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       # taz.de -- Abtreibung in den USA: Chance für chancenloses Gesetz?
       
       > Die Demokrat*innen wollen wegen eines drohenden Urteils des Supreme
       > Courts ein nationales Abtreibungsrecht. Doch die nötigen Stimmen fehlen.
       
   IMG Bild: „Never again“: Protest für das Recht auf Abtreibung vor dem Obersten Gerichtshof in Washington
       
       New York taz | Die Demokrat*innen von US-Präsident Joe Biden wollen im
       US-Senat über ein Gesetz abstimmen, das ein Recht auf Abtreibung national
       verankern würde. Das Votum ist für Mittwoch angesetzt. „Wir werden sehen,
       wo jede*r einzelne Senator*in steht“, [1][erklärte Chuck Schumer], der
       demokratische Mehrheitsführer im Senat.
       
       Es ist ein eigentlich chancenloses Gesetz: Die Demokrat*innen haben
       nach wie vor nicht genug Stimmen auf ihrer Seite, um die Blockade der
       Republikaner*innen zu durchbrechen. Doch nach Hinweisen, dass der
       Supreme Court die Abtreibungsfreiheit in den USA bald kippen könnte, setzt
       Bidens Partei im Wahlkampf um die Halbzeitwahlen im November auf das Thema.
       
       Ein [2][durchgestochener Urteilsentwurf] hatte in der vergangenen Woche
       bestätigt, wovor Frauenrechtler*innen lange gewarnt hatten: Demnach
       dürfte das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten das Grundsatzurteil Roe
       v. Wade kippen, das in den USA bisher ein Recht auf einen
       Schwangerschaftsabbruch bis in etwa zur 24. Woche garantiert.
       
       Laut Gerichtspräsident John Roberts handelt es sich noch nicht um eine
       finale Entscheidung – doch birgt der Entwurf massiven Sprengstoff. In
       vielen republikanisch regierten Bundesstaaten würden damit heftige
       Einschränkungen für die Wahlfreiheit ungewollt Schwangerer eintreten – bis
       hin zu fast kompletten Abtreibungsverboten. Mississippis Gouverneur Tate
       Reeves kündigte gerade erst ein entsprechendes Gesetz an.
       
       ## Demokrat*innen finden ihr Wahlkampfthema
       
       Dabei ist eine Mehrheit der US-Amerikaner*innen für das Recht auf einen
       Schwangerschaftsabbruch: Nach [3][Daten des Meinungsforschungsinstituts Pew
       Research Center] halten die meisten der Befürworter*innen zwar einige
       Einschränkungen etwa zum Zeitpunkt der Abtreibung für richtig – doch
       grundsätzlich finden 61 Prozent der US-Erwachsenen, dass
       Schwangerschaftsabbrüche in den meisten oder in allen Fällen legal sein
       sollten.
       
       Hier stoßen nun Bidens Demokrat*innen vor: Sie stürzen sich unter
       anderem auf das Argument, dass eine republikanische Mehrheit im Kongress
       nach den Halbzeitwahlen womöglich ein bundesweites Abtreibungsverbot
       durchsetzen könnte – sollte der Supreme Court so entscheiden wie im
       geleakten Entwurf und einen solchen Vorstoß ermöglichen. Mitch McConnell,
       der Minderheitsführer der Republikaner im US-Senat, servierte den
       Demokrat*innen diese Stoßrichtung gerade erst in einem Interview mit
       [4][USA Today], in dem er ein bundesweites Verbot in diesem Fall für
       „möglich“ erklärte.
       
       Die Partei des US-Präsidenten braucht auch dringend ein Thema, mit dem sie
       sich absetzen kann: [5][Umfragen] sehen bei den Halbzeitwahlen im November
       die Republikaner*innen vorn, Beobachter*innen warnen vor einem
       Debakel.
       
       Im Kontext des Wahlkampfs ist nun auch die Abstimmung am Mittwoch zu sehen:
       Ein ähnlicher Versuch, das Recht auf Abtreibung bundesweit gesetzlich zu
       verankern, war nämlich erst vor wenigen Monaten schiefgegangen – seitdem
       hat sich nichts an den Mehrheitsverhältnissen geändert.
       
       Die Demokrat*innen haben 50 Stimmen, die Republikaner*innen haben
       50 Stimmen, aber in einer Pattsituation kann die demokratische
       Vizepräsidentin Kamala Harris als Senatspräsidentin mit ihrer Stimme zu
       einer Mehrheit verhelfen. Allerdings können die Republikaner*innen
       mit einem sogenannten Filibuster (Dauerrede) eine Blockade herstellen – um
       die Debatte zu beenden, braucht es 60 Stimmen, die die Demokrat*innen
       nicht zusammenkriegen.
       
       10 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/SenSchumer?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Eauthor
   DIR [2] /Abtreibungsrecht-in-den-USA/!5851890
   DIR [3] https://www.pewresearch.org/religion/2022/05/06/americas-abortion-quandary/
   DIR [4] https://eu.usatoday.com/story/news/politics/2022/05/06/gop-avoids-abortion-ahead-potential-scotus-ruling-overturn-roe/9631996002/
   DIR [5] https://www.npr.org/2022/04/29/1095366671/npr-pbs-newshour-marist-survey-republicans-biden-democrats-midterms
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Oer
       
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