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       # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Die Ästhetik des Dokuments
       
       > Bei der Dokfilmwoche werden die Väter entzaubert, in „The Wizard of Oz“
       > ein Zauberer. Beim Filmclub Marc Bloch dreht sich alles um die Atomkraft.
       
   IMG Bild: „Väter unser“ (2021, Regie: Sophie Linnenbaum)
       
       Das ästhetische Konzept des Dokumentarfilms „[1][Väter unser]“, den fsk-
       und Bundesplatzkino [2][bei der Dokumentarfilmwoche] „Dok Termin #12“
       zeigen, ist einfach, aber überzeugend: Sechs überwiegend jüngere Menschen
       sitzen vor einem schwarzen Hintergrund, die Kamera zeigt sie im klassischen
       Brustbildformat. Man kennt das von Porträtgemälden her.
       
       Die Protagonist:innen erzählen von ihren Vätern. „Ich dachte, er sei so
       eine Art Spezial-Agent, weil er ganze Nächte wegblieb. Doch das war nur
       sein Job als Hotelpage.“ So lustig wie diese sind die meisten Geschichten
       in dem Film von Sophie Linnenbaum allerdings nicht: Da geht es um Alkohol
       und Schläge, um Selbstmordversuche und Spielsucht, um jahrelange
       Abwesenheit und in einem Fall auch um Geisteskrankheit.
       
       Trotzdem ist „Väter unser“ kein schwermütiger Film: Zwar wird gelegentlich
       geweint, aber eben auch immer mal wieder gelacht. Denn eines ist allen
       Porträtierten gemeinsam: Egal, wie schwer, seltsam oder sogar gefährlich
       ihr Leben mit dem Vater war – letztlich lassen sie doch nicht wirklich
       etwas auf ihn kommen.
       
       Selbst die junge Frau mit dem geistig derangierten Vater, zu dem alle
       übrigen Verwandten den Kontakt längst abgebrochen habe, steckt ihm jedes
       Jahr einmal einen Brief in den Postkasten, in dem sie über ihr
       augenblickliches Leben Auskunft gibt – ohne zu wissen, ob er das überhaupt
       noch verstehen kann. Denn man hat eben nur einen Vater.
       
       Bis auf einen der Protagonist:innen – der hat zwei. Auch wenn er den
       leiblichen Erzeuger erst kennenlernte, als er schon längst erwachsen war.
       Was einmal mehr zeigt, dass das Vatersein nicht unbedingt etwas mit
       Biologie zu tun haben muss. Regisseurin Sophie Linnenbaum ist (zumindest
       bislang im Bundesplatz-Kino) als Gast angekündigt (8. 5., 18 Uhr, [3][fsk
       Kino]; 9. 5, 18 Uhr, [4][Bundesplatz Kino]).
       
       Ein echter Klassiker: [5][Im mitreißenden Märchenmusical] „The Wizard of
       Oz“ (1939) lässt Judy Garland das schwarzweiße Kansas hinter sich und wird
       per Sturm in das Zauberland Oz geweht, wo die Farben in schönstem
       Technicolor erstrahlen. Sie macht sich auf die Suche nach dem titelgebenden
       Zauberer, von dem ihr alle ständig erzählen.
       
       Doch einmal mehr ist der Weg das Ziel: Es sind die Begegnungen unterwegs,
       die Freundschaften, die sie schließt, die diese neue Erfahrung ausmacht –
       als sie großen Zauberer schließlich trifft, ist der bloß eine ziemliche
       Enttäuschung. Gesungen wird zwischendurch auch, natürlich „Somewhere over
       the Rainbow“ (7. 5., 17.30 Uhr, 8. 5., 10.–11. 5., 20 Uhr, [6][Klick
       Kino]).
       
       [7][Zwei kurze bis mittellange Filme zum Thema „Climate Justice“] zeigt das
       Sputnik Kino im Rahmen des Filmclubs Marc Bloch: In „Atomkraftwerk
       Zwentendorf“ wirft Regisseurin Hope Tucker einen Blick auf das gleichnamige
       Atomkraftwerk in Österreich.
       
       Das wurde vor 40 Jahren zwar gebaut, dann aber von den
       Österreicher:innen per Referendum zu einem Schicksal als Bauruine
       verdammt wurde. Wie dann später noch einmal zu Bewusstsein kam, handelte es
       sich um den gleichen Reaktor-Bautyp wie beim verunfallten Atomkraftwerk in
       Fukushima.
       
       Der Film „Sonne unter Tage“ der Künstlerinnen Mareike Bernien und Alex
       Gerbaulet geht der Geschichte des Uran-Abbaus in Sachsen und Thüringen für
       das Nuklearprogramm der Sowjetunion nach und stellt sich dabei der Frage,
       wie man die unsichtbare Strahlung des Urans für das Medium Film am besten
       sichtbar machen kann.
       
       Im Anschluss an die Filmvorführungen diskutieren die Filmemacherin Alex
       Gerbaulet und die Philosophie- und Sozialforscherin Dr. Noa Levin vom
       Zentrum Marc Bloch miteinander (10. 5., 19 Uhr, Sputnik Kino, Gespräch in
       englischer Sprache).
       
       5 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://fsk-kino.peripherfilm.de/en/events/event/dok-termin-12-vaeter-unser/
   DIR [2] https://dokfilmwoche.peripherfilm.de/
   DIR [3] https://fsk-kino.peripherfilm.de/en/events/event/dok-termin-12-vaeter-unser/
   DIR [4] http://www.bundesplatz-kino.de/index.php?p=m&mid=3866
   DIR [5] http://www.klickkino.de/programm/der-zauberer-von-oz/
   DIR [6] http://www.klickkino.de/programm/der-zauberer-von-oz/
   DIR [7] https://www.sputnik-kino.com/program/movie/2384
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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