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       # taz.de -- Schlechtes Vorbild: Pop-Up-Radweg als Wahlkampfopfer
       
       > In Hannover ist ein Fahrradweg durch eine Unterführung dem
       > CDU-Verkehrsminister ein Dorn im Auge. Er sieht die Autofahrer
       > ausgebremst.
       
   IMG Bild: Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) möchte die Stadt fahrradfreundlicher machen
       
       Hannover taz | Eigentlich geht es um popelige 150 Meter Radweg. Um die
       streiten die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen nun aber schon seit
       einem Jahr oder zweieinhalb Wahlkämpfen. Es geht den Schiffgraben, mitten
       in der Stadt. Der wird an einer Stelle unter den Eisenbahnschienen
       durchgeführt. Für Radfahrer war diese Passage ziemlich unangenehm: Eng,
       laut und dunkel, man hatte die Wahl entweder um die Fußgänger auf dem
       Gehsteig Slalom zu fahren oder sich auf der Straße von den vorbeirasenden
       Autos streifen zu lassen.
       
       Das wollte Oberbürgermeister [1][Belit Onay (Grüne) nicht länger hinnehmen,
       immerhin ist er angetreten,] die Verkehrswende herbeizuführen und die Stadt
       insbesondere fahrradfreundlicher zu machen. Also wurde eine von zwei
       Autospuren kurzerhand mit gelben Markierungen in einen Pop-up-Radweg
       umgewandelt. Das geht so nicht, befand der stellvertretende
       Ministerpräsident und Verkehrsminister des Landes, Bernd Althusmann (CDU),
       prompt. Und [2][sorgte damit im Kommunal- und Bundestagswahlkampf für
       einigen Wirbel.] Dann ruhte das Thema erst einmal.
       
       Im Februar legte die Stadt dann ein Gutachten vor, dass eine Gefährdung der
       Fußgänger und Radfahrer an dieser Stelle belegen sollte – immerhin müssen
       hier täglich mehr als 3000 Radfahrer*innen durch. Onay wollte die
       provisorische gelbe Markierung durch eine reguläre weiße ersetzen und die
       Radfahrerspur zusätzlich mit sogenannten Leitschwellen begrenzen.
       
       Dazu sind die Radfahrer hier nicht gefährdet genug, findet jedoch das
       Verkehrsministerium ein paar Monate später, außerdem würde der Autoverkehr
       auf dem Cityring durch dieses Nadelöhr zu sehr ausgebremst. Man könne ja
       stattdessen den Gehweg verbreitern und die beiden Autospuren etwas schmaler
       machen, schlug das Ministerium vor. Das Land würde auch 75 Prozent der –
       deutlich höheren – Kosten tragen.
       
       ## Grüne sind befremdet
       
       Das finden nun vor allem die Landes-Grünen befremdlich. Seit wann kümmert
       sich eigentlich der Landesverkehrsminister um die Verbreiterung von
       Fußwegen in einer Kommune? Könnte das etwas damit zu tun haben, dass in
       Hannover halt schon wieder Wahlkampf ist? Am 9. Oktober wird ein neuer
       Landtag gewählt und CDU-Spitzenkandidat Althusmann hofft wohl als Anwalt
       der Autofahrer Punkte zu sammeln. Er kritisierte auch schon die
       „Experimentierräume“ in der Innenstadt. Mit den vorübergehenden
       Straßensperren hatte Onay die Vorzüge einer autofreien Stadt anschaulich
       machen wollen.
       
       Auch bei der [3][Umsetzung der Tempo-30-Modellprojekte] stehe das
       Verkehrsministerium mit beiden Füßen auf der Bremse, mosern die Grünen.
       Kein Wunder: Das war 2016 von der damals noch rot-grünen Landesregierung
       beschlossen worden. Mit den Modellprojekten zu Tempo 30 auf
       Hauptverkehrsstraßen sollten die Auswirkungen auf CO2-Emissionen,
       Verkehrssicherheit und Lärm untersucht werden.
       
       Landesweit bewarben sich 43 Kommunen, allein in der Region Hannover sollten
       auf gleich hundert Durchgangsstraßen das Tempo gedrosselt werden. Das
       nunmehr CDU-geführte Verkehrsministerium prüft lieber endlos als so etwas
       zu genehmigen.
       
       12 Jun 2022
       
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