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       # taz.de -- Russische Investoren in Dubai: Flucht erster Klasse
       
       > Russische Oligarchen kaufen seit dem Krieg in der Ukraine vermehrt
       > Immobilien in Dubai. Die Golf-Emirate profitieren dabei von westlichen
       > Sanktionen.
       
   IMG Bild: Höher, größer, teurer: Blick von der Aussichtsplattform „The View at The Palm Jumeirah“ in Dubai
       
       Dubai ist ein Paradies für russische Oligarchen. Der Stadtstaat in den
       Vereinigten Arabischen Emiraten vermarktet sich gern als arabisches
       Übermorgenland. Mit Beginn des Ukrainekriegs ist der dortige
       Immobilienmarkt regelrecht explodiert. Besonders Käufe von Russen sind
       im ersten Quartal des Jahres um 67 Prozent gestiegen, heißt es in einem
       Bericht des internationalen Immobilienvermittlungsunternehmens Betterhomes.
       Auf der Liste der Immobilienkäufe nach Nationalitäten sind die Russen um
       zwei Ränge nach oben gesprungen und stehen nun auf dem fünften Platz.
       
       Dabei wechselt viel Geld den Besitzer – im ersten Quartal dieses Jahres
       seien in Dubai insgesamt Immobilienverkäufe im Wert von 11,7 Milliarden
       Dollar getätigt worden, heißt es in dem Bericht. Die Rekordsumme für den
       Kauf einer Villa lag bei 76 Millionen Dollar.
       
       „Seit Beginn des Kriegs kommen viele Russen nach Dubai“, bestätigt Alessia
       Sheglova gegenüber der taz. Die Russin lebt seit 30 Jahren in der Stadt und
       leitet dort die Immobilienfirma Dacha Real Estate. Familien aus der
       russischen Mittelschicht zögen nach Dubai und mieteten Wohnungen an. Was
       die Wirtschaft aber wirklich nach oben treibe, seien die Immobilienkäufe
       von teilweise sehr reichen Russen. „Manche kaufen ganze Stockwerke“,
       erzählt Sheglova.
       
       Bei diesen Superreichen sind vor allem Villen auf der künstlichen Insel
       Palm Beach Jumeirah beliebt, die vor der Küste in Palmenform aufgeschüttet
       wurde. [1][Dort liegen die teuersten Immobilien Dubais], sie kosten auch
       mal 30 Millionen Dollar und mehr. „Villen in Palm Jumeirah mit einem
       eigenen privaten Strand, das sind die Filetstücke in Dubai“, erzählt
       Sheglova. Die Immobilienpreise hätten sich dort praktisch verdoppelt. „Und
       es ist nicht einfach, etwas zu finden.“
       
       ## Oligarchen in den Emiraten
       
       Der russische Dünger-Tycoon Dmitri Rybolowlew lebt dort ebenso wie der
       Telekommunikations-Oligarch Albert Avdolyan, der Wert ihrer Villen liegt
       zwischen 20 und 30 Millionen Dollar. Auch Andrey Molchanov, der mit
       Baumaterial in Russland seine Milliarden gemacht hat, besitzt dort eine
       Villa im Wert von 20,5 Millionen Dollar. Und dann ist da der wahrscheinlich
       Reichste unter ihnen allen, Pawel Durow, der 37-jährige Gründer des
       Messagerdienstes Telegram, der inzwischen auch einen emiratischen Pass
       besitzt.
       
       Die Boeing [2][von Roman Abramowitsch] wurde in Dubai und Abu Dhabi ebenso
       gesichtet wie die Privatjets anderer Milliardäre. Es gibt auch eine lange
       Liste von Superjachten von Oligarchen, die vor Dubai ankern.
       
       Wer hilft den russischen Oligarchen, ihre Investitionen aus Europa und den
       USA nach Dubai zu transferieren? Ein Name, der in diesem Zusammenhang immer
       wieder genannt wird, ist Scheich Mansour bin Zayid Al Nahyan. Er ist vor
       allem bekannt als der Besitzer des englischen Fußballvereins Manchester
       City. „Mansour spielt eine wachsende Rolle, reichen Russen zu helfen, ihr
       Geld in die Emirate zu bewegen“, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg.
       
       Aber es sind nicht nur die superreichen Russen, die nach Dubai kommen. Auch
       viele Fachleute sind in den letzten Monaten hergezogen, vor allem aus dem
       IT-Bereich. Die russische Tech-Industrie-Handelsgruppe Russian Association
       for Electronic Communications schätzt, dass bis Ende März bis zu 70.000
       IT-Fachleute Russland verlassen haben. Im April, so die Schätzung, folgten
       weitere 100.000.
       
       Viele von ihnen landen in Dubai. In den letzten Monaten sind auf
       Messenger-Apps Hunderte Gruppen entstanden, die jungen russischen
       IT-Spezialisten helfen, in Dubai Fuß zu fassen. Sie haben meist keine
       großen Ersparnisse, erzählt die Maklerin Sheglova. „Viele wohnen zunächst
       nur zur Miete. Sie ziehen hierher und wollen vielleicht ein Business
       starten und dann entscheiden, ob sie etwas kaufen.“
       
       Wer einen Einkommensnachweis von sechs Monaten in Dubai hat, kann einen
       Immobilienkredit bekommen. „Früher oder später werden auch sie kaufen“, ist
       Sheglova überzeugt. Die Zuwanderung russischer Fachleute wird noch
       verstärkt durch einige in Russland vertretene internationale Firmen wie
       Goldman Sachs, die ihre Büros von Moskau nach Dubai verlegen.
       
       Die Behörden in den Emiraten tun alles, um Dubais Magnetwirkung auf
       russische Menschen mit viel Geld oder Fachwissen noch zu verstärken. „Bei
       der Ankunft bekommen sie zunächst ein Visum für 90 Tage“, erklärt Sheglova.
       Wer geschäftlich tätig wird, erhalte einen Aufenthaltstitel. Wer genug Geld
       in eine Immobilie steckt, kriegt die Aufenthaltserlaubnis gleich dazu:
       „Wenn man 200.000 Dollar investiert, bekommt man drei Jahre Bleiberecht.
       Wer 550.000 Dollar investiert, bekommt zehn Jahre“, listet Sheglova die
       Möglichkeiten auf.
       
       Ein wichtiges Argument für Russen, sich in Dubai niederzulassen, dürfte
       auch der Geldverkehr sein, der problemlos möglich ist. „Es gibt in den
       Emiraten keine Sanktionen gegen russische Banken. Beim Kauf einer Immobilie
       oder für eine Miete wird einfach aus Russland überwiesen“, sagt die
       Maklerin. Das wäre im Westen so nicht mehr möglich, die Emirate profitieren
       von den Sanktionen dort.
       
       Sie waren auch eines von weltweit nur drei Ländern, die sich bei einer
       Resolution des UN-Sicherheitsrats im Februar, die russische Invasion in die
       Ukraine zu verurteilen, ihrer Stimme enthalten haben – zusammen mit China
       und Indien. Einen Monat später enthielten sie sich auch, als es darum ging,
       Russland aus dem UN-Menschenrechtsrat zu verbannen.
       
       ## Schwieriger Spagat zwischen Russland und dem Westen
       
       Die Emirate bewegen sich dabei auf einem schmalen Grat. Auf der einen Seite
       heißen sie das russische Geld der Oligarchen und Fachleute willkommen. Auf
       der anderen Seite versuchen sie, den Westen nicht zu offensichtlich vor den
       Kopf zu stoßen. Bisher offenbar mit Erfolg: Denn der Westen braucht die Öl-
       und Gaslieferungen von der Arabischen Halbinsel heute mehr denn je.
       Zumindest öffentlich werden dabei folglich nicht allzu viele Fragen
       gestellt.
       
       Letzten Monat soll allerdings der stellvertretende US-Finanzminister Wally
       Adeyemo mehrmals telefonisch mit hochrangigen emiratischen Beamten
       gesprochen haben, berichtete Bloomberg. Dabei habe er auch seiner Sorge
       über Finanztransaktionen russischer Milliardäre in die Emirate Ausdruck
       verliehen.
       
       Dass die Emirate gerade ganz offensichtlich von russischem Geld
       profitieren, hat auch das Interesse von Agenturen geweckt, die sich mit
       internationaler Geldwäsche beschäftigen. Die in Paris ansässige Financial
       Action Task Force hat die Emirate im März auf ihre „graue Liste“ gesetzt,
       weil Geldwäsche dort nicht ausreichend kontrolliert werde.
       
       Die Immobilienmaklerin Sheglova sagt, dass ihre Firma sich strikt an die
       Regeln halte. „Wir machen Hintergrundchecks. Wir haben eine Liste von
       Individuen, die sanktioniert sind, entweder durch Interpol oder durch die
       Behörden in den Emiraten“, sagt sie. Sie überprüften immer, ob es sich bei
       den Käufern um Leute handele, „mit denen wir keine Geschäfte machen
       sollten“.
       
       Das alles tut der Eldorado-Stimmung in den Emiraten keinen Abbruch. Oder
       wie es David Lolaev, der russische Gründer der Marketingfirma für
       Kryptowährung SalAd, beschreibt: „Wir erleben in Dubai gerade einen echten
       ‚Wow-Effekt‘.“
       
       23 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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