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       # taz.de -- Gerichtsurteil in Warschau: An der Oder wird weitergebaggert
       
       > Seit Langem gibt es Streit über den Ausbau des Grenzflusses zwischen
       > Deutschland und Polen. Nun geht er in die nächste Runde.
       
   IMG Bild: Bagger marsch: Bauarbeiten auf der polnischen Oder-Seite Anfang März
       
       Potsdam taz | Die Bundesregierung soll ein gemeinsames Schiedsgericht
       einberufen, um den Streit über den Ausbau der Oder beizulegen. Das fordern
       Umweltverbände und Politiker der Grünen in Brandenburg nach einem Urteil
       des woiwodschaftlichen Verwaltungsgerichts in Warschau vom Dienstag. Mit
       dem Urteil weist das Gericht die zuständige Umweltbehörde an, erneut über
       die Bauarbeiten an der Oder zu entscheiden. Ein sofortiger Baustopp ist mit
       dem Urteil des Verwaltungsgerichts allerdings nicht verbunden; auch kann
       das Urteil innerhalb eines Monats angefochten werden.
       
       Seit Langem streiten deutsche und polnische Umweltverbände mit den
       zuständigen Behörden über den Ausbau der Oder. [1][Die deutsche
       Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe] hatte 2014 im Auftrag der
       polnischen und deutschen Schifffahrtsverwaltungen ein sogenanntes
       Stromregulierungskonzept erarbeitet. Ziel war, den Grenzfluss so zu
       vertiefen, dass er fast das ganze Jahr über eine Wassertiefe von 1,80 Meter
       aufweisen könne. Damit sollte die Oder auch für größere Schiffe befahrbar
       werden. Nach langem Hin und Her begann die polnische Regierung im
       vergangenen Jahr mit den Bauarbeiten. Sie begründet dies unter anderem mit
       einem besseren Schutz vor Hochwasser. Umweltverbände und auch die
       Brandenburgische Landesregierung zweifeln den Sinn der Baumaßnahmen an und
       legten vor zwei Jahren bei Bekanntwerden der Pläne Einspruch ein.
       
       Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Grüne) hatte bei
       Bekanntwerden der Pläne vor zwei Jahren beklagt, die Bemerkungen und
       Stellungnahmen des Landes Brandenburg und anderer Beteiligter seien „völlig
       außer Acht“ gelassen worden, der Plan könnte „verheerende Auswirkungen auf
       den Zustand der Oberflächengewässer“ haben. Die Ausbaupläne gingen zudem
       weit über den zwischen den Regierungen vereinbarten Rahmen hinaus.
       
       „Welche Kritikpunkte der Umweltverbände und des Brandenburger
       Umweltministeriums das Gericht nun aufgegriffen hat, wird sich erst in der
       Begründung des Urteils zeigen“, sagt Sascha Maier, Gewässerreferent der
       Umweltorganisation BUND und Koordinator des Aktionsbündnis lebendige Oder.
       Die Urteilsbegründung wird in den kommenden Wochen erwartet. Das Urteil vom
       Dienstag sei „ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, sagt Maier.
       
       ## Ein Fall für's Schiedsgericht
       
       Die erneute Entscheidung der Umweltbehörde wird Ende Juni erwartet.
       Allerdings gehen Beobachter nicht davon aus, dass sie ihre Oder-Politik
       ändert. Daher sei der Oder-Ausbau „mittlerweile auch ein Fall für das
       Schiedsverfahren, welches im deutsch-polnischen Regierungsabkommen für
       Wasserstraßen bei strittigen Fragen vorgesehen ist“, sagt Sarah Damus,
       grüne Landtagsabgeordnete aus Frankfurt/Oder. Hier sei das
       Bundesverkehrsministerium gefordert, zu handeln. Auch Oder-Aktivist Maier
       hält ein Schiedsgericht für „ein gutes Verfahren, auch, um Klagen
       vorzubeugen“.
       
       Die insgesamt rund 500 Kilometer lange Oder verläuft über fast 200
       Kilometer entlang der deutsch-polnischen Grenze. Sie gilt als einer der an
       vielen Stellen letzten, frei fließenden Flüsse Europas und d[2][urchquert
       den Nationalpark „Unteres Odertal“]. Der einzige Auen-Nationalpark
       Deutschlands zeichnet sich durch eine hohe Artenvielfalt vor allem an
       Vögeln und Fischen aus. Laut Nationalparkverwaltung brüten mehr als 145
       Vogelarten in dem Gebiet, über 40 Fisch-Arten leben in dem Fluss, darunter
       Moderlieschen, Aal und Bitterling. Auch die seltene Mopsfledermaus lebt in
       den Oder-Auen.
       
       Ob die Bundesregierung ein Schiedsgericht anrufen wird oder die
       Brandenburgische Landesregierung dies fordert, konnten beide innerhalb des
       Redaktionsschlusses noch nicht kommentieren.
       
       15 Jun 2022
       
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