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       # taz.de -- Reformpläne für Kartellrecht: Mehr Macht gegen Konzerne
       
       > Die Grünen wollen das Wettbewerbsrecht verschärfen. Die FDP hofft, dass
       > Habecks Reformankündigung die Debatte über eine Übergewinnsteuer
       > beendet.
       
   IMG Bild: Wird hier ungerechtfertigter Profit getankt?
       
       Berlin taz | Die Ankündigung des Vorhabens steht zwar im direkten
       Zusammenhang mit den hohen Spritpreisen, die Sache selbst hat aber auf die
       aktuelle Lage keine Auswirkungen: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
       (Grüne) will die im Koalitionsvertrag geplante Novellierung des
       Wettbewerbsrechts vorziehen und die Hürden für eine kartellrechtliche
       Gewinnabschöpfung bei Unternehmen senken.
       
       Hintergrund ist der seit Juni drei Monate geltende [1][Tankrabatt] in Form
       einer Steuersenkung auf Kraftstoffe, mit dem die Bundesregierung
       Bürger:innen entlasten will. Die Steuersenkung kostet mehr als 3
       Milliarden Euro. Aber die Preise an den Tankstellen sind weiterhin hoch.
       Viele Bürger:innen fühlen sich um den Rabatt geprellt. Der Verdacht
       steht im Raum, dass die Konzerne einen großen Teil der Steuersenkung
       einkassieren.
       
       Mit Blick darauf hat Habeck angekündigt, das Kartellrecht zu verschärfen.
       „Wir machen ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“, sagt er. Die Behörden
       sollen mehr kontrollieren und bei Mängeln stärker durchgreifen können.
       „Eine solche Verschärfung des Wettbewerbsrechts kann zwar nicht kurzfristig
       in der aktuellen Situation wirken, aber dem Staat die nötige Stärke geben,
       zukünftig besser einzugreifen“, heißt es in einem Papier aus dem
       Bundeswirtschaftsministerium.
       
       Das Kartellrecht erlaubt Eingriffe nur, wenn Absprache nachgewiesen werden
       kann. Für den Kraftstoffmarkt sei das derzeit aber kaum möglich, heißt es.
       Weil der Markt sehr transparent sei, kennen die Wettbewerber die Preise der
       Konkurrenz auch ohne Absprache. Wenige Konzerne teilen sich den Markt.
       
       ## Zerschlagung von Konzernen
       
       Mit dem neuen Kartellrecht soll eine Entflechtungsmöglichkeit – also eine
       Zerschlagung von Konzernen – unabhängig von einem Verstoß geschaffen
       werden. So sollen verfestigte Märkte aufgebrochen werden, damit mehr
       Wettbewerb entsteht. Schon heute kann die Kartellbehörde bei Verstößen
       Unternehmen die daraus entstandenen Gewinne entziehen. Aber geschehen ist
       das noch nie, die Hürden sind sehr hoch. Diese Hürden sollen gesenkt
       werden.
       
       Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht ohnehin vor, das
       Wettbewerbsrecht anzupacken und zu prüfen, wie das Bundeskartellamt
       gestärkt werden kann. Dass die FDP gegen Habecks Pläne nicht mobil macht,
       ist also wenig überraschend. FDP-Fraktionschef Christian Dürr signalisierte
       Unterstützung. „Die Richtung stimmt“, sagte er im ZDF zu Habecks Plänen.
       „Vor allen Dingen sind wir weg von dieser Debatte über eine
       Übergewinnsteuer.“
       
       [2][Mit dieser Steuer schöpfen Staaten extreme Zusatzgewinne von Konzernen
       ab], die diese aufgrund einer Krise ohne eine eigene Leistung einfahren –
       wie jetzt die Energiemultis. Griechenland hat so eine Steuer für
       Energieunternehmen in Höhe von 90 Prozent eingeführt, Italien und
       Großbritannien von 25 Prozent. In Deutschland werden die Forderungen nach
       der Abgabe immer lauter. Die FDP lehnt dies kategorisch ab. Habeck sowie
       Teile der SPD befürworten hingegen so eine Steuer. Sie sei noch nicht vom
       Tisch, betont der Minister.
       
       ## CSU wittert Angriff auf Marktwirtschaft
       
       Die Linkspartei hat einen Antrag auf Einführung einer Übergewinnsteuer nach
       italienischem Vorbild in den Bundestag eingebracht. „Habecks Reformen bei
       der Marktaufsicht sind genauso überfällig wie die Übergewinnsteuer“, sagt
       Christian Görke, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Schon vor
       zehn Jahren habe das Kartellamt festgestellt, dass einige wenige Ölkonzerne
       den Markt kontrollieren. „Außer einer App zum Vergleich der Spritpreise an
       Tankstellen ist nicht viel dabei herumgekommen“, kritisiert er.
       Kartellrechtsreformen würden gegen die bislang eingesteckten Übergewinne
       nicht helfen, deshalb sei die Übergewinnsteuer erforderlich. „Wenn die
       Ampel darauf verzichtet, kommen die Ölriesen mit ihren Krisengewinnen
       davon“, sagt er.
       
       Die CSU sieht in Habecks Vorstoß einen Angriff auf die soziale
       Marktwirtschaft. „Mit ihren Plänen zur Gewinnabschöpfung bei
       Mineralölunternehmen versucht die Ampel-Koalition verzweifelt, von ihrer
       planlosen Politik zur Eindämmung der weiter steigenden Inflation
       abzulenken“, sagt der finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe,
       Sebastian Brehm.
       
       13 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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