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       # taz.de -- Start des 9-Euro-Tickets: Nahverkehr wie Woodstock
       
       > Mehr als sieben Millionen 9-Euro-Tickets wurden vor dem Start verkauft.
       > Branchenvertreter erwarten Gedränge in den Zügen wie bei einem
       > Rockkonzert.
       
   IMG Bild: Das 9-Euro-Ticket gibt es digital im Internet und an Fahrkartenautomaten zum Ausdrucken
       
       Berlin taz | Mehr als sieben Millionen Menschen haben bereits vor dem Start
       am Mittwoch [1][ein 9-Euro-Ticket] gekauft. „Im Herzen der Menschen in
       Deutschland hat dieses Ticket bereits einen festen Platz“, sagte
       Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einem Online-Pressegespräch
       am Dienstag.
       
       Das 9-Euro-Ticket kann für den Juni, Juli und August erworben werden. Es
       gilt bundesweit im Nah- und Regionalverkehr. Der Bund zahlt den Ländern
       dafür 2,5 Milliarden Euro. Für den auch [2][ab 1. Juni anlaufenden
       Tankrabatt] in Form von Steuersenkungen stellt der Bund mehr als 3
       Milliarden Euro bereit. Beides ist Teil des Entlastungspakets von SPD,
       Grünen und FDP, mit dem die hohen Energiekosten abgefedert werden sollen.
       
       Hinter den bislang verkauften sieben Millionen Fahrkarten stehen
       zusätzliche Kund:innen, sagte Wissing. Denn für Stammkund:innen mit
       Monatskarten, Job- oder Semestertickets gilt das 9-Euro-Ticket automatisch.
       Sie können ihre Karte bundesweit nutzen, der Differenzbetrag zwischen den 9
       Euro und dem von ihnen gezahlten Preis wird erstattet. Bei Job- oder
       Semestertickets suchen die Beteiligten noch nach Lösungen. Mancherorts soll
       etwa die Summe mit der Zahlung für das kommende Semester verrechnet werden.
       Der [3][Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)] geht davon aus, dass
       bis zu 30 Millionen Menschen – einschließlich Stammkund:innen – von dem
       Angebot Gebrauch machen könnten.
       
       Unklar ist, wie und wie oft die Kund:innen das Ticket nutzen werden. Klar
       ist aber, dass die Reserven der Verkehrsbetriebe und der Deutschen Bahn
       nicht ausreichen, um den Ansturm vor allem auf attraktive touristische
       Strecken zufriedenstellend zu bewältigen. Ein „Woodstock“ und ein „schönes
       Happening“ im ÖPNV erwartet der VDV-Hauptgeschäftsführer, Oliver Wolff, für
       die Fahrgäste. „Ich rate zu ein wenig Gelassenheit. Bei einem großen
       Konzert steht man auch im Gedränge“, sagte er.
       
       Gestritten wird in einigen Ländern noch darüber, ob das 9-Euro-Ticket auch
       auf Fernverkehrsstrecken der Deutschen Bahn gilt, die auf bestimmten
       Abschnitten als Nahverkehr firmieren, weil es dort kein anderes Angebot
       gibt. „Darüber wird verhandelt bis zuletzt“, sagte Wolff.
       
       ## Länder wollen mehr Geld
       
       Angesichts der prekären Lage der Verkehrsunternehmen ist auch ungewiss, wie
       es nach dem 9-Euro-Ticket weitergeht. Einige Länder hätten signalisiert,
       dass sie die Ticketpreise nach dem Auslaufen erhöhen müssten, sagte die
       Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), zurzeit Vorsitzende der
       Landesverkehrsminister:innenkonferenz. „Das ist
       kontraproduktiv“, meinte sie weiter. Schließlich soll das 9-Euro-Ticket
       dazu dienen, einstige Kund:innen zurückzuholen und neue zu gewinnen.
       
       Die Länder fordern mit Hinweis auf gestiegene Energie- und Personalkosten
       für 2022 weitere 1,5 Milliarden Euro. „Wir brauchen zusätzliche Mittel vom
       Bund, Kommunen und Länder können nicht alles stemmen“, sagte Schaefer. Der
       ÖPNV müsse vor allem auf dem Land ausgebaut werden. „Wenn ich auf dem Dorf
       wohne, wo nur zweimal am Tag ein Bus fährt, nützt mir ein verbilligtes
       Ticket nichts“, führte sie aus. Umweltverbände fürchten ein „Strohfeuer“
       aufgrund der zeitlich begrenzten Geltung und fordern ebenfalls mehr Geld
       und langfristig niedrigere Preise.
       
       Bislang ist Wissing nicht bereit, mehr für den ÖPNV zu zahlen. Er will
       Erkenntnisse aus der Einführung des 9-Euro-Tickets abwarten. „Am Ende steht
       die Finanzierungsfrage nicht am Anfang“, sagte er.
       
       31 May 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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