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       # taz.de -- EU-Perspektive für Balkan und Ukraine: Haben sie einen Plan?
       
       > Statt gemeinsam vorzugehen, buhlen Kanzler Scholz und Kommissionschefin
       > von der Leyen um Aufmerksamkeit. So stürzen sie die EU womöglich in die
       > nächste Krise.
       
   IMG Bild: Er muss kämpfen – zur Not auch gegen von der Leyen: Kanzler Scholz am Samstag in Sofia
       
       Reden Olaf Scholz und Ursula von der Leyen eigentlich noch miteinander?
       Haben der deutsche Kanzler und die deutsche Kommissionspräsidentin einen
       Plan, wie die Europäische Union in den nächsten Jahren aussehen soll? Oder
       arbeiten sie gegeneinander, stolpert die EU blindlings in die nächste
       Krise, eine Erweiterungskrise?
       
       So wie Scholz und von der Leyen agieren, deutet alles auf Chaos hin. Just
       in dem Moment, da der SPD-Kanzler seine lange geplante Reise auf den
       Westbalkan machte, um für den EU-Beitritt Albaniens und Nordmazedoniens zu
       werben, eilte die CDU-Politikerin zu einem Blitzbesuch nach Kiew, um die
       Aufnahme der Ukraine vorzubereiten. Abgesprochen war das offenbar nicht.
       Von der Leyen hat Scholz die Show gestohlen und viel zu große Erwartungen
       geweckt. Sie will der Ukraine nicht nur den Kandidatenstatus gewähren,
       sondern auch noch ein milliardenschweres Wiederaufbauprogramm finanzieren.
       Es gehe um „historische Entscheidungen“, kündigte sie vollmundig an. Dabei
       fallen diese Entscheidungen erst beim nächsten EU-Gipfel.
       
       Von der Leyen kann bloß Empfehlungen abgeben, das letzte Wort haben die
       Staats- und Regierungschefs. Zudem muss die Behördenchefin noch ihr eigenes
       Team überzeugen. Auch die EU-Kommission [1][ringt um den richtigen Kurs.]
       Der ist nicht so leicht zu bestimmen, wie von der Leyen vorgibt. Der letzte
       Beitritt – Kroatien 2013 – liegt neun Jahre zurück. Statt weiter zu
       wachsen, ist die EU seitdem geschrumpft: Der Brexit war ein schwerer
       Rückschlag für das europäische Einigungsprojekt. Die bittere Wahrheit ist,
       dass die EU nicht „reif“ für neue Mitglieder ist – weder politisch noch
       finanziell. Die Länder des Westbalkans könnte sie gerade noch verkraften,
       wenn sie die Bedingungen erfüllen. An der Ukraine hingegen würde sie sich
       übernehmen; ein Blitzbeitritt wäre gefährlich und ungerecht.
       
       Schließlich ist nicht nur die Ukraine, sondern auch der Westbalkan von
       Krieg gezeichnet. Nach den Balkankriegen der 90er Jahre haben Deutschland
       und [2][die EU den Ländern der Region] eine „europäische Perspektive“
       versprochen – es wäre unfair, wenn sie nun zugunsten der Ukraine
       zurückstehen müssten. Scholz hat dies erkannt, seine Reise setzte die
       richtigen Akzente. Von der Leyen hingegen führt die EU auf abschüssiges
       Terrain.
       
       Von ihrem Besuch in Kiew geht das Signal aus, dass die Erweiterungspolitik
       in eine geopolitische Phase übergeht – ohne Rücksicht auf andere
       Kandidaten, aber auch auf die EU und ihre strikten Beitrittsregeln. [3][Der
       EU-Gipfel sollte diese Botschaft korrigieren] und den Ländern des
       Westbalkans den Vorrang geben. Scholz muss kämpfen – zur Not auch gegen von
       der Leyen.
       
       12 Jun 2022
       
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   DIR Eric Bonse
       
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