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       # taz.de -- Klimapolitik der EU: Ökolabel für Gas und Atom floppt
       
       > Ausschüsse des Brüsseler Parlaments stimmen gegen die Taxonomie-Pläne der
       > EU-Kommission. Folgt ihnen nun auch die Mehrheit der Abgeordneten?
       
   IMG Bild: Keine Mehrheit für ihre Idee? Kommissionspräsidentin von der Leyen
       
       Brüssel taz | Es ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission: Zwei wichtige
       Ausschüsse des Europaparlaments haben sich am Dienstag in Brüssel gegen ein
       geplantes Ökolabel für Atomkraft und Gas ausgesprochen. Damit wackelt die
       sogenannte Taxonomie, mit der die Behörde Investitionen in „nachhaltige“
       Energieträger lenken will.
       
       Die Idee stammt von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Zum
       Jahreswechsel legte sie ihren Entwurf vor, mit dem sie [1][Deutschland beim
       Gas und Frankreich bei der Atomkraft entgegenkommen] wollte. Beide
       Energieträger sollen als klimaschonende Übergangstechnologien eingruppiert
       werden.
       
       Die Parlamentarier hat das nicht überzeugt. Der Umwelt- und der
       Wirtschaftsausschuss lehnten die Vorlage mit 76 zu 62 Stimmen bei 4
       Enthaltungen ab. Entscheidend wird nun die nächste Sitzung des gesamten
       Parlaments im Juli. Wenn das Plenum die Regelung ebenfalls ablehnt, so kann
       sie nicht in Kraft treten, die Taxonomie wäre tot.
       
       „Das ist eine erste Klatsche gegen den Versuch der Kommissionschefin von
       der Leyen, Atomkraft und Gas durch die Hintertür als grün zu deklarieren“,
       sagte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. Er geht davon aus, dass
       das Ausschussvotum eine Signalwirkung entfalten wird – und auch das Plenum
       im Juli Nein sagt.
       
       ## Die finale Entscheidung fällt erst noch
       
       Nicht ganz so sicher ist sich Joachim Schuster von der SPD. „Bei der
       Entscheidung des gesamten Europäischen Parlaments wird sich zeigen, wie
       ernst es den Abgeordneten mit dem Umwelt- und Klimaschutz in Europa
       wirklich ist“, sagte er. Noch sei das „Greenwashing“ nicht vom Tisch, warnt
       der Wirtschaftsexperte.
       
       Auch die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz aus Luxemburg ist auf der Hut. „Die
       relativ knappe Mehrheit in den Ausschüssen zeigt, dass vor allem gegenüber
       dem rechten und liberalen Lager noch viel Überzeugungsarbeit geleistet
       werden muss“, sagte sie. Der Widerstand des EU-Parlaments sei unabdingbar:
       „Denn wir müssen leider davon ausgehen, dass es vonseiten der
       Mitgliedstaaten keine Mehrheit für ein Veto geben wird.“
       
       Tatsächlich gibt es im Rat, der Vertretung der 27 EU-Länder, [2][keinen
       Aufstand gegen die Taxonomie]. Sie wird dort von einer breiten Mehrheit
       getragen.
       
       Auch im Europaparlament ist ein Nein noch nicht sicher – trotz des
       negativen Ausschussvotums. Den Ausschlag dürften im Juli rund 200
       Abgeordnete geben, die bisher noch unentschlossen sind. Sie werden nun mit
       Argumenten von beiden Seiten bombardiert.
       
       Den Auftakt machte am Dienstag der Verband kommunaler Unternehmen VKU, der
       vor einem Scheitern des Entwurfs warnte. „Das Ergebnis der Abstimmung
       zeigt, dass sowohl die von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien als
       auch die Bedeutung von Erdgas als Brücke hin zur Erreichung der Klimaziele
       missverstanden werden“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
       Sollten sich die Gegner durchsetzen, werde dies den Ausbau der erneuerbaren
       Energien schwächen und die Klimaziele gefährden.
       
       Ganz anders die Ökonomin Karolin Kirschenmann. „Die Taxonomie ist ein
       problematisches, letztlich politisches Instrument“, sagte sie. Sie sei zu
       starr und setze falsche Anreize, so die Expertin des Leibniz-Zentrums für
       Europäische Wirtschaftsforschung. Die Bewertung der Technologien solle
       besser dem Markt überlassen werden.
       
       Und was sagt die EU-Kommission? Die ist ziemlich kleinlaut geworden. Die
       Taxonomie sei nur ein Klimaschutz-Instrument unter vielen, erklärte ein
       Sprecher. Zudem sei zu bedenken, dass sie schon vor dem Ukrainekrieg
       erarbeitet wurde. Es klang fast so, als wolle er sich für einen
       unzeitgemäßen, von den Ereignissen überholten Vorschlag entschuldigen.
       
       14 Jun 2022
       
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