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       # taz.de -- Frauenquote in der CDU: Merz' Traum vom Kanzleramt
       
       > Lange war Basisversteher Friedrich Merz gegen eine Frauenquote in der
       > CDU. Nun wird der Parteichef sie kaum noch verhindern – vor allem aus
       > Machtkalkül.
       
   IMG Bild: Langsam, aber sicher wird Merz zum Quotenversteher
       
       Na, wer hätte das gedacht? Die erste wichtige Entscheidung in der Ära des
       CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz könnte die Einführung einer verbindlichen
       Frauenquote werden. Mindestens 50 Prozent aller Vorstandsposten in der
       Partei müssten dann von weiblichen Führungskräften besetzt werden. Was bis
       vor Kurzem ungefähr so realistisch klang wie die Abschaffung des Zölibats
       in der katholischen Kirche durch Papst Benedikt, ist seit diesem Dienstag
       sehr wahrscheinlich.
       
       Ausgerechnet der langjährige Quotenskeptiker und große Basisversteher Merz
       hat den Wunsch der Quotengegner nach einer Mitgliederbefragung über die
       Quote abgelehnt. Damit bleibt bis auf Weiteres die Empfehlung des früheren
       CDU-Vorstands in Kraft, stufenweise eine 50-Prozent-Quote einzuführen.
       Ausgerechnet der Mann, der bei seiner eigenen Wahl noch so viel Wert auf
       die Meinung der einfachen Mitglieder legte, will jetzt lieber den Parteitag
       im September entscheiden lassen.
       
       Wie das ausgeht, bleibt offen, aber von Merz gibt es bisher kein Nein und
       keinen Gegenvorschlag zur Quote, die er einst als „zweitbeste Lösung“
       bezeichnet hatte. Es scheint ihm einfach keine bessere einzufallen.
       Langsam, aber sicher wird Merz zum Quotenversteher.
       
       Aber verärgert er damit nicht seine treuesten Fans vom Wirtschaftsflügel
       und überhaupt alle konservativen Christdemokraten (hier absichtlich ohne
       *innen), die ihn gerade deshalb ins Amt gewählt hatten, weil er für eine
       Union ohne all das [1][neumodische Zeugs mit Gendersternchen] und Quoten
       stand?
       
       Doch, viele in den männlich dominierten Kreisverbänden werden ziemlich
       sauer sein, wenn ihnen jetzt ausgerechnet unter Merz vorgeschrieben wird,
       was ihnen in all den Jahren unter Angela Merkel niemals zugemutet wurde:
       Frauen mit an die Macht lassen zu müssen! Wieder einmal wird die Sehnsucht
       nach der guten alten Zeit durch Pragmatismus im Hier und Jetzt enttäuscht.
       Merz setzt sich nicht an die Spitze der Quotenbewegung, das wäre dann doch
       eine zu krasse Wende.
       
       Aber er scheint begriffen zu haben: Gerade weil Merkel nicht mehr da ist,
       [2][kommt die CDU um eine Quote nicht mehr herum]. Merkel und einige
       Ministerinnen haben den katastrophal niedrigen [3][Frauenanteil von 26
       Prozent in der CDU lange vergessen lassen.] Mit dem alten weißen Mann Merz
       an der Spitze wird er wieder überdeutlich. Damit lässt sich vielleicht noch
       ein Ortsverein, aber beim besten Willen kein Staat mehr machen. Und da Merz
       insgeheim wohl immer noch vom Kanzleramt träumt, ist ihm ein
       mehrheitsfähiges Erscheinungsbild seiner Partei am Ende wichtiger als ein
       grantiges Aufstoßen an CDU-Stammtischen.
       
       15 Jun 2022
       
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