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       # taz.de -- Wohin mit olympischen Stätten?: Abzureißende Neubauten
       
       > Nach Olympischen Spielen werden Hallen und Stadien meinstens nicht mehr
       > gebraucht. Das IOC spricht dennoch von Nachhaltigkeit.
       
   IMG Bild: Olympiabobbahn von Sarajewo 1984, mittlerweile eine Ruine
       
       Die Rodelbahn in Cesena Pariol war 1.435 Meter lang und kostete im Bau
       über 77 Millionen Euro. Auf der Bahn wurde der Italiener Armin Zöggeler
       Olympiasieger. Das war 2006. Sechs Jahre später gab es die Bahn nicht mehr.
       Sie wurde aus Kostengründen geschlossen, dann geschliffen.
       
       Der [1][Olympiapark] in Rio de Janeiro war schon im Jahr 2016 kein
       Schmuckstück. Die bestenfalls zweckmäßig bebaute Betonplatte im Stadtteil
       Barra da Tijuca wurde vier Jahre nach den Olympischen Sommerspielen
       stillgelegt. Ein brasilianisches Gericht schloss den sündhaft teuren und
       beispiellos hässlichen Olympiapark wegen fehlender Sicherheitsunterlagen.
       Und wer sich heute etwa die Wildwasseranlage der Olympischen Spiele von
       Athen ansehen will, schaut in eine mit Gras überwucherte Ruine. Die
       Aufzählung von olympischen [2][Lost Places], von vergessenen und
       verfallenen Sportstätten mit lächerlich kurzer Nutzungsdauer ließe sich
       endlos fortsetzen. Beliebt bei Freunden abgefuckter Bauten sind auch die
       Stahlbetonreste der Olympischen Winterspiele von Sarajewo.
       
       Fakt ist: Wo die Spiele mit viel Pomp und Protz in Szene gesetzt wurden, da
       herrscht bald auch Ödnis, Verfall und Niedergang. Nicht immer, aber doch
       sehr oft. Die Spiele hinterlassen Artefakte, die für zwei, drei Wochen als
       Kulisse im olympischen Theater taugen. Haben sie ihren Zweck erfüllt und
       ist das Geld der Steuerzahler ausgegeben für ein flüchtiges Prestige, dann
       beginnt der Zahn der Zeit unerbittlich an Arenen oder Plätzen zu nagen.
       
       Es wirkt angesichts dieser Bilder leicht lächerlich, wenn das
       Internationale Olympische Komitee (IOC), das die Gastgeber immer wieder zu
       diesen Hauruckinvestitionen „nötigt“, im Betroffenheitstourette von
       Nachhaltigkeit und CO2-Neutralitätspricht. Vor Kurzem hat sich das IOC
       von der Beratungsgesellschaft KPMG nun einen Bericht zusammenstellen
       lassen, der obigen Befund in den Bereich der Fabel oder wenigstens in den
       der anekdotischen Evidenz verweist. „Über 125 Jahre olympische
       Sportstätten: ihre Nachnutzung“ ist das Papier überschrieben, und es geht
       natürlich darum, wie das IOC eine noch „bessere Welt durch Sport“ bauen
       kann.
       
       923 olympische Sportstätten haben die Mitarbeiter von KPMG gezählt, 89
       Prozent waren fix erbaut und 11 Prozent als Provisorium. Was hat man nun
       gefunden? 85 Prozent der Fixbauten sind immer noch irgendwie in Gebrauch.
       Im 21. Jahrhundert, also der jüngeren olympischen Geschichte, liegt dieser
       Wert höher, bei 92 Prozent. 124 Sportstätten werden dem Report zufolge
       nicht mehr genutzt, 88 wurden gar dem Erdboden gleichgemacht, was das IOC
       so erklärt: „Einige hatten einfach ihr Lebensende erreicht, andere erfuhren
       operationale oder finanzielle Herausforderungen, einige wurden in
       Kriegszeiten zerstört oder bei Unfällen, während andere durch neue urbane
       Entwicklungsprojekte ersetzt worden sind.“ Verschwurbelter kann man es
       nicht sagen: operationale und finanzielle Herausforderungen.
       
       KPMG-Sprech und -Befund mögen dem mehrfach in Bedrängnis geratenen IOC
       zupass kommen, die Erfahrungen der Bürger von Montreal oder Sotschi
       sprechen eine andere Sprache, und selbst der als mustergültig gepriesene
       Olympiapark München hat ja nun auch seine Nachnutzungsprobleme.
       
       Nicht alles ist dem IOC anzukreiden: Metropolen sind nun einmal dynamisch.
       Auf dem Immobilien- und Grundstücksmarkt geht es nicht selten zu wie in
       einem klandestinen Fight Club, aber der Fokus des Olympischen Komitees auf
       den Bau provisorischer Arenen kam zu spät. Lag deren Anteil im frühen 20.
       Jahrhundert schon einmal bei 17 Prozent, so fiel er gegen Ende eben dieses
       Jahrhunderts auf 7 Prozent. Tendenz immerhin steigend.
       
       17 Jun 2022
       
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