URI: 
       # taz.de -- Soziale Gerechtigkeit und Bahnfahren: 9-Euro-Ticket legt Privilegien offen
       
       > Zugfahren wird zu häufig klimapolitisch diskutiert und zu selten als
       > Frage der sozialen Gerechtigkeit. Dabei hat die Bahn soziale Auslese
       > betrieben.
       
   IMG Bild: Jenseits des 9-Euro-Tickets ist Bahnfahren für viele noch immer sehr teuer
       
       Ein Elternpaar aus Hagen möchte mit dem 16-jährigen Sohn in Köln spontan
       ein wenig shoppen und später die Oma besuchen. Die Bahn hat dazu ein tolles
       Angebot: das Schöner-Tag-Ticket NRW. Dieser Supersparpreis für die
       einstündige Fahrt kostet hin und zurück 45,70 Euro. Im Flixbus schlägt
       dieselbe Strecke mit der Hälfte zu Buche. Hat die Familie ein Auto oder
       kann sie eines leihen, kommt sie mit den reinen Benzinkosten noch billiger
       weg.
       
       Mobilität ist eine Frage des Geldes und Bahnfahren das Privileg jener, die
       nicht auf jeden Euro schauen müssen. Alle übrigen verzichten häufig ganz
       auf den Ausflug nach Köln oder suchen günstigere Alternativen. Und dann kam
       das [1][9-Euro-Ticket]. So also sieht die Welt aus, wenn sich alle die
       Fahrkarten leisten können. Für manche reguläre Bahnfahrer*innen ist es
       ein Schock, weil jetzt klar wird, dass die Fahrt mit dem Zug bisher sozial
       ausgrenzend war (und nur vorübergehend nicht ist).
       
       Zugfahren wird zu häufig als klimapolitische Notwendigkeit diskutiert und
       zu selten als Frage der sozialen Gerechtigkeit. Die Deutsche Bahn gehört
       dem Staat und damit allen Bürger*innen. Doch über Jahrzehnte haben die
       hohen, teilweise [2][horrenden Preise] dafür gesorgt, dass hier eine
       soziale Auslese betrieben wurde.
       
       Der Nachholbedarf ist gewaltig, denn ein gerechter Zugang zum
       Verkehrsmittel Bahn erfordert so viel mehr als neue Schienen, mehr Züge und
       einen Aus- und Umbau auf allen Ebenen. Es muss gleichzeitig dafür gesorgt
       werden, dass [3][Zugtickets dauerhaft für alle Bevölkerungsschichten
       bezahlbar] sind.
       
       Und sicher – auch darüber wird viel zu wenig reflektiert: Frauen und
       Mädchen haben ein Recht darauf, frei von sexualisierter Belästigung oder
       Übergriffen mit dem Regionalzug unterwegs zu sein – egal zu welcher
       Tageszeit. Gleiches gilt für andere vulnerable Gruppen.
       
       All das wird viel Geld kosten, doch auch andere Bereiche des öffentlichen
       Lebens werden staatlich subventioniert, weil sie dem politischen Willen
       entsprechen. Nicht nur die Grünen, sondern auch der Mann, der sich
       Klimakanzler nennt, will Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammen
       denken. Wer die Gesellschaft verändern will, muss auch den Mut haben,
       Prioritäten neu zu setzen.
       
       Das 9-Euro-Ticket wirft deshalb nur ein Schlaglicht auf das, was die
       Deutsche Bahn sein könnte: ein bequemes, zeitgemäßes, klimafreundliches und
       sozial gerechtes Fortbewegungsmittel.
       
       Und ja, es klingt wie eine Utopie.
       
       7 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nahverkehrsmanager-ueber-9-Euro-Ticket/!5854958
   DIR [2] /Preiserhoehungen-bei-der-Bahn/!5801305
   DIR [3] /Geplantes-9-Euro-Monatsticket/!5841578
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Silke Mertins
       
       ## TAGS
       
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Soziale Gerechtigkeit
   DIR Verkehrswende
   DIR Schwerpunkt Armut
   DIR 9-Euro-Ticket
   DIR IG
   DIR klimataz
   DIR ÖPNV
   DIR ÖPNV
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Deutsche Bahn
   DIR Kolumne Unisex
   DIR Deutsche Bahn
   DIR 9-Euro-Ticket
   DIR ÖPNV
   DIR Kolumne Materie
   DIR Kolumne Habibitus
   DIR Deutsche Bahn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Günstiger ÖPNV nach dem 9-Euro-Ticket: Möglichkeitsfenster nutzen!
       
       Plötzlich fordert sogar Markus Söder günstigen Nahverkehr nach dem
       9-Euro-Ticket. Gut so.Nur leider bremst FDP-Verkehrsminister Volker
       Wissing.
       
   DIR Debatte ums 9-Euro-Ticket: Unbedingt verlängern
       
       Der 9-Euro-Versuch hat zwar den Autoverkehr nicht deutlich eindämmen
       können. Das Ticket ist trotzdem ein Erfolg, denn es verschafft allen
       Mobilität.
       
   DIR Debatte um das 9-Euro-Ticket: Bloß nicht verlängern
       
       Das 9-Euro-Ticket ist reine Geldverschwendung. Niemand steigt auf die Bahn
       um, die Schnäppchenjäger reisen einfach nur mehr.
       
   DIR Desolate Lage der Deutschen Bahn: Es rumpelt überall
       
       Die Deutsche Bahn ist heute in viel schlechterem Zustand als vor 20 Jahren.
       Es müsste massiv investiert werden – an anderen Stellen als geplant.
       
   DIR Manspreading in Bus und Bahn: Knie an Knie kuscheln
       
       Nun ist es noch enger in Zügen, und vor allem cis Männer machen sich ja
       gerne mal breit. Ein kleiner Überblick, bei welchen Typen das schon okay
       ist.
       
   DIR Desolate Lage der Deutschen Bahn: Die Bahn wird zur Chefsache
       
       Verkehrsminister Wissing will im DB-Konzern stärker mitmischen.
       Schienensanierungen sollen klüger geplant werden. Die Verkehrsbranche ist
       skeptisch.
       
   DIR Neun-Euro-Ticket an Pfingsten: Stresstest bestanden
       
       Meldungen von überfüllten Zügen und gesperrten Bahnsteigen rücken das
       Neun-Euro-Ticket in ein schlechtes Licht. Nur: So schlimm war es gar nicht.
       
   DIR Das Neun-Euro-Ticket im Pfingst-Test: In vollen Zügen genießen
       
       Alle reden vom Neun-Euro-Ticket. Und nun, nach dem ersten Wochenende: Hat
       es seinen Praxistest bestanden? Eindrücke vom Bodensee bis Sylt.
       
   DIR Verkehrswende: 9-Euro-Ticket? Lieber Lastenrad!
       
       Das 9-Euro-Ticket ist ein schönes Experiment. Aber revolutionieren wird den
       Verkehr nur das Lastenrad.
       
   DIR Mit 9-Euro-Ticket zur Beachparty: Sylt, wir kommen!
       
       Alle reden über die Insel. Die einen wollen hin, die anderen wollen ihre
       Ruhe und ihren Champagner für sich. Wie gut wäre die Party vor Ort
       wirklich?
       
   DIR Bahninitiativen fordern Klimaticket: Deutsche Bahn unter Zugzwang
       
       Bahninitiativen kritisieren, dass der Staatskonzern seine Stammkunden
       vernachlässige. Sie fordern ein Klimaticket – nach österreichischem
       Vorbild.