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       # taz.de -- Verfehlungen in Sicherheitsbehörden: Trinken, Drohen, Schwänzen
       
       > Auch in den Sicherheitsbehörden fallen Bedienstete immer wieder mit
       > Verfehlungen auf. Einige Fälle haben einen rechtsextremen Hintergrund.
       
   IMG Bild: Bundesregierung legt offen: Es gibt hunderte interne Ermittlungen in deutschen Sicherheitsbehörden
       
       Berlin taz | Eigentlich sollen die Sicherheitsbehörden selbst für Recht und
       Ordnung sorgen oder extremistische Gefahren aufspüren. Immer wieder aber
       fallen ihre Bedienstete auch [1][mit eigenen Verfehlungen] auf. Die
       Bundesregierung legt nun offen, dass es zuletzt hunderte interne
       Ermittlungen bei der Bundespolizei, dem Bundesnachrichtendienst oder dem
       Bundesamt für Verfassungsschutz gab.
       
       So wurden allein bei der Bundespolizei 2021 insgesamt 147 interne
       Ermittlungen geführt, wie aus Antworten des Bundesinnenministeriums auf
       Anfragen der Linken hervorgeht, die der taz vorliegen. Dazu erfolgten 297
       Disziplinar- und 138 Strafverfahren. Bei den Verfehlungen geht es um
       Missachtung von Dienstpflichten, unerlaubtem Fernbleiben von der Arbeit
       oder Verweigern von Anordnungen. In 49 Fällen bestand laut Ministerium aber
       auch der Anfangsverdacht menschenfeindlicher Handlungen. Am Ende gab es 32
       Entlassungen, 13 Suspendierungen und zwei Versetzungen. 79 Verfahren wurden
       eingestellt.
       
       Auch beim Zoll gab es im vergangenen Jahr 38 interne Verfahren. Ermittelt
       wurde hier etwa wegen Bedrohung, Urkundenfälschung, Trunkenheitsfahrten
       oder Exhibitionismus. In vier Fällen ging es auch um rechte Hintergründe:
       Volksverhetzung, rassistische Äußerungen, Mitgliedschaft in einer
       rechtsextremen Organisation und der Vorwurf, zur Querdenkenbewegung zu
       zählen.
       
       Beim Bundeskriminalamt gab es im vergangenen Jahr laut Innenministerium nur
       zwei interne Ermittlungsverfahren, eines zu einer sexuellen Belästigung und
       eines zu einem Verdacht der Bedrohung. Eine Person wurde entlassen. In
       diesem Jahr kamen neue Verdachtsfälle dazu: eine Körperverletzung, eine
       unerlaubte Nebentätigkeit, ein Munitionsverlust und eine sexistische
       Äußerung. Laut Ministerium gab es zudem seit 2020 zwölf Fälle, in denen
       menschenfeindliche Vorwürfe im Raum standen – nachweisen ließ sich das aber
       letztlich offenbar nicht.
       
       ## Kein einziges Verfahren beim MAD?
       
       Auch der BND musste sich zuletzt mit möglichen Verfehlungen in den eigenen
       Reihen beschäftigen. Dort gab es seit 2018 insgesamt 98 interne
       Ermittlungen wegen Dienstvergehen, zehn davon allein in diesem Jahr. Hier
       waren die Vorwürfe zumeist Verstöße gegen die „Folgepflicht“ oder
       unentschuldigtes Fehlen, in fünf Fällen ging es aber auch hier um
       menschenfeindliche Äußerungen. In 14 der 98 Verfahren kam es am Ende zu
       einer Versetzung, Suspendierung oder Entfernung aus dem Dienst. 30 der
       Verfahren wurden eingestellt.
       
       Beim Bundesamt für Verfassungsschutz gab es deutlich weniger Ermittlungen.
       Seit 2018 liefen hier nur sieben Verfahren – bei denen es am Ende in allen
       Fällen zu Versetzungen, Suspendierungen oder eine Entfernung aus dem Dienst
       kam. Menschenfeindliche Vorfälle waren laut eigenen Angaben nicht darunter.
       
       Bemerkenswert sind die Angaben zum Militärischen Abschirmdienst der
       Bundeswehr: Denn laut Innenministerium gab es dort in den vergangenen
       Jahren kein einziges internes Verfahren. Die Linken-Innenexpertin Martina
       Renner, die die Anfragen stellte, hält das schlicht für „falsch“. Denn
       zuletzt erst hatte etwa die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen einen
       MAD-Mitarbeiter erhoben, der am Tag einer Razzia gegen einen KSK-Soldaten
       vertrauliche Informationen an ein anderes KSK-Mitglied weitergegeben haben
       soll, darunter Fotos der Durchsuchung.
       
       Renner hält auch für wenig glaubhaft, dass es beim BND und
       Verfassungsschutz fast keine rechtsextremen Vorfälle gegeben haben soll.
       Die anderen Sicherheitsbehörden würden solche Vorfälle ja durchaus
       benennen. Renner plädiert daher dafür, die vom Bundesinnenministerium
       [2][nach langem Ringen angestoßene Polizeistudie] auch auf die
       Sicherheitsbehörden zu erweitern. Auch dort müssten mögliche rassistische
       Einstellungen untersucht werden. „Für Schönrederei haben wir keine Zeit
       mehr.“
       
       Tatsächlich ist ein solches Vorhaben bereits auf dem Weg. Die
       Ampelkoalition stellte zuletzt nach der Polizeistudie auch Gelder für eine
       neue [3][Studie zu extremistischen Einstellungen in den
       Sicherheitsbehörden] insgesamt in den Haushalt ein.
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte in ihrem jüngst
       veröffentlichten [4][Aktionsplan gegen Rechtsextremismus] angekündigt,
       Extremisten in Behörden schneller entfernen zu wollen. Zudem soll am
       Freitag der Verfassungsschutz seinen neuen Lagebericht zu Rechtsextremisten
       in den Sicherheitsbehörden vorstellen. Im ersten Bericht 2020 zählte das
       Amt [5][319 Verdachtsfälle bei den Polizeien und Verfassungsschutzämtern]
       der Länder und 58 Fälle in den Bundesbehörden, dazu 1.064 Verdachtsfälle
       bei der Bundeswehr.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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