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       # taz.de -- Tod einer Reporterin im Westjordanland: Nicht vorschnell urteilen
       
       > Schuldzuweisungen im Fall der Todesschüsse auf die Al-Jazeera-Reporterin
       > sind fehl am Platz. Eine Untersuchung sollte die Verantwortung klären.
       
   IMG Bild: Gedenken am Strand von Gaza: Sandskulptur mit den Namen der getöteten Journalistin
       
       Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas vergeudete keine Zeit, um Israel für
       den Tod der [1][Al-Jazeera-Reporterin Shireen Abu Akleh] verantwortlich zu
       machen. Von einem „hässlichen Verbrechen“ sprach der
       Palästinenserpräsident. Und auch Amnesty International war rasch dabei, die
       Schuld beim Besatzer zu suchen. Kaum dass der tote Körper erkaltet ist,
       kocht der Kampf um die öffentliche Meinung hoch.
       
       Doch ob es israelische SoldatInnen waren oder PalästinenserInnen, die den
       Finger am Abzug hatten – sicher ist, dass Abu Akleh nicht gezielt getötet
       wurde, sondern Opfer einer in die Irre geleiteten Gewehrkugel war. Keine
       der beiden Konfliktparteien kann Interesse an ihrem Tod gehabt haben.
       Israels Regierungschef Naftali Bennett reagierte mit Bedacht.
       
       Er bedauerte den Tod der Journalistin, stellte aber umgehend die
       Möglichkeit in den Raum, dass [2][Abu Akleh durch eine palästinensische
       Kugel getötet wurde], und forderte zu einer Untersuchung auf. Die
       palästinensische Seite sollte dem zustimmen, will sie glaubwürdig an ihrer
       Version festhalten. In jedem Fall ist Bennetts Vorschlag ein schlauer
       Schachzug, denn er gewinnt damit entscheidende Zeit.
       
       Selbst wenn sich nächste Woche oder vielleicht erst nächsten Monat mit
       Sicherheit sagen lässt, dass doch ein israelischer Soldat die tödliche
       Kugel abgeschossen hat, dann dürfte bis dahin das allgemeine Interesse an
       dem Fall deutlich abgeflaut sein. Bennett mag der [3][Tod des 12-jährigen
       Mohammed al-Dura] in Erinnerung sein. Der Junge war zu Beginn der Zweiten
       Intifada vor laufenden Kameras im Gazastreifen erschossen worden.
       
       Ehud Barak, damals israelischer Regierungschef, entschuldigte sich und
       räumte damit die Schuld der israelischen Armee für den Tod des Jungen ein.
       Die erschreckenden Fernsehaufnahmen liefen weltweit und vor allem in den
       besetzten Palästinensergebieten wieder und wieder über den Bildschirm. Sie
       dürften entscheidend zu Terror und Militärgewalt, die unmittelbar folgten,
       beigetragen haben.
       
       Erst Jahre später kamen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass al-Dura
       genauso gut Opfer einer palästinensischen Kugel gewesen sein konnte. Jahre
       zu spät.
       
       11 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.aljazeera.com/news/2022/5/11/shireen-abu-akleh-israeli-forces-kill-al-jazeera-journalist
   DIR [2] https://www.timesofisrael.com/bennett-al-jazeera-journalist-likely-killed-by-palestinian-gunfire-in-jenin/
   DIR [3] https://www.sueddeutsche.de/politik/tod-des-palaestinensischen-jungen-al-dura-mohammed-darf-nicht-ruhen-1.1677794-2
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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