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       # taz.de -- Die Wahrheit: Die schaumige Köchin
       
       > Neues aus Neuseeland: Business-Dinosaurier gehören in Aotearoa aufs
       > Altenteil. Besonders, vergreifen sie sich sexistisch an einer kochenden
       > Powerfrau.
       
       Wir haben nicht nur eine imposante Premierministerin, sondern auch weitere
       Top-Frauen: Kulinarisch regiert uns Nadia Lim, die 2011 bei der
       neuseeländischen Version der Fernsehkochshow „MasterChef“ siegte. Weil sich
       ein sexistischer Business-Dinosaurier verbal an der kochenden Powerfrau
       vergriff, geriet der Aktienmarkt diesen Monat ins Trudeln. Ein Drama mit
       Haut, Rasse und weißer Kochmütze!
       
       Nadia Lim stammt aus einer malaysischen Familie und studierte
       Ernährungswissenschaften. Nach „MasterChef“ machte sie der Asian Food
       Channel zum Star ihrer eigenen Serie, 130 Millionen Zuschauer sahen
       weltweit zu. Ihr größter heimischer Erfolg war danach die Erfindung von My
       Food Bag – ein Service, der Rezepte und Zutaten ins Haus liefert.
       
       Während alle Kiwis Nadia Lim kennen und lieben, kannte bisher keine Sau
       Simon Henry. Das hat sich rasant geändert. Henry ist CEO der Chemiefirma
       Dangerous Goods Logistics, kurz DGL, und gehört zu Neuseelands
       Superreichen. Seinen Nachnamen „Whimp“ ließ der ehemalige Imker ändern, da
       der auf Englisch „Schwächling“ bedeutet. Henry ist das Gegenteil davon: ein
       aggressiver Großkotz.
       
       ## Alles andere als ein Leichtgewicht
       
       Dem Wirtschaftsmedium NBR gab er ein Interview, in dem er auf den sinkenden
       Aktien von My Food Bag herumritt. Sein Beweis dafür, wie schlecht es um die
       Food-Firma bestellt sei, war ein Foto der attraktiven Nadia in deren
       Prospekt: Er nannte sie „Eurasian fluff“, was sich kaum anständig
       übersetzen lässt, da „eurasisch“ eigentlich nur auf Pornoseiten verwendet
       wird. „Fluff“ war gemeint im Sinne von Schaum, also Leichtgewicht.
       
       Henry wetterte weiter und höhnte über Lims „Sinnlichkeit“: Die Ikone würde
       ein paar Knöpfe ihrer Bluse aufknöpfen und mit ihrem Ausschnitt
       kokettieren, um das Geschäft anzukurbeln. Auf dem Foto, um das es geht,
       trägt Lim weder eine Bluse, noch zeigt sie viel Haut. Nackt dagegen ist das
       Brathuhn, das vor ihr auf dem Grill liegt. Und nackt war auch die Wut, die
       der rassistische Ausrutscher im Lande auslöste.
       
       Bei DGL distanzierte man sich von ihm. Die Sparkasse KiwiBank strich seine
       Firma von der Liste ihrer Anlageempfehlungen. Die DGL-Aktie stürzte rasant
       ab. Henry behauptete schließlich, er wolle sich für die Entgleisung per
       Kurier entschuldigen, aber eierte weiter rum. Ein internes Papier wurde
       geleakt, in dem er vor Mitarbeitern behauptete, ein Brief an Nadia Lim sei
       rausgegangen. Doch nichts kam bei ihr an.
       
       Der nächste Akt war schließlich die peinliche Quasiabbitte, die Lim erst
       eine Woche später von Henrys Büro per E-Mail bekam. Angeblich habe Henry
       mehrmals versucht, die Angegriffene telefonisch zu erreichen. Bei ihr waren
       jedoch keine Anrufe eingegangen. Nirgendwo stand: „Es tut mir leid.“ Eine
       Linguistin analysierte das ungenießbare Schreiben. Der letzte Akt im
       Schaumolett: Finanziers feiern nun Nadia Lim.
       
       24 May 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Sexismus
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   DIR Neuseeland
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