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       # taz.de -- Aufnahme von Menschen aus Russland: Hilfe für Oppositionelle
       
       > Wer sich in Russland gegen den Kreml stellt, begibt sich in Gefahr.
       > Deutschland will bedrohten Menschenrechtsaktivist*innen Schutz
       > bieten.
       
   IMG Bild: Gefährdete Oppositionelle: Antikriegsproteste in St. Petersburg im März 2022
       
       Berlin taz | Tausende wurden bei Demonstrationen gegen die russische
       Invasion im Nachbarland Ukraine festgenommen, kritische Medien geschlossen,
       das Wort „Krieg“ in Bezug auf die Ukraine unter Strafe gestellt: Wer sich
       in Russland gegen den Kreml und seinen Angriff auf das Nachbarland stellt,
       begibt sich in Gefahr. Nun hat die Bundesregierung sich auf Kriterien für
       die Aufnahme von Menschen geeinigt, die besonders gefährdet sind.
       
       „Die immer brutalere Aggression Russlands gegen die Ukraine wird von immer
       stärkerer Repression nach innen begleitet, insbesondere gegen die Presse,
       gegen Menschenrechtler und Oppositionelle“, sagte Bundesinnenministerin
       Nancy Faeser (SPD) am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatten die
       Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichtet, Faesers Ministerium habe sich
       mit dem Auswärtigen Amt und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur
       und Medien darauf geeinigt, welche Personengruppen sie als besonders
       gefährdet betrachten.
       
       Statt nur eines auf 90 Tage begrenzten Schengenvisums sollen konkret
       bedrohte Betroffene nach einer Einzelfallprüfung demnach schneller,
       unbürokratischer und für einen längeren Zeitraum eine Aufenthaltserlaubnis
       für Deutschland bekommen. Möglich ist das auf Grundlage von Artikel 22 im
       Aufenthaltsgesetz, der eine Aufnahme „aus völkerrechtlichen oder dringenden
       humanitären Gründen“ und „zur Wahrung politischer Interessen der
       Bundesrepublik Deutschland“ ermöglicht.
       
       Helfen soll dies Oppositionellen oder Mitarbeitenden von
       Menschenrechtsorganisationen, die in Russland als „ausländische
       unerwünschte Organisationen“ eingestuft wurden – [1][was die Zusammenarbeit
       mit ihnen unter Strafe stellt]. Ebenso gelten sollen die Regelungen für
       gefährdete Wissenschaftler*innen und [2][Journalist*innen].
       
       ## Sorge vor „akribischen Einzelfallprüfungen“
       
       „Wir bieten Russinnen und Russen, die verfolgt und bedroht werden, in
       Deutschland Schutz“, sagte Faeser. „Und wir werden insbesondere russischen
       Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit geben, von Deutschland aus
       frei und unabhängig zu berichten.“
       
       „Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung nicht schneller gehandelt
       hat, sondern das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium sich erst
       wochenlang über Details gestritten haben“, sagte Clara Bünger,
       fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, der taz. Die nun
       angekündigten „akribischen Einzelfallprüfungen“ ließen mit Blick auf eine
       großzügige Aufnahme „nichts Gutes hoffen“, so Bünger.
       
       Auch gebe es nach wie vor keine Lösungen für Oppositionelle,
       Medienschaffende und Aktivist*innen, die sich bereits mit einem regulären
       Touristenvisum in Deutschland aufhalten. Bünger forderte von der diese
       Woche stattfindenden Innenministerkonferenz, auch dieser Gruppe
       unkompliziert „den Schutz zu bieten, den sie dringend benötigt“.
       
       In der vergangenen Woche hatte das Bundesinnenministerium im Innenausschuss
       des Bundestags außerdem klargestellt, dass bei [3][Asylgesuchen durch
       russische Deserteur*innen] derzeit „in der Regel von drohenden
       Verfolgungshandlungen“ ausgegangen werden könne – auch ohne, dass im
       konkreten Einzelfall eine drohende Beteiligung an Kriegsverbrechen
       nachzuweisen sei.
       
       ## Schutz auch für Deserteur*innen
       
       In einer Stellungsnahme des Ministeriums heißt es dazu: „Da bereits die
       Bezeichnung ‚Krieg‘, bezogen auf den Angriff auf die Ukraine, in der
       Russischen Föderation als oppositionelle politische Darstellung geahndet
       werden kann, kann eine Desertion – als aktives Bekunden gegen die
       Kriegsführung – als Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung gewertet
       werden.“
       
       Pro Asyl begrüßte die Ausführungen, kritisierte aber, dass diese sich nur
       auf Deserteur*innen beziehen, nicht aber auf Menschen, die vor dem
       Wehrdienst flüchten, und auch nicht für belarussische oder ukrainische
       Soldat*innen oder Wehrdienstpflichtige, die vor einer möglichen
       Beteiligung am Krieg in der Ukraine fliehen. Es fehle ein „ein klares
       Bekenntnis der Bundesregierung zum Menschenrecht auf
       Kriegsdienstverweigerung“, erklärte die Organisation.
       
       30 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /NGO-Mitarbeiterin-zur-Arbeit-in-Russland/!5848015
   DIR [2] /Putins-Krieg-gegen-die-freie-Presse/!5850852
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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