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       # taz.de -- Beschluss über Bundeswehr-Sondervermögen: Des einen Leid, des anderen Freud
       
       > Die von Ampel und Union ausgehandelte Einigung zum 100 Millarden
       > Sondervermögen für die Bundeswehr geht zulasten der Grünen.
       
   IMG Bild: „Das ist ein guter Tag für die Verteidigungsfähigkeit in Deutschland“, Friedrich Merz am 30. Mai
       
       Berlin taz | Bei den Grünen war die Stimmung schon besser. Der
       Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour versuchte am Montag, gute Miene zum
       schlecht gelaufenen Spiel zu machen, als er sich vor der grünen
       Parteizentrale zum Sondervermögen äußerte. „Das ist ein Kompromiss, den wir
       werden tragen können“, sagte er. Das klang, als wolle er sich und seiner
       Partei Mut zusprechen. „Wir müssen klar konstatieren, dass wir eins unserer
       Ziel, den erweiterten Sicherheitsbegriff einzubeziehen, nicht erreicht
       haben“, so der grüne Obmann im Haushaltsausschuss, Sebastian Schäfer,
       gegenüber der taz. „Mittel für die Cybersicherheit müssen wir jetzt
       anderweitig zur Verfügung stellen.“ Zustimmen will er im Bundestag dennoch.
       
       [1][Die Einigung zum Sondervermögen, die die Ampel und die Union
       ausgehandelt haben,] geht klar zulasten der Grünen. Anders als von ihnen
       gefordert, sollen die frischen Milliardenkredite allein in die Truppe
       fließen und nicht etwa auch in den Zivilschutz oder in die Cyberabwehr.
       Hinter den Kulissen fühlt man sich daher von der Union, aber auch von den
       beiden Koalitionspartnern ausgebootet. Die Grünen waren schon von der
       Ankündigung überrumpelt worden. Als Kanzler Olaf Scholz am 27. Februar im
       Bundestag verkündete, man werde ein 100-Milliarden-Euro- Sondervermögen für
       die Bundeswehr auflegen, hatte er die Summe zwar zuvor mit dem
       Finanzminister besprochen – nicht jedoch mit seinen grünen
       Koalitionspartnern. 100 Milliarden Euro allein fürs Militär, das war vielen
       Grünen dann doch zu dicke.
       
       Und so wurden führende Grüne nicht müde, immer wieder zu betonten, dass
       Sicherheit im 21. Jahrhundert auch zivile Krisenprävention sei. Ein breiter
       Sicherheitsbegriff, so wiederholte es Fraktionschefin Katharina Dröge vor
       einer Woche im taz-Interview, sei den Grünen wichtig. Doch nicht nur die
       Mehrheit in SPD und FDP, auch die Union sah das anders.
       
       Und die Stimmen der Union sind in dem Fall entscheidend. Denn um trotz
       Schuldenbremse 100 Milliarden Euro an neuen Krediten aufzunehmen, soll das
       Sondervermögen Verfassungsrang bekommen und so juristisch unangreifbar
       sein. [2][Die dazu nötige Zweidrittelmehrheit erreicht die Ampel im
       Bundestag nur mithilfe der Union.]
       
       ## Union erfüllt alle sechs Punkte
       
       Und anders als die Grünen freute die sich am Montag sichtlich. Am frühen
       Nachmittag steht Fraktionschef Friedrich Merz gemeinsam mit
       CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Bundestag und lobt die
       Entscheidung vom Vorabend. „Das ist ein guter Tag für die Bundeswehr und
       für die Verteidigungsfähigkeit in Deutschland“, sagt Merz. Er habe in
       seiner Haushaltsrede sechs Punkte genannt, die aus Sicht der Union erfüllt
       sein müssten, damit die Union einer Grundgesetzänderung zustimmen könne.
       Und die Koalition sei der Union „in allen sechs Punkten“ gefolgt. „Das ist
       ein großer Erfolg für die parteiübergreifende Zusammenarbeit.“
       
       „Wir sind sehr zufrieden“, sagte auch Vizefraktionschef Johann Wadephul der
       taz. Der CDU-Verteidigungsexperte hatte am Abend zuvor mitverhandelt.
       Natürlich sei besonders wichtig, dass das Sondervermögen nun allein für die
       Bundeswehr zur Verfügung stehe. Fast noch wichtiger aber sei, dass der
       Bundestag ein Bundeswehrfinanzierungsgesetz verabschieden werde, in dem das
       Parlament sich verpflichte, das 2-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen. „Das
       ist damit für die Zukunft sicher.“ Dass dieses Ziel nicht jährlich exakt,
       sondern im 5-Jahres-Schnitt erreicht werden soll, damit sei man
       einverstanden. Das Entscheidende sei: „Der Bundestag bindet sich damit
       selbst, der Bundeswehr diese Forderungen zu erfüllen.“
       
       „Deshalb werden wir der Fraktion empfehlen, der Grundgesetzänderung
       zuzustimmen“, sagte Wadephul weiter. Damit dürfte die Drohung der Union,
       nur die rechnerisch unbedingt nötigen Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit
       beizusteuern, vom Tisch sein. Merz hatte dies im Bundestag angedroht, um
       die Ampel unter Druck zu setzen. Ernsthaft durchgespielt worden aber war
       dieses Szenario in der Fraktion nicht.
       
       Die Grünen sehen das mit dem 2-Prozent-Ziel etwas anders. Es gehe gerade
       nicht darum, nach Ablauf des Sondervermögens dauerhaft zwei Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, meint Schäfer. Sondern
       die erforderlichen Fähigkeiten, sprich Soldat:innen und Waffensysteme
       bereitzustellen, die international verabredet sind. „Die Höhe der
       Finanzierung liegt dann bei uns.“ Trotz Einigung gibt es also noch
       Diskussionsbedarf.
       
       ## Wünsche der Grünen wurden ausgelagert
       
       Noch problematischer dürfte sein, dass die Wünsche der Grünen in die
       regulären Haushaltsverhandlungen ausgelagert wurden. Um, wie von ihnen
       gefordert, künftig auch Krankenhäuser besser vor Hackerangriffen zu
       schützen, soll die Bundesregierung eine eigene Strategie zur Stärkung der
       Sicherheit im Cyber- und Informationsraum vorlegen. Notwendige Maßnahmen
       zur Cybersicherheit, Zivilschutz oder auch zur Ertüchtigung von Partnern
       würden aus dem Bundeshaushalt finanziert, heißt es in der Einigung.
       
       Nach Schätzungen des Grünen-Haushälters Sven-Christian Kindler könnte ein
       solches Paket etwa 15 bis 20 Milliarden Euro verschlingen. Vor dem
       Hintergrund der großen sozialen, ökonomischen und sicherheitspolitischen
       Fragen hat er Zweifel, ob die Schuldenbremse 2023 eingehalten werden könne.
       „Auch die EU hat die Schuldenregeln für nächstes Jahr zu Recht ausgesetzt.“
       Es würde nicht zusammenpassen, „wenn Deutschland als größte Volkswirtschaft
       in der Krise sparen würde“, so Kindler zur taz. Genau das möchte aber
       Christian Lindner.
       
       Die Einigung zum Sondervermögen birgt also neuen Sprengstoff für die Ampel.
       Bereits im Juni beginnen die Beratungen für den Haushalt 2023, der noch vor
       der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden soll.
       
       30 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /100-Milliarden-fuer-Bundeswehr/!5857536
   DIR [2] http://Machttaktischer%20Eifer
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
   DIR Anna Lehmann
       
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