URI: 
       # taz.de -- Doppelhaushalt für Berlin steht: Geld für die Lieblingsprojekte
       
       > Rot-Grün-Rot einigt sich auf den Haushalt. Jede Partei bekommt ein paar
       > Schmankerl, schließlich ist dank positiver Steuerschätzung doch genug
       > Geld da.
       
   IMG Bild: Die steigenden Energiepreise schlagen sich auch im Berliner Doppelhaushalt nieder
       
       Berlin taz | Raed Saleh spart nicht mit feucht-fröhlichen Phrasen an diesem
       frühen Montagmorgen. Die Bezirke könnten den Sekt kalt stellen und einen
       „großen Schluck aus der Pulle“ nehmen, auch gebe es ein
       „bildungspolitisches Feuerwerk“, kündigt der SPD-Fraktionsvorsitzende an.
       Saleh – und seine Kolleg*innen von Grünen und Linken – sparen auch nicht
       an Geld, denn genau darum geht es bei dieser Pressekonferenz im
       Abgeordnetenhaus: Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf [1][den
       Doppelhaushalt für 2022 und 2023] geeinigt.
       
       Und jede Fraktion hat ein bisschen was bekommen, um damit vor der eigenen
       Wähler*innenklientel glänzen zu können. Rund 100 Millionen Euro
       Spielraum pro Jahr hatte jede zur Verfügung. Das trug auch dazu bei, dass
       die Verhandlungen weniger konfliktreich abliefen und früher endeten als von
       allen erwartet.
       
       Der Grund für den Spielraum: positive Steuerschätzungen bis weit in die
       2020er-Jahre hinein. Für dieses und das kommende Jahre versprechen sie ein
       Plus von knapp 2,2 Milliarden Euro versprechen. Und so kann der Haushalt
       2022 auf rund 37,4 Milliarden Euro wachsen, für 2023 sind sogar 37,8
       Milliarden Euro veranschlagt. „Das zeigt: Wir sparen uns nicht aus der
       Krise“, betont Saleh. „Wir investieren in die Zukunft,
       verantwortungsbewusst und solide.“
       
       Dann zählt er die Vorzeigeprojekte auf. So gibt es mit 3 Millionen Euro
       massiv zusätzliches Geld für die Polizeiwache am Kottbusser Tor in
       Kreuzberg, das Herzensprojekt von SPD-Innensenatorin Iris Spranger; in die
       Planungen für den Ausbau des U-Bahnnetzes werden 15 Millionen Euro mehr
       gepumpt als bisher geplant, ebenso viel soll zusätzlich in den Ausbau der
       Kitas gepackt werden, die wahrscheinlich aufgrund der Ukrainekrise viel
       mehr Kinder aufnehmen müssen. Die Berliner Stadtreinigung bekommt 4
       Millionen Euro für die Sperrmüllbeseitigung, und [2][das
       Einbürgerungszentrum soll auch umgesetzt] werden. Alles Punkte, die sich
       vor allem die SPD auf die Fahne geschrieben hat. „Die Stadt ist bei uns in
       guten Händen“, erklärt Saleh dann auch.
       
       Für die Grünen verkündet Fraktionschefin Silke Gebel ein „Green
       Hospital“-Programm. Krankenhäuser sollen damit Unterstützung bekommen, um
       die sich stetig verteuernde Energie sowie CO2 einzusparen. Der
       erfolgreiche, weil bereits komplett verwendete Ankaufsfonds für Grünflächen
       werde laut Gebel wieder mit 7 Millionen Euro ausgestattet.
       
       Auch für die Verkehrswende gibt es mehr Mittel: Künftig könnten Rufbusse in
       den Außenbezirken die Anbindung verbessern; mehr Geld werde auch in Rad-
       und Fußverkehr gepackt, sagt Co-Fraktionschef Werner Graf. Und vor allem
       sollen die Bezirke einen Topf mit insgesamt 30 Millionen Euro erhalten, um
       Veränderungen im Verkehrsraum gleich umfassend machen zu können, sprich zum
       Beispiel bei der Abschaffung von Parkplätzen die entsprechenden Flächen
       auch entsiegeln.
       
       ## Mehr Geld für „Housing first“
       
       Den Linken bleibt wie so oft in diesen Koalitionsrunden der Part fürs
       Soziale. 23 Millionen Euro sollen in das Projekt „Housing first“ zur
       Vermeidung und Verringerung von Obdachlosigkeit gesteckt werden, sagt
       Fraktionschefin Anne Helm. Auch für Antidiskriminierung gibt es 8 Millionen
       on top. Und 2023 gebe es rund 17 Millionen Euro, um mehr pädagogisches
       Personal in die Schulen zu bringen, in „multiprofessionellen Teams“, wie
       Co-Fraktionschef Carsten Schatz erläutert.
       
       Dann sind da natürlich die ganz großen Projekte, für die Rot-Grün-Rot
       gemeinsam einsteht (für die anderen macht die Koalition das offiziell
       natürlich auch, aber bisweilen mit einem dezenten Augenrollen). Einer der
       wichtigsten Posten: Insgesamt 380 Millionen Euro sollen als Rücklage
       geparkt werden, um Härten durch die steigenden Energiekosten aufzufangen,
       sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich, wie Saleh erläutert.
       Vorsorge zu treffen sei wichtig; das habe Corona gezeigt.
       
       Wie die Unterstützung konkret aussehen soll; ab wann etwa ein
       Privathaushalt, der wegen hoher Strom- oder Gaskosten in Not geraten ist,
       auf Unterstützung aus dieser Rücklage hoffen kann, müsse der Senat noch
       ausarbeiten, so der SPD-Fraktionschef weiter. Er nannte als Modell einen
       Fonds der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nach dem Aus für den
       Mietendeckel 2021, aus dem Mieter*innen Hilfen für Nachforderungen von
       Vermieter*innen bekommen konnten.
       
       Überhaupt schlagen sich die Krisen im Haushalt deutlich nieder. Für die
       Versorgung und Integration von Geflüchteten nicht nur, aber vor allem aus
       der Ukraine plant Rot-Grün-Rot bis zu 650 Millionen Euro ein. Schließlich
       wisse man derzeit weder, wie lange der Konflikt andauere, noch welche
       finanziellen Hilfen der Bund übernehmen werde, heißt es unisono.
       
       Und dann bleiben da die Folgen der Coronapandemie. Um die Kliniken der
       Stadt krisenresilienter zu machen, erhalten diese zum einen zusätzliche
       Gelder in Höhe von rund 50 Millionen Euro in beiden Jahren, plus die vom
       Land gedeckte Möglichkeit, sich rund 240 Millionen Euro über Kredite am
       Kapitalmarkt zu leihen. „Das zeigt, dass wir aus den Herausforderungen aus
       Corona lernen“, sagt dazu Linksfraktionschef Carsten Schatz.
       
       ## Sparen macht nicht Schule
       
       Noch mal die Kurve gekriegt hat die Koaliton [3][im Bereich Schule]. Erst
       hatte die [4][geplante teilweise Abschaffung des so genannten
       Verfügungsfonds] für laute Proteste der Schulleiter*innen gesorgt; mit
       diesem Geld können die Schulen selbstverantwortlich zum Beispiel Projekte
       und Pädagog*innen dafür bezahlen. Dann gab es Debatten, ob die von
       Rot-Grün-Rot seit 2016 als Prestigeprojekt beworbene Schulbauoffensive ins
       Stocken kommen könnte.
       
       Davon soll nicht mehr die Rede sein: 200 Millionen Euro zusätzlich gibt es
       für Neubau, Erweiterung und Sanierung der Schulen. „Alle geplanten
       Maßnahmen werden auf den Weg gebracht werden können“, sagt Schatz. Es drohe
       kein Rückstau. Auch der Verfügungsfonds bleibt bestehen, was Kosten von 15
       Millionen Euro bedeutet. Und nachdem aktuell spekuliert wird, ob dem Land
       in diesem Jahr rund neue 1.000 Lehrer*innen fehlen werden, bessert die
       Koalition auch hier noch mal nach. Zusätzlich zu den Mehrausgaben für
       Lehrkräfteausbildung werde es eine Studie geben, warum Berlins
       Universitäten faktisch zu wenige Lehrkräfte ausbilden.
       
       Bleiben die Bezirke: Sie waren die ersten gewesen, die massiv gegen den
       Entwurf von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) geschossen hatten; acht
       Bürgermeister*innen, darunter auch eine Grüne, hatte einen offenen Brief
       formuliert: Von Wesener vorgesehen Einsparung würden ihnen die letzte
       Handlungsfreiheit nehmen. Der Senator hatte diese Kritik stets
       zurückgewiesen.
       
       Dennoch kündigt Raed Saleh am Montag an, dass man die „Sparvorgaben für die
       Bezirke auflösen“ werde; das entspreche einer Entlastung von 110 Millionen
       Euro.
       
       Bei diesen vielen Mehrausgaben blieb am Ende die Frage, ob die Koalition
       auch irgendwo etwas einspare. Nein, mache man nicht, sagt Torsten
       Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Damit ist
       Schneider übrigens ganz auf Linie mit dem Finanzsenator selbst, der seit
       seinem Amtsantritt im Dezember die Devise ausgibt: „Gespart wird nicht.“
       Auch wenn das manche Beteiligte anders gesehen haben.
       
       23 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Etatdebatte-im-Abgeordnetenhaus/!5840475
   DIR [2] /Debatte-im-Abgeordnetenhaus/!5852180
   DIR [3] /Kuerzungen-bei-Schulbau-befuerchtet/!5852435
   DIR [4] /Gelder-fuer-Berlins-Schulen/!5851363
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Haushaltsgesetz
   DIR Berlin
   DIR Abgeordnetenhaus
   DIR Raed Saleh
   DIR Schulbau
   DIR Schulbau
   DIR Franziska Giffey
   DIR Kitaplätze
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR Schulbau
   DIR Daniel Wesener
   DIR Daniel Wesener
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Probleme beim Schulbau in Berlin: Eine einzige Baustelle
       
       Berliner Bezirke müssen mit weniger Geld für den Schulbau auskommen. In
       Mitte verzögert das Hunderte neue Schulplätze um mindestens fünf Jahre.
       
   DIR Schulplatzmangel in Berlin: Große Pause statt Bauoffensive
       
       Obwohl die Schulbauoffensive seit Jahren läuft, kommt man nicht aus der
       Defensive. In Mitte kämpft das Schulamt gegen Personalnot und
       Fehlplanungen.
       
   DIR Abgeordnetenhaus beschließt Haushalt: Mit Rekord-Etat in die Sommerpause
       
       Regierungschefin Giffey (SPD) verteidigt im Abgeordnetenhaus sich und den
       neuen Haushalt, CDU-Fraktionschef Wegner die Geringverdiener.
       
   DIR Inflation bremst Kitaplatzausbau: Kitas dürfen nur ein bisschen wachsen
       
       Für den Kitaplatzausbau stellt Rot-Grün-Rot 15 Millionen Euro mehr zur
       Verfügung. Das sei angesichts der Inflation zu wenig, fürchten
       Expert*innen.
       
   DIR Debatte im Abgeordnetenhaus: Saleh drängt Grüne
       
       SPD-Fraktionschef will die neue zentrale Einbürgerungsbehörde im Haushalt
       festschreiben, die Grünen wollen erst mal ein Konzept haben.
       
   DIR Kürzungen bei Schulbau befürchtet: Eine Verlustrechnung
       
       Um die Haushaltsmittel für den Schulbau wird hart gerungen. Als Bedingung
       für mehr Geld verlangt die Finanzverwaltung jetzt genauere Bedarfszahlen.
       
   DIR Gelder für Berlins Schulen: Lehrstück, wie Politik funktioniert
       
       Die Schulen liefen Sturm gegen den Plan, flexible Gelder zu streichen. Nun
       zog der SPD-Fraktionschef die Notbremse. Ein Wochenkommentar.
       
   DIR Etatdebatte im Abgeordnetenhaus: Zweimal 36 Milliarden
       
       Der Finanzsenator stellt den neuen Haushalt vor. CDU will mehr Vorsorge in
       Sachen Ukraine, FDP drängt, für Radwege geplantes Geld auch auszugeben.
       
   DIR Berlins Finanzsenator über Krisen: „Sorgenfrei ist man in dem Job nie“
       
       Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) muss mit den Kosten der Pandemie und
       den Folgen des Ukrainekriegs umgehen. Wie steht Berlin finanziell da?