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       # taz.de -- Großbritannien feiert 70 Jahre Queen: „Was? In ihrem Alter?“
       
       > Was wissen und denken eigentlich Schulkinder in London über die
       > 96-jährige Queen, deren 70. Thronjubiläum ansteht? Die taz hat
       > nachgefragt.
       
   IMG Bild: Auffällige Hüte gehören zur royalen Garderobe wie Corgihunde zu Queen Elizabeth II
       
       London taz | Im Londoner Stadtteil Islington unterhalten sich
       Schüler:innen der St.-Paul’s-Steiner-Schule, sie sind alle zwischen 12
       und 14 Jahre alt, über Queen Elizabeth II. Wozu gibt es die überhaupt?
       Aufgeregte Rufe kommen aus allen Ecken.
       
       Delilah in der vordersten Reihe meldet sich: „Damit sie Touristen anlockt
       und damit sie sich für gute Zwecke einsetzt.“ Außerdem, weiß sie, ist die
       Königin der Kopf der anglikanischen Kirche. Peggy, die weiter hinten sitzt,
       ist sich sicher, dass die Queen Schirmherrin von verschiedenen
       Wohlfahrtsvereinen ist und ihnen Geld gibt, und dass sie Ansprachen hält.
       „Ja genau, wie die Weihnachtsrede“, ruft die zwölfjährige Rose dazwischen,
       während Uma und Lemon anmerken, dass die Queen auf einem goldenen Stuhl
       thront.
       
       Doch plötzlich kommt die Gruppe ins Stocken. „[1][Wer ist Harry]?“ wurde
       als Frage gestellt. Mack, aus der zweiten Reihe, gesteht, dass er das nicht
       weiß. Ziporah klärt alle auf: „Das ist der Bruder von William, dem
       zukünftigen König und Sohn von Prinz Charles und Prinzessin Diana.“
       
       In den nächsten Minuten geben die Kinder ihr Wissen über die Queen zum
       Besten: Die „alte Oma“ mag Pferde und [2][hat Corgihunde] und fährt zur
       Jagd mit Ross und Hunden nach Balmoral in Schottland. Und einiges sagen die
       Kinder, was nicht stimmt: etwa, dass ihre Eltern der reichen Queen 20
       Prozent Steuern zahlen müssen.
       
       ## Fühlen die Schüler:innen sich durch die Queen vertreten?
       
       Die taz hat diese Gruppe von 14 Schüler:innen anlässlich des 70.
       Thronjubiläums der Queen zusammengebracht, um herauszufinden, was eine
       willkürlich gewählte Gruppe Kinder über diese weiß.
       
       Ganz Großbritannien ist dieser Tage mit Union Jacks geschmückt, dazu gibt
       es in den kommenden Tagen Militärparaden, Feiern, Leuchtfeuer, Konzerte
       sowie Straßen- und Gartenfeiern. In der Schule erzählt Delilah, dass sie
       ihre Freundinnen zu einer Jubilee-Übernachtung eingeladen hat, weil da, wo
       sie wohnt, ein tolles Straßenfest stattfinden soll.
       
       Man könnte meinen, dass dieses Land dem Bann der Queen und Royals weiterhin
       und vollkommen verfallen zu sein scheint. Laut einer Meinungsumfrage stehen
       allerdings bloß 60 Prozent aller Brit:innen solide hinter der Monarchie.
       Was ist das für eine Königin, diese Queen? Fühlen sich die Kinder durch die
       Queen vertreten?
       
       Nein, sie symbolisiert höchstens das Land als Ganzes, weiß die Gruppe. Was
       Livia besonders interessiert, ist, dass sie gehört hat, dass die heutige
       Königin nicht mehr so viel Macht hätte wie ihre Vorfahren. Lorenzo
       bestätigt das: „Ja früher, da haben Könige im Zeitalter der
       Entdeckungsreisen Schiffe kommandiert.“ Auf direkte Frage bestätigen alle
       im Klassenzimmer, dass der Premierminister mehr zu sagen hat als die Queen,
       die selber keine politische Meinung äußern dürfe. Aber „die Queen könnte,
       wenn sie wollte, trotzdem [3][Boris Johnson] feuern“, berichtet Lorenzo.
       
       ## Und wer ist eigentlich Prinz Charles' Frau?
       
       Sind die Queen und die Monarchie denn etwas Gutes? „Ja, weil sie half im
       Krieg, da war sie Automechanikerin und hat Autos repariert“, meldet sich
       Rose und fügt hinzu, dass andere Familienmitglieder der königlichen Familie
       „nicht so viel Gutes tun“.
       
       Während die Gruppe klar Prinz Charles als Thronfolger der Queen
       identifiziert – das wird eintreten, wissen die Kinder, nach einigen
       Trauertagen, wo es keine Schule gibt und alle Journalist:innen schwarz
       tragen müssen –, rätseln sie über seine Frau. Ist das die Herzogin von
       Wales oder die Herzogin von Cambridge, und wie heißt sie noch mal mit
       Vornamen?
       
       Schließlich fällt es Ziporah ein: „Camilla, die Herzogin von Cornwall.“
       Doch ob Camilla, wenn Prinz Charles König wird, selber auch eine Königin
       sein wird, sorgt wieder für rege Diskussion.
       
       Und als dann in einer Nebenbemerkung herauskommt, dass die Königin das
       Oberhaupt des britischen Heeres ist, ist zumindest Lorenzo vollkommen
       platt. „Was? In ihrem Alter? Hey, ehrlich, sollten das nicht lieber Leute
       machen, die zum Kämpfen ausgebildet sind?“
       
       ## Weiterhin ein Thema in vielen Schulfächern: Die Royals
       
       Zoe Baker, Erziehungs- und Fortbildungsleiterin der britischen
       Bürgerlehrvereinigung ([4][Association for Citizenship Teaching]), erklärt,
       dass das Thema der Royals im Schulunterricht in vielen Fächern vorkommt,
       etwa Geschichte, Englisch oder Religion. Mögen bei kleineren Kindern noch
       sinnliche Themen wie Thron oder Kronjuwelen zur Veranschaulichung dienen,
       sei in der 11. Klasse für die Mittlere Reife detaillierteres Wissen
       gefragt, etwa die Unterschiede zwischen einer absoluten Monarchie und einer
       konstitutionellen Monarchie, warum andere Länder Monarchien abgeschafft
       haben, oder die Bedeutung der britischen Krone im Commonwealth im
       Zusammenhang mit der Geschichte des Empire und der
       [5][Entkolonialisierung].
       
       Die meisten wüssten einiges über die Royals, meist aus den Medien, sagt
       Baker – aber der Unterricht über die Queen sorge immer wieder für
       Überraschungen. „Viele Kinder sind sich beispielsweise überhaupt nicht
       bewusst, dass sie Untertanen der Königin sind.“
       
       Sie nennt den Trubel um das Jubiläum als idealen Moment, um mit Kindern
       über Derartiges zu sprechen. „Für Kinder sind Erklärungen und das Verstehen
       von Zusammenhängen wichtiger als das Schwenken von Fähnchen“, sagt die
       Pädagogin. „Es geht darum, die Veränderungen innerhalb der langen
       Regierungszeit der Queen zu verstehen sowie die vielen verschiedenen
       Gesetze, die unter ihr entstanden sind, und die Zahl der verschiedenen
       PremierministerInnen, die ihr dienten.“
       
       In der Schule in Islington findet Peggy aber noch etwas anderes wichtig:
       „Wegen der Queen haben wir eine Ausrede, eine Party zu feiern.“ Und soll es
       auch in Zukunft eine Königin geben? Diese Frage beantwortet die Gruppe mit
       einem eindeutigen Ja. „Wir können ja die Queen nicht einfach aus den Palast
       jagen“, bemerkt Delilah.
       
       2 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Meghan-und-Harry-im-Oprah-Interview/!5756267
   DIR [2] https://www.theguardian.com/uk-news/2018/apr/18/the-queens-corgis-are-dead-long-live-the-dorgis
   DIR [3] /Partygate-Bericht-veroeffentlicht/!5857230
   DIR [4] https://www.teachingcitizenship.org.uk
   DIR [5] /Nobelpreis-fuer-Abdulrazak-Gurnah/!5801224
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
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