# taz.de -- Südkoreas Linke verliert erneut: Erfolgreiche Coronapolitik reicht nicht
> In Südkoreas Städten und Provinzen siegen die Konservativen bei den
> Kommunalwahlen erdrutschartig. Die Wahlbeteiligung ist niedrig.
IMG Bild: In Südkorea feiern die Konservativen, in der Mitte deren Vorsitzender Lee Jun Seok
International ist Südkoreas Kommunalwahl vom Mittwoch wenig beachtet
worden. Und doch hat sie Geschichte geschrieben: Mit Cha Hae-yeong hat
erstmals eine offen queere Kandidatin einen Sitz im Bezirksrat gewonnen.
Die 35-Jährige von der linksliberalen Partei Minjoo („Demokratische
Partei“) setzte sich im Mapo-Bezirk in der Hauptstadt Seoul durch. Sie
wolle dabei helfen, „die Diskriminierung und den Hass in der Gesellschaft
zu verändern“, sagte sie.
Doch ihr politisches Lager, das mit Moon Jae-in noch bis vor kurzem den
Präsidenten stellte, erlitt eine herbe Niederlage. Die Konservativen, die
inzwischen [1][Moons Nachfolger Yoon Suk Yeol stellen], gewannen in 12 der
17 großen Städte und Provinzen, darunter auch in Seoul und der Küstenstadt
Busan. Bei der letzten Wahl hatte das linke Lager noch 14 dieser 17
Führungsposten geholt.
Präsident Yoon interpretierte die Wahl als demokratische Bestätigung seiner
Politik. „Das dringlichste Anliegen ist die Wiederbelebung der Wirtschaft“,
ließ er erklären.
In der Tat dominieren traditionell ökonomische Themen den politischen
Diskurs. Südkorea, das [2][epidemiologisch vorbildlich und wirtschaftlich
solide durch die Pandemie kam], erlebt derzeit einen Post-Corona-Frühling:
In Seouls traditionellem Jongro-Bezirk sind die Grill-Restaurants voller
denn je und auch die Clubs im Ausgehviertel Itaewon sind wieder geöffnet.
## Rückkehr zur Normalität
Der Alltag ist vollkommen wieder hergestellt, nur weiterhin getragene
Masken erinnern an die Pandemie. Mehr noch: Es ist, als wollten junge
Koreanerinnen und Koreaner die verlorene Zeit der letzten zwei Jahre nun
mit voller Euphorie nachholen.
Dass das Land ohne Lockdown durch die Pandemie kam, ist eines der großen
Verdienste von Ex-Präsident Moon. Doch scheint dies vergessen.
Insbesondere junge Männer wandten sich in Scharen dem konservativen Lager
zu. Ihre Enttäuschung wurzelt vor allem in der gescheiterten
Immobilienpolitik unter dem linken Ex-Präsidenten. Dieser wollte den
aufgeheizten Markt mit Preisdeckeln und Reformen entschleunigen, doch
erreichte er das Gegenteil.
## Geringste Wahlbeteiligung seit über 20 Jahren
Miet- und Immobilienpreise schossen im Rekordtempo in die Höhe. In Seoul
kann sich inzwischen niemand mit einem Angestelltenlohn allein und ohne
reiche Eltern ein eigenes Apartment leisten.
Hinzu kamen mehrere Skandale innerhalb der Parteiführung, die von
Korruption bis hin zu sexueller Belästigung reichen. Dabei wird der
Minjoo-Partei besonders wenig verziehen, gab sie sich doch zuvor als
besonders sauber und vorbildlich.
Wie nachhaltig der politische Umschwung nach rechts ist, wird sich noch
zeigen. Bislang hält das progressive Lager immerhin noch eine Mehrheit in
der Nationalversammlung.
Auch wenn zur Wahl traditionell ein Feiertag ausgerufen wurde, lag die
Beteiligung jetzt nur bei 50,9 Prozent – der niedrigste seit über 20
Jahren.
Dennoch steht der lebhafte Zustand der südkoreanischen Demokratie außer
Frage: Das Recht auf freie Wahlen, das sich die Südkoreaner vor 35 Jahren
erkämpften, wird weiterhin von der Gesellschaft als hohes Gut zelebriert.
3 Jun 2022
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## AUTOREN
DIR Fabian Kretschmer
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