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       # taz.de -- Performance über Reptiloide: Gefährliche Infektionen
       
       > Eine Annäherung an die Welt der Verschwörungen und der Manipulation
       > bietet die Performance „Schöpferwissen“ von Internil im td Berlin.
       
   IMG Bild: Die Stimmung des Unheimlichen ist auch Motiv für das Plakat von „Schöpferwissen“
       
       Mit Namensschild versehen und mit eigenem Becher und Stift bestückt sitzen
       wir, die Besucher:innen der Performance „Schöpferwissen“ im td Berlin,
       an einer langen Tafel. Dort versammelt, startet die Schulung. Erster Teil:
       Der programmierte Mensch. Es folgt eine Filmsequenz aus „Schöpferwissen
       TV“, in der die Stimmen der Protagonist:innen Thomas und Julia
       nachgesprochen werden. Die Filmsequenzen werden die Basis aller folgenden
       Lektionen sein.
       
       Wir sehen, wie Seminarteilnehmer:innen in Thailand zu
       „Schöpferwissen“ kamen: Oft brachte sie dahin ein Gefühl des Scheiterns an
       den Forderungen der Gesellschaft, in der wir alle leben, und der
       Entfremdung von sich selbst. In der Folge hören wir Geschichten über den
       Einfluss der Matrix auf die Materie, Magnetismus und die Steuerung der
       Geschehnisse von außen. Vor allem geht es um unsere von „denen“ gesteuerten
       Gedanken und darum, wie es gelingen könnte, bewusst nicht zu denken.
       
       Die Schulung, in der wir uns hier befinden, ist Teil der Performance
       „Schöpferwissen“ von internil, die am 21.Mai im td (vormals
       Theaterdiscounter) ihre Premiere hatte. Christopher Hotti Böhm, Marina
       Dessau, Christian Römer und [1][Arne Vogelgesang von internil] greifen die
       Videobotschaften und Schulungsinhalte der oben erwähnten
       Protagonist:innen, bei denen es sich um reale Personen handelt, auf und
       zeigen sie als Teil eines globalen Netzwerks, das ideologische Geschäfte
       mit der Wahrheit betreibt.
       
       Die Besucher:innen werden hierbei selbst zu Teilnehmer:innen einer
       Schulung über die Schulung. Wichtiger Bestandteil: Wie bei „Schöpferwissen
       TV“ ist auch bei uns die Kamera immer mit dabei, wir werden permanent
       beobachtet. Beim Betreten des Raumes war es dem Publikum scheinbar
       freigestellt worden, zu Teilnehmer:innen der Schulung zu werden oder
       das Geschehen aus der Distanz von außen zu beobachten. Alle hatten sich für
       die Teilnahme entschieden. Im Nachhinein fragt man sich, wie die
       Performer:innen das eigentlich geschafft haben.
       
       ## Vor Urzeiten auf der Erde gelandet
       
       Zurück zu den von „denen“ gesteuerten Gedanken: [2][Mit „die“ sind
       Reptiloide gemeint, die vor Urzeiten auf der Erde gelandet sein und seitdem
       die Menschheit manipulieren und versklaven sollen.] Es war die Überzeugung
       von deren Existenz, die Thomas und Julia zusammenbrachte, lernen wir.
       Thomas entwarf daraufhin eine eigene Lehre inklusive mehrerer
       Youtube-Kanäle, verfasste ein Buch, das sich gut verkaufte und viel Geld
       einbrachte, und gründete ein Seminarzentrum in Thailand.
       
       Insgesamt 3.800 Folgen gibt es allein vom Kanal „Schöpferwissen TV“, von
       dem aus Thomas und Julia seit 2015 über „den programmierten Menschen“,
       Nanobots, wahre Freiheit oder „das strukturierte Prinzip der Liebe“
       aufklären. Der Begriff des „Schöpferwissens“ leitet sich übrigens ab aus
       der Lehre des russischen Wissenschaftlers Grigori Petrowitsch Grabovoi,
       welcher die Rettung und ewige harmonische Entwicklung der Menschheit
       anstrebt.
       
       In den folgenden Lektionen der Schulung soll das Publikum die Psyche der
       Protagonist:innen begutachten. Während wir Strichmännchen malen, um
       Thomas' bevorzugte Körperhaltung darzustellen, studieren die vier
       internil-Performer:innen jede:n Einzelne:n von uns intensiv. Jede
       Änderung der Körperhaltung wird sofort registriert. Ein mulmiges Gefühl
       kommt auf.
       
       ## Ekel verbindet
       
       Der nun folgende Punkt im Programm ist womöglich die größte Herausforderung
       für das Publikum. Es geht um „Parasiten und Implantate im eigenen Körper“
       und deren Entfernung. In der Filmsequenz sehen wir Thomas, wie er sich
       mithilfe einer Pinzette eine dicke eitrige Krone von einem seiner diversen
       Haut-Ekzeme abzieht. Parallel dazu sitzt ein internil-Performer direkt in
       unserer Nähe und tut Selbiges. Seine blutigen Tücher landen auf dem Tisch.
       
       War bisher unter uns Besucher:innen eine deutliche Distanz zu den in
       den real existierenden Videos vermittelten Inhalten und auch zur eigenen
       Teilnahme an der Schulung über die Schulung spürbar, so scheint diese
       Distanz in dieser Lektion zu schwinden.
       
       Die letzte Lektion der Schulung behandelt „das strukturierte Prinzip der
       Liebe“. Bei „Schöpferwissen TV“ erzählt Thomas etwas über die Übernahme der
       Menschen durch Nanobots. Julia, seine Freundin, hätte Tötungsmechanismen in
       ihrem Blut und hätte ihn beim Sex „infiziert“. Thomas bezeichnet Sexualität
       als „barbarisch“; „die“ (die Reptiloiden) würden die krankhafte
       Abhängigkeit der Menschen vom Sex nutzen, um ihre Tötungsmechanismen unter
       ihnen weiterzuverbreiten. Er selbst habe immer bedingungslose Liebe für
       alle gleichermaßen gelebt (das ist unter „strukturierter Liebe“ zu
       verstehen).
       
       Dann erklärt er, er sei der einzige „echte“ Mensch und müsse laufend den
       Job der Transformation schlechter Energie erfüllen, da ja alle anderen eben
       kein reines Herz hätten. In einem direkt im Anschluss folgenden Video kommt
       Julia zu Wort. Sie glaubt Thomas und sagt, sie ließe sich deshalb auch
       bereitwillig von Thomas anschreien und beschimpfen. Schließlich meine
       Thomas ja nicht sie als Menschen, sondern nur ihre unmenschlichen,
       fremdgesteuerten Anteile.
       
       ## Informationen gesammelt
       
       Damit endet die Schulung. Die Performer:innen bedanken sich für unsere
       Teilnahme und dass wir ihnen so viele wertvolle Informationen über uns
       geliefert hätten: Wir sehen Videoaufnahmen unserer Schulung über die
       Schulung. Zurück bleibt ein verwirrtes Gefühl: Einerseits waren einige der
       uns in den Videosequenzen präsentierten Inhalte schlichtweg brüllend
       komisch, es fiel leicht, hier die Distanz zu wahren. Aber wir waren in der
       selben Situation wie die Teilnehmer:innen der real existierenden
       Schulungen in Thailand, und ganz sicher wurden auch wir auf die ein oder
       andere Art und Weise manipuliert, die wir vielleicht noch nicht einmal
       bemerkt haben.
       
       Was bleibt? Ein leichter Grusel und eine Traurigkeit darüber, wie Menschen,
       die eigentlich „nur“ unglücklich waren und nach Erfüllung im Leben, nach
       Echtheit, nach „Wahrheit“ suchten, in derart destruktive Prozesse rutschen
       konnten. Vielleicht zeigt die Performance auch, dass Menschen gerade da
       manipulierbar sind, wo sie sich am sichersten wähnen und meinen, die Dinge
       zu durchschauen.
       
       25 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Archiv-Suche/!5722478&s=Arne+Vogelgesang&SuchRahmen=Print/
   DIR [2] /Verschwoerungsmythen-und-Sci-Fi/!5794269
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Annika Glunz
       
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