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       # taz.de -- Als wir neulich einen Skinhead erzogen: Zwangsarbeit bei McDonald's
       
       > Nachts bei McDonald's lassen sich super Sachen erleben. Zum Beispiel ein
       > angemessener Umgang mit Skinheads.
       
   IMG Bild: Wiedereingliederung von Glatzen in die Arbeitswelt: So könnte sie aussehen
       
       Punkt 24 Uhr nachts wacht Hatice auf und will unbedingt zum McDonalds.
       „Osman, fahr sie dahin. Sonst wird sie uns bis morgen früh nicht schlafen
       lassen“, sagt meine Frau. „Ob das eine gute Erziehungsmethode ist?“, frage
       ich.
       
       „Sie hat uns bereits so erzogen“, gähnt Eminanim resigniert. Also fahre ich
       mit meiner kleinen Tochter zum Hamburgerladen und hoffe inständig, dass sie
       längst dichtgemacht haben.
       
       Haben sie aber leider nicht! Es gibt wohl noch mehr Verrückte von Hatices
       Sorte, die nachts von fettigen Pappbrötchen träumen. Der Laden ist total
       leer und angenehm ruhig – bis ein [1][Skinhead] reinplatzt! Obwohl wir
       vorher da waren, kümmert sich die Kellnerin zuerst um ihn, wofür ich volles
       Verständnis habe.
       
       „Der [2][N****] soll mich bedienen! Der N**** soll kochen, der N**** soll’s
       mir bringen“, brüllt der späte Gast übertrieben laut durch den Laden.
       
       Die Kellnerin gibt die Bestellung aber nicht beim angesprochenen Koch ab,
       sondern läuft direkt nach hinten zu einem anderen Kollegen. Der hört sich
       alles seelenruhig an, läuft ganz langsam zur Ladentür und schließt ab.
       
       „Du Kanacke, warum schließt du die Tür ab?“, wird der Glatzkopf unruhig.
       
       Ohne zu antworten, geht er dann genauso ruhig zu dem Skinhead rüber und
       hält ihm plötzlich eine Pistole an den Kopf.
       
       „So, du kommst jetzt mit nach hinten“, sagt er immer noch ruhig. Ein Hauch
       von [3][Clint Eastwood] weht durch den Raum.
       
       „Anthony, sag dem Skinhead jetzt, was du essen willst!“
       
       „Okay, Chef“, stammelt der Koch ängstlich und gibt seine Bestellung auf.
       
       „Das will ich auch, Chef“, ruft Hatice gierig dazwischen.
       
       „Du Arschloch, du machst jetzt alles fertig und bringst es brav an den
       Tisch, hast du gehört?“, gibt der Chef weiterhin seine Regieanweisungen
       durch.
       
       Der arme Skinhead schwitzt Blut und Wasser, bis er mit Hilfe der Kellnerin
       alles fertig gemacht hat. Es sind ja auch keine idealen Arbeitsbedingungen
       für einen jungen Mann. Erstens ist er noch ungelernt und muss sofort ran,
       zweitens muss er ohne entsprechende Bezahlung Nachtschicht schieben und
       drittens handelt es sich hier allem Anschein nach auch noch um
       Zwangsarbeit!
       
       Aber mit etwas Wohlwollen könnte man diese ungewöhnliche Aktion auch als
       „Wiedereingliederung der Glatzköpfe in die Arbeitswelt“ betrachten.
       
       Nach zwanzig Minuten bekommt zuerst Anthony sein Essen, dann bekommt Hatice
       ihr Tablett vom neuen Aushilfskellner serviert.
       
       „Arschloch, jetzt verschwinde, und lass dich hier nie wieder blicken!“,
       brüllt der Chef und schließt die Tür wieder auf.
       
       Der Skinhead macht sich blitzschnell auf die Socken. Der Chef kommt gut
       gelaunt mit dem Ballermann in der Hand zu uns an den Tisch.
       
       „Na, Kleine, willst du diese Pistole haben?“, fragt er meine Tochter.
       
       „Klar, gib her!“, ruft Hatice sofort mit glänzenden Augen.
       
       „Musst du aber noch Wasser rein machen“, grinst er cool und souverän, wie
       eben all die Clint Eastwoods dieser Welt grinsen, wenn sie einen
       stadtbekannten Schurken in die Flucht getrieben haben.
       
       Ich glaube, ab jetzt wird Hatice jede Nacht hierherkommen wollen.
       
       18 Jun 2022
       
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