472 öffentlich geförderte
       Wohnungen mit sozialer Mietpreis- und Belegungsbindung fertiggestellt
       worden, lag die Zahl 2021 bei nur noch 1.875 – das ergibt ein Minus von 45
       Prozent.
       
       Somit ergibt sich auch, dass im vergangenen Jahr nur noch 25 Prozent der
       fertiggestellten Wohnungen Sozialwohnungen waren. Hervor hob
       Wohnungsbaukoordinatorin Thomas dabei, dass ihr Anteil beim
       Geschosswohnungsbau immerhin 32 Prozent beträgt.
       
       Kritik kam für diese Berechnung umgehend von der Linkspartei: „Der
       verzweifelte Versuch, den Anteil der geförderten Wohnungen schönzurechnen,
       indem nur der Geschosswohnungsbau betrachtet wird, ist erbärmlich“, sagt
       die wohnungspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Heike Sudmann.
       
       Hinzu kommt, dass der Senat bei den jährlich präsentierten Zahlen der
       fertiggestellten Wohnungen nicht die Zahl der verloren gegangenen
       gegenbilanziert: Zwar wurden zwischen 2011 und 2020 knapp 77.000 Wohnungen
       neu gebaut. Der tatsächliche Wohnungsbestand hat sich allerdings nur um
       69.000 Wohnungen erhöht.
       
       ## Über die Deutlichkeit des Rückgangs überrascht
       
       Über die Gründe für den Rückgang waren sich am Montag Senat und
       Wohnungswirtschaft einig: Die Pandemie hatte 2021 die Bauwirtschaft
       erreicht; die Baukosten, insbesondere für das Baumaterial, schossen weiter
       in die Höhe – und einfach zu bebauende Flächen werden in der Stadt langsam
       rar. Doch für den konkreten Rückgang der Zahl sah sich am Montag keine
       derVertreterInnen die Wohnungswirtschaft verantwortlich.
       
       Der Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA, Thomas Krebs,
       vermeldete sogar einen Anstieg der fertiggestellten Wohnungen im Vergleich
       zum Vorjahr. Auch Verena Herfort, Geschäftsführerin des Landesverbands Nord
       des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), sagte
       am Montag, dass es an ihren Mitgliedern nicht gelegen habe.
       
       Und Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher
       Wohnungsunternehmen (VNW), der überwiegend die Genossenschaften vertritt,
       konnte nur einen minimalen Rückgang bei seinen Verbandsmitgliedern
       vermelden. „Deshalb bin ich überrascht über die Deutlichkeit des
       Rückgangs“, sagte er. Da die Zahlen vom Statistikamt erst am Montagmorgen
       übermittelt worden seien, wollen alle Partner nun die Gründe analysieren.
       
       Klar ist jedoch: Besserung ist kaum in Sicht. Besonders die steigende
       Inflation und die anhaltende Coronapandemie dürften dafür sorgen, dass auch
       in diesem Jahr das Ziel wohl verfehlt werden dürfte. An der
       10.000-Zielmarke will das Bündnis jedoch festhalten. Dafür plädiert auch
       der Mieterverein zu Hamburg. „Das darf jetzt kein jahrelanger Abwärtstrend
       werden, sondern muss ein einmaliger Ausrutscher bleiben“, sagt der
       Vereinsvorsitzende Rolf Bosse.
       
       16 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Buendnis-fuer-Wohnen-in-Hamburg/!5838225
   DIR [2] https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Presseinformationen/SI22_086.pdf
   DIR [3] /Wohnungsmarkt-in-Hamburg-und-Berlin/!5827486
       
       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
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