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       # taz.de -- Hubertus Heil zu 9-Euro-Ticket: Länder sollen arme Eltern schonen
       
       > Hartz-IV-Familien, denen Schülerfahrkarten bezuschusst werden, drohen
       > Rückzahlungen wegen des 9-Euro-Tickets. Bundesozialminister Heil hält das
       > für falsch.
       
   IMG Bild: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
       
       Berlin taz | Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) fordert die Länder
       auf, wegen des [1][9-Euro-Tickets] keine Rückforderungen an
       Hartz-IV-Beziehende zu stellen, denen das Jobcenter eine Schülerfahrkarte
       finanziert. Diesen Haushalten wird die Zahlung für die Monatskarte im Juni,
       Juli und August gekürzt. Einige Länder wollen das bereits für Juni
       überwiesene Geld zurück, andere nicht. In einem Schreiben an die
       zuständigen Landesministerien bittet das Bundesministerium für Arbeit und
       Soziales (BMAS) nun darum, auf Rückzahlungen zu verzichten.
       
       Der Hintergrund: Im Juni, Juli und August gibt es das 9-Euro-Monatsticket
       für den ÖPNV [2][als Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung]. Wer
       bereits eine Monatskarte hat, bekommt von den Verkehrsunternehmen den
       Differenzbetrag zwischen dem regulären Preis und den 9 Euro erstattet. Das
       gilt auch bei Schülerkarten von Kindern aus Hartz-IV-Haushalten. Die Kosten
       für Schülerkarten sind regional unterschiedlich, oft geht es um 40 bis 50
       Euro im Monat.
       
       Für Aufsehen gesorgt hat ein [3][Bericht des Onlineportals HartzIV.org,]
       wonach einige Länder den Differenzbetrag für Juni von den
       Sozialleistungsbezieher:innen zurückfordern, andere aber nicht.
       
       Die Bundesarbeitsagentur in Nürnberg ist für diese Frage nicht zuständig,
       weil die Schülerfahrkarte als Teil des Bildungs- und Teilhabepakets eine
       kommunale Aufgabe ist. „Wir geben dazu keine Weisung heraus“, sagt ein
       Sprecher der Nürnberger Arbeitsagentur. Auf den Regelbedarf von
       Hartz-IV-Bezieher:innen hat das 9-Euro-Ticket nach jetzigem Stand keine
       Auswirkungen.
       
       ## Ob die Länder der Bitte folgen, ist ungewiss
       
       Laut dem baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit
       werden die Zahlungen an Hartz-IV-Empfangende für das Schülerticket im
       Juni, Juli und August überall um den Differenzbetrag zum 9-Euro-Ticket
       gekürzt. „Die Anpassung der Leistungsgewährung findet in allen
       Bundesländern statt, lediglich bei Fällen, bei denen die Zahlungsanpassung
       nicht rechtzeitig erfolgen konnte, kann es unterschiedliche Handhabungen
       geben“, sagt eine Sprecherin.
       
       Mit Einführung des 9-Euro-Tickets würden die Fahrkarten günstiger, damit
       reduzierten sich auch die tatsächlichen Aufwendungen, begründet sie das
       Vorgehen. Die regionalen Jobcenter würden daher für die Zeit ab Juni ihre
       Leistung entsprechend anpassen oder widerrufen. „Letztendlich obliegt es
       den Jobcentern, in jedem Einzelfall zu prüfen und über das Vorgehen zu
       entscheiden“, behauptet die Sprecherin.
       
       Bayern will den Differenzbetrag landesweit eintreiben. Damit werde eine
       „ungerechtfertigte Besserstellung“ gegenüber
       Nichtleistungsbezieher:innen vermieden, sagt ein Sprecher. In
       Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein dagegen drohen
       Hartz-IV-Empänger:innen keine Rückzahlungen für den Juni. „Für die Monate
       Juli und August geht das Land davon aus, dass die Zahlung rechtzeitig
       umgestellt werden konnte“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums
       Schleswig-Holstein.
       
       Das BMAS plädiert dafür, dass alle Länder auf Rückzahlungen verzichten. Es
       beruft sich auf das Sozialgesetzbuch II, wonach eine Rückzahlung nicht
       gefordert werden soll, wenn es – wie in diesem Fall – ausschließlich um
       Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket geht. Den Jobcentern
       entstehe durch die Rückforderung erheblicher Verwaltungsaufwand, den die
       betroffenen Familien weder verursacht noch beabsichtigt hätten, so das
       Ministerium. Die Auffassung des BMAS ist aber nicht bindend für die Länder.
       Ungewiss ist, ob alle folgen.
       
       Harald Thomé, Referent für Sozialrecht beim Wuppertaler Erwerbslosenverein
       Tacheles, bezeichnet die Rückforderungen als einen Skandal. „Das ist
       symptomatisch dafür, wie mit armen Menschen umgegangen wird“, sagt er.
       
       Thomé ist überzeugt, dass das BMAS mit seiner Rechtsauffassung richtig
       liegt und nicht die Länder, die Rückforderungen erheben. Grundsätzlich
       hätte die Bundesregierung dafür sorgen müssen, dass das 9-Euro-Ticket nicht
       mit Sozialleistungen verrechnet wird, sagt er. Es wäre problemlos möglich
       gewesen, einen entsprechenden Passus in das Gesetz aufzunehmen. „Aber das
       wurde in Hinterzimmergesprächen verhandelt, ohne die Fachverbände
       anzuhören“, kritisiert er.
       
       16 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Soziale-Gerechtigkeit-und-Bahnfahren/!5856589
   DIR [2] /Entlastungspaket-der-Ampel/!5840447
   DIR [3] https://www.hartziv.org/news/20220615-hartz-iv-droht-rueckzahlung-wegen-des-9-euro-tickets/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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