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       # taz.de -- Miese Umfragewerte der AfD: Traut Höcke sich diesmal?
       
       > Björn Höcke könnte für den AfD-Parteivorstand kandidieren. Vor der
       > NRW-Wahl wächst in Teilen der Partei die Sorge vor einem Desaster.
       
   IMG Bild: Macht er ernst? Höcke liebäugelte auf dem Thüringer Delegiertenparteitag mit der Vorstandskandidatur
       
       Berlin taz | Die extrem rechte AfD kommt nach dem [1][katastrophalen
       Ergebnis bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein] nicht zur Ruhe. Auch
       am Dienstag gingen die Sticheleien zuverlässig weiter: Schon kurz nach 8
       Uhr im Morgenmagazin der ARD forderte der Bundestagsabgeordnete Rüdiger
       Lucassen den Thüringen-Chef Björn Höcke heraus, indem er diesen darauf
       hinwies, dass er sich ja doch nicht traue, für ein wichtiges Amt außerhalb
       Thüringens zu kandidieren.
       
       „Ich fordere meinen Parteifreund Björn Höcke jetzt auf, doch als
       Bundesvorsitzender zu kandidieren“, so Lucassen. Es reiche nicht, aus
       Thüringen mit Hinweisen auf der Metaebene zu kommen, nach seinen vagen
       Ankündigungen solle Höcke doch mal „Tacheles“ reden.
       
       Es ist die Flucht nach vorne vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen,
       von der einige befürchten, dass sie ähnlich desaströs ausgehen könnte wie
       Schleswig-Holstein, wo die AfD aus dem Parlament flog. In Umfragen liegt
       die Partei in NRW zwischen 6 und 8 Prozent. Nicht wenige AfD-Mitglieder im
       Westen, die sich gerne einem bürgerlichen, national-konservativen Spektrum
       zurechnen, hatten den Russlandkurs unter anderem des Parteivorsitzenden
       Tino Chrupalla sowie die radikale völkische Strömung verantwortlich gemacht
       für das schlechte Abschneiden in Schleswig-Holstein.
       
       Als bewussten Affront werteten einige dabei, dass der Rechtsextremist
       Höcke, inoffizieller Kopf der Völkischen, einen Tag vor der
       Schleswig-Holstein-Wahl mal wieder Interesse an einer Kandidatur für den
       Bundesvorstand durchblicken ließ.
       
       ## „Inkompetenz“ und „Versagen“
       
       Ost-Vertreter*innen, vorzugsweise aus dem völkischen Spektrum, führen das
       schlechte Ergebnis dagegen auf die [2][internen Streitigkeiten in
       Schleswig-Holstein] zurück. Der Bundestagsabgeordnete und Partei-Vize
       Stephan Brandner, ebenfalls aus Thüringen, verwies etwa höhnisch auf die
       eigenen, deutlich besseren Ergebnisse in völkisch dominierten
       Landesverbänden. Er finde es ganz prima, dass man im Juni einen
       Bundesparteitag habe, auf dem man sich über den Kurs austauschen könne, so
       Brandner.
       
       Laut dem Thüringer parlamentarischen Geschäftsführer Torben Braga
       dokumentierten Schuldzuweisungen an Höcke nur die „eigene Inkompetenz“ und
       „vollumfängliches Versagen“ der Kritiker*innen im Westen.
       
       Dennoch spricht vieles dafür, dass Lucassen recht behält und Höcke
       weiterhin in Thüringen in Deckung bleibt: Höcke hatte schon häufiger
       Andeutungen gemacht, fürs höchste Parteigremium kandidieren zu wollen, es
       war allerdings immer nur bei leeren Ankündigungen geblieben. Angetreten für
       den Bundesvorstand, geschweige denn für den Posten als Parteichef ist er
       nie. Wohl auch aus Angst, keine Mehrheit zu bekommen.
       
       Allerdings sprechen auch ein einige Argumente dafür, dass Höcke diesmal
       ernst machen könnte: So ist die AfD kontinuierlich weiter nach rechts
       gerückt: Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist ohnehin bereits
       gerichtlich bestätigt, inklusive [3][mittlerweile veröffentlichter
       umfassender Urteilsbegründungen]. Jörg Meuthen, ehemals einflussreichster
       Gegenspieler der Völkischen, ist nach Flügelkämpfen resigniert ausgetreten.
       
       ## Weiterhin viel Verständnis für Putin
       
       Hinzu kommt, dass auch der Rechtsextremist Andreas Kalbitz weiter auf seine
       baldige Rückkehr in die Partei hofft. Er gilt als Höcke-Intimus und ist
       trotz seines Parteiausschlusses noch immer einflussreicher Strippenzieher
       bei den Völkischen. Für eine Rückkehr in die Partei braucht er schnell
       veränderte Mehrheitsverhältnisse im Bundesvorstand – zumal Kalbitz offenbar
       das Geld für den teuren Rechtsweg gegen die Annullierung seiner
       Mitgliedschaft langsam auszugehen scheint, worauf [4][Zwangsvollstreckungen
       gegen sein Konto] sowie [5][offenbar unterbliebene Mietzahlungen für sein
       Abgeordnetenbüro] hinweisen.
       
       Klar ist bei allem: Die offenen Flügelkämpfe direkt vor der NRW-Wahl helfen
       der Partei nicht. Hinzu kommt der Schlingerkurs der Partei [6][in der
       Russlandfrage]. Denn während die Partei offiziell den völkerrechtswidrigen
       Angriff Russlands verurteilt, äußern sich AfD-Politiker weiter in
       russischen Medien, ihre Äußerungen klingen oft verdächtig nach
       Putin-Propaganda.
       
       So trat Chrupalla etwa kürzlich [7][bei russischen Staatsmedien] auf und
       der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter ließ sich laut einer
       [8][Kontraste-Recherche] sogar zu einer russischen Wirtschaftskonferenz
       zuschalten, wo diskutiert wurde, wie man internationale Sanktionen umgehen
       könnte. Keuter habe sich laut Kontraste über die Propaganda in deutschen
       Medien beschwert.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Analyse-der-AfD-Wahlniederlage/!5850760
   DIR [2] /Analyse-der-AfD-Wahlniederlage/!5850760
   DIR [3] https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2022/13_K_326_21_Urteil_20220308.html
   DIR [4] /Kalbitz-verliert-Prozess-gegen-die-AfD/!5846806
   DIR [5] /Vorwurf-der-Veruntreuung/!5852794
   DIR [6] /Die-AfD-und-der-Krieg-in-der-Ukraine/!5844230
   DIR [7] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-russland-117.html
   DIR [8] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-russland-117.html
       
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   DIR Gareth Joswig
       
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