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       # taz.de -- Kiew erobert Dörfer bei Cherson zurück: Gegenoffensive im Süden
       
       > Russland verstärkt die Angriffe im Donbass. Unterdessen erwägen die USA
       > die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern an Kiew.
       
   IMG Bild: Das erste Mal wieder in Charkiw im Osten des Landes: Präsident Wolodimir Selenski am Sonntag
       
       Während die russischen Truppen im Donbass weiter angreifen, hat die Ukraine
       nach Angaben ihres Generalstabs eine Gegenoffensive im Süden des Landes
       gestartet. 70 Kilometer nordöstlich [1][der von Russland eroberten
       Großstadt Cherson] hätten ukrainische Truppen den Inhulets-Fluss überquert
       und die russischen Truppen aus drei Ortschaften um bis zu 9 Kilometer
       zurückgedrängt, hieß es in ukrainische Quellen am Samstag.
       
       Zuletzt hatten russische Quellen berichtet, das besetzte südukrainische
       Gebiet um Cherson werde von Russland nur schwach verteidigt, teils nur mit
       Reservisten, Milizionären aus Donezk sowie alten Panzern. Russlands Armee
       hat begonnen seine schon eingemotteten, über 60 Jahre alten Panzer des Typs
       T-62 wieder in Dienst zu stellen, um schwere Verluste an neuerem
       Militärgerät auszugleichen.
       
       Moskau konzentriert den Großteil seiner Offensivstreitkräfte aktuell nicht
       im Süden der Ukraine, sondern im Donbass. Das erleichtert es der Ukraine,
       andernorts Geländegewinne zu erzielen – in den vergangenen Wochen gelang
       das bereits rund um die Millionenstadt Charkiw, die jetzt nicht mehr in
       Reichweite russischer Kurzstreckenartillerie liegt. Der ukrainische
       Präsident Wolodimir Selenski besuchte Charkiw am Sonntag erstmals seit
       Kriegsbeginn.
       
       Im Donbass begannen russische Truppen am Freitag mit Frontalangriffen auf
       die Großstadt Sjewjerodonezk, die sie in den Tagen zuvor bereits begonnen
       hatten, einzukesseln. Der Machthaber der russischen Teilrepublik
       Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, erklärte am Samstagabend, dass
       „Sjewjerodonezk komplett unter Kontrolle“ sei. Andere Quellen berichteten
       am Sonntag, die heftigen Kämpfe dauerten an.
       
       ## Russland spricht von „roter Linie“
       
       Die für beide Seiten sehr verlustreichen Kämpfe um Sjewjerodonezk seien die
       schwersten seit denen um Mariupol, analysierte das Institute for the Study
       of War (ISW) in den USA in seinem Tagesbericht von Samstag und nannte den
       absehbaren Fall der Stadt an Russland eine „bedeutsame taktische
       Niederlage“ der Ukraine. Russland könne dann einen wichtigen Etappensieg
       auf dem Weg zur Eroberung des gesamten Donbass verkünden.
       
       Doch, so das ISW weiter, „für ihre laufenden taktischen Erfolge zahlen die
       Russen einen Preis, der in keinem Verhältnis zum tatsächlichen operativen
       oder strategischen Vorteil steht“. Wenn die Schlacht um Sjewjerodonezk
       vorüber sei, „wird die russische Offensive voraussichtlich ihren Höhepunkt
       erreicht haben, was der Ukraine die Gelegenheit bietet, ihre operativen
       Gegenoffensiven zu starten“.
       
       Im Rahmen dieser Analyse sind die jüngsten Berichte aus den USA zu
       bewerten, wonach die Ukraine demnächst erstmals US-Artillerie größerer
       Reichweite erhalten soll. Die von der ukrainischen Regierung seit Langem
       geforderten MLRS-Mehrfachraketenwerfer und ihre leichtere Version Himars
       (High Mobility Artillery Rocket System) können von Fahrzeugen aus bis zu 24
       Raketen nacheinander bis zu 300 Kilometer weit schießen. Der Nationale
       Sicherheitsrat der USA soll über ihre Lieferung in dieser Woche
       entscheiden, so der TV-Sender CNN. Der ukrainische Präsident Selenski sagte
       in der Nacht zum Sonntag, er erwarte in der kommenden Woche „gute
       Nachrichten“, um eine Feldüberlegenheit der Ukraine herzustellen.
       
       Russland warnte laut CNN am Freitag, die USA würden mit einer solchen
       Lieferung „eine rote Linie überschreiten“, weil diese Raketen auch
       russisches Gebiet treffen können. Das gilt allerdings für alle ukrainischen
       Raketen in Grenznähe. Der Vorzug der MLRS für die Ukraine ist, dass sie
       damit russische Positionen in der Ukraine aus sicheren Positionen in der
       Ferne beschießen kann. Für einen Versuch, den Süden der Ukraine
       zurückzuerobern, wäre das entscheidend.
       
       29 May 2022
       
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