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       # taz.de -- Abschaltung von Kohlekraftwerken: Erdgas und CO2 gleichzeitig sparen
       
       > Eine Studie zeigt, wie der Verzicht auf russisches Gas und mehr
       > Klimaschutz vereinbar wären: mit einer geänderten Reihenfolge beim
       > Kohleausstieg.
       
   IMG Bild: Kohle ist nicht ganz gleich Kohle: Steinkohlekraftwerk Reuter West in Berlin
       
       Berlin taz | Es ist keine leichte Alternative, vor der Wirtschaftsminister
       Robert Habeck (Grüne) derzeit steht: [1][Wegen des Ukrainekriegs will
       Deutschland so schnell wie möglich auf Erdgasimporte aus Russland
       verzichten]. Doch weil weder Flüssiggas-Terminals noch erneuerbare Energien
       als Alternative kurzfristig ausreichend zur Verfügung stehen, müssten dafür
       Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben – was schlecht für die Klimabilanz
       ist.
       
       Eine neue Studie des Beratungsunternehmens Brainpool Energy, die der taz
       vorliegt, zeigt nun einen möglichen Ausweg auf. Denn neben den beiden
       schlechten Alternativen – weiterhin Gas aus Russland oder [2][mehr
       CO2-Ausstoß aus Kohlekraftwerken] – gibt es nach Auffassung der Autoren
       eine weitere Möglichkeit, die Klimaschutz und Versorgungssicherheit
       gleichermaßen gewährleistet.
       
       Zum einen sei es dafür erforderlich, den Gasverbrauch schneller zu senken
       als derzeit geplant, etwa durch eine Verlagerung der gas-intensiven
       Ammoniakproduktion zur Düngerherstellung oder durch einen schnelleren
       Ersatz von Gasheizungen. Zum anderen kann auch der zeitweilige Ersatz von
       Gaskraftwerken durch klimaschädlichere Kohlekraftwerke der Studie zufolge
       zur Verringerung der Gasnachfrage beitragen, wenn auch nur in sehr geringem
       Ausmaß.
       
       Dies müsse aber nicht zu einem höheren CO2-Ausstoß führen, schreiben die
       Autoren. Bedingung dafür sei, dass der Kohleausstieg nicht nur, wie von der
       Bundesregierung angestrebt, von 2038 auf 2030 vorgezogen werde, sondern
       dabei zugleich die Reihenfolge der Abschaltung verändert wird. Statt
       besonders klimaschädliche Braunkohlekraftwerke als Letztes abzuschalten,
       die flexibleren und weniger schädlichen Steinkohlekraftwerke dagegen
       früher, schlägt die Studie vor, die Reihenfolge zu ändern: Der
       Braunkohleausstieg wäre dann schon 2027 abgeschlossen, Kraftwerke wie
       Neurath, Boxberg oder Schwarze Pumpe würden damit mehr als zehn Jahre
       früher stillgelegt als derzeit geplant. Steinkohlekraftwerke dürften
       dagegen bis 2029 laufen – und damit teilweise länger als derzeit geplant.
       
       ## Rettung für Braunkohledörfer
       
       In Auftrag gegeben hat die Studie das Ökostrom-Unternehmen Green Planet
       Energy. Dessen Vorstand Sönke Tangermann sieht in der geänderten
       Abschaltreihenfolge noch weitere Vorteile. „Weil in diesem Fahrplan zuerst
       zahlreiche Braunkohlemeiler stillgelegt werden, lassen sich außerdem
       Tagebaue so beenden, dass dort [3][keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert
       werden müssen]“, erklärte er – und forderte von der Regierung
       entsprechendes Handeln: „Die neue Studie zeigt, wie wir auch angesichts des
       Ukrainekrieges das nötige Tempo halten können – und den Klimaschutz sogar
       noch verstärken können.“
       
       Inwieweit die Studie in der anstehenden politischen Debatte aufgegriffen
       wird, bleibt aber abzuwarten. Habecks Wirtschaftsministerium hat vergangene
       Woche einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben, der
       Steinkohlekraftwerke in eine Reserve überführen soll, statt sie wie geplant
       abzuschalten. Trotzdem soll dabei am Kohleausstieg bis 2030 festgehalten
       werden.
       
       Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP geeingt, dieses Ziel
       „idealerweise“ zu erreichen. Wie genau es umgesetzt werden soll und
       inwieweit die Abschaltreihenfolge dabei verändert werden soll, ist aber
       unklar. Eine deutlich frühere Abschaltung der Braunkohlekraftwerke gilt als
       politisch schwierig, weil dort – und vor allem in den dazugehörigen
       Tagebauen – deutlich mehr Menschen arbeiten als in Steinkohlekraftwerken.
       
       30 May 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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