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       # taz.de -- Volksfest in der Neuköllner Hasenheide: Den Vögeln zu viel Rummel
       
       > Die Neuköllner Maientage haben zum letzten Mal in der Hasenheide
       > stattgefunden. Der Park soll künftig Fledermaus und Co. gehören. Ein
       > Abschiedsbesuch.
       
   IMG Bild: Hier wurde noch aufgebaut: Künftig sollen die Maientage nicht mehr in der Hasenheide stattfinden
       
       Es ist laut, unfassbar laut, auf dem Rummel namens Neuköllner Maientage.
       Der Losverkäufer brüllt, die Besucher, die sich im Fahrgeschäft Playball
       durschütteln lassen, kreischen wie am Spieß, und ein paar Meter weiter im
       Biergarten versucht der Sänger der Anno Rock Band die richtigen Töne beim
       Vortrag von Oldies but Goldies zu finden, was ihm wirklich nicht immer
       gelingt.
       
       Und das Gedrängel ist riesig. Was daran liegen mag, dass der traditionelle
       Jahrmarkt, der schon 55 Jahre auf dem Buckel hat, wegen Corona zwei Jahre
       lang nicht stattfinden konnte, der Hunger auf endlich mal wieder
       Zuckerwatte und gebrannte Mandeln also immens ist. Sicherlich aber auch
       daran, dass ich am Mittwoch hier bin, dem Familientag, an dem alles nur die
       Hälfte kostet. Und das bedeutet, dass Spaß wirklich billig zu haben ist.
       Eine Fahrt im Kinderkarussell etwa gibt es für einen Euro und 25 Cent. Wo
       gibt es sonst schon noch solche Preise?
       
       Ein Volksfest mitten im migrantisch geprägten Berliner Bezirk Neukölln
       bedeutet, dass unheimlich viele Arabisch- und Türkischstämmige unterwegs
       und gefühlt mehr Mädchen mit Kopftuch zu sehen sind als auf der Sonnenallee
       ums Eck. Dazwischen zeigen sich aber auch einige Hipster und Styler aller
       Art. Merke: Auf den Rummel gehen die Leute hier nicht, ohne sich vorher so
       aufzubrezeln, als gingen sie in den Club.
       
       Aus meiner Bezugsgruppe wollen alle ordentlich die Billigtarife bei den
       Fahrgeschäften nutzen. Nur ich nicht. Mir wird es schon im Riesenrad
       schlecht. Ob eine Fahrt in der Wilden Maus oder in The Beast, drei von den
       vieren aus meiner Gruppe schauen nach dem Thrill ziemlich glücklich aus,
       nur eine jedes Mal nicht ganz so, was sich an einer leichten Leichenblässe
       im Gesicht erkennen lässt.
       
       Die Maientage, die dieses Wochenende mit einem Feuerwerk zu Ende gehen,
       finden in diesem Jahr zum letzten Mal am angestammten Ort in der Hasenheide
       statt. Hier, wo während der ärgsten Pandemiezeit die berüchtigten illegalen
       Coronapartys stattfanden, will man das Fest nicht mehr haben. Aus
       ökologischen Gründen. Der Park habe in den letzten Jahren zu sehr gelitten,
       den Bäumen gehe es nicht gut, und der ganze Lärm finde mitten in der
       Brutzeit vieler Vögel und der Nachwuchszeit der Fledermäuse statt.
       
       Würde der Rummel verschwinden, würde dem Bezirk etwas fehlen. Das wird
       klar, wenn man das bunte Treiben hier sieht. Aber auch die Schausteller
       träfe es hart, die in den letzten zwei Jahren weitgehend zwangspausieren
       mussten und für die es sowieso immer schwerer wird. Schon seit Längerem
       beklagen sie sich darüber, dass immer mehr Volksfeste verschwinden und ihr
       Berufsstand bedroht sei.
       
       „Rettet die Maientage“, steht dann auch auf ausgehängten Transparenten.
       Eine Petition, die das fordert, gibt es ebenfalls. Als Ausweichort wird das
       riesige Tempelhofer Feld vorgeschlagen, auf dem es Platz genug gäbe für
       einen Rummel, dafür weit und breit keine Bäume. Allerdings gefällt es dort
       den Feldlerchen und Braunkehlchen ziemlich gut. Und die wollen beim Brüten
       auch ihre Ruhe haben.
       
       22 May 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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