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       # taz.de -- Hamburger Debatte um Nahverkehr: U-Bahn dauert zu lange
       
       > Um das Klimaziel zu erreichen, sollte Hamburg fünf Straßenbahnlinien
       > bauen, fordert eine Studie der Linken. Die geplante U-Bahn sei weniger
       > effektiv.
       
   IMG Bild: Das Know-How wäre vorhanden: Eine Straßenbahn wird 1999 in Hamburgs Hafen nach Hiroshima verschifft
       
       Hamburg taz | Mit einer Studie, die Fahrgastströme heutiger Buslinien unter
       die Lupe nimmt, will die Linke Verkehrspolitikerin Heike Sudmann in Hamburg
       eine neue Debatte über den Sinn der geplanten [1][U-Bahn-Linie 5 anstoßen].
       Die soll im Nordosten der Stadt starten und dann über einen tiefen Bogen um
       die Alster durch die Innenstadt wieder hoch in den Nordwesten fahren. Laut
       dem Fazit der Verfasser, Dieter Doege und Jens Ode, ist sie falsch geplant.
       „Sie fährt leider am Bedarf der Fahrgäste vorbei“, sagt Sudmann.
       
       1,89 Milliarden Euro sollen allein die ersten 4,8 Kilometer der Linie vom
       abgelegenen Bramfelder Dorfplatz über die Großsiedlung Steilshoop zur
       Bürostadt „City Nord“ kosten. Doch die Strecke sei in die falsche Richtung
       geplant, sagt Dieter Doege. Denn die meisten Fahrgäste aus Steilshoop
       nähmen den Bus in die andere Richtung und stiegen etwa am Knotenpunkt
       Barmbeker Bahnhof aus.
       
       Der öffentliche Nahverkehr, dessen Nutzerzahlen Hamburg zur Erreichung der
       Klimaziele bis 2030 verdoppeln will, wird laut der Studie durch diese neue
       U-Bahn nicht attraktiver. Denn in Steilshoop zum Beispiel gibt es heute auf
       einer Länge von zwei Kilometern sieben Bushaltestellen. Die würden nun
       durch eine einzige U-Bahn-Haltestelle ersetzt. Und die sei auch noch – da
       die Bahn sehr tief unter der Erde liegt – erst nach drei Minuten Treppenweg
       zu erreichen.
       
       „Das beste Verkehrsmittel nützt nichts, wenn der Fahrgast nur schwierig
       hinkommt“, sagt Dieter Doege, der sich wie Co-Autor Ode seit Jahren für die
       Straßenbahn engagiert. Die beiden vergleichen die Fahrzeit von Haus zu Haus
       für Bus, Straßenbahn und U-Bahn. Dabei gehen sie davon aus, dass eine
       Straßenbahn zu ebener Erde liegt und so viele Haltestellen wie die
       Buslinien hat. Im Fazit ist zwar der Bus am langsamsten, aber auch die
       U-Bahn auf fünf, auf acht und elf Kilometern Länge langsamer als die
       Straßenbahn es wäre. Denn der Knackpunkt ist die Länge der Fußwege zur
       Haltestelle, wo die U-Bahn im Nachteil ist.
       
       ## Straßenbahn führt Fahrgäste schneller ans Ziel
       
       Diesen Effekt sehen sie auch entlang der heutigen Metrobuslinie 5, die
       zwischen Dammtorbahnhof vorbei an der Uni nach Niendorf verläuft und zu den
       am meisten benutzten Buslinien Europas zählt. Von deren 13 Haltestellen
       würde die neue U5, wenn sie dort in 20 Jahren fertig wäre, nur fünf
       bedienen. „Die U5 führt weitgehend sowohl am Bedarf der heutigen Fahrgäste
       als auch der noch zu gewinnenden Fahrgäste vorbei“, sagt Heike Sudmann. Die
       Abgeordnete [2][will diese Studie] nun nutzen, um [3][mit den anderen
       Parteien im Rathaus] über eine Wende in der Nahverkehrspolitik ins Gespräch
       zu kommen.
       
       Denn der gesamte U-Bahn-Bau würde mindestens neun Milliarden Euro kosten.
       Schon für einen Bruchteil der Summe von nur 1,33 Milliarden Euro wäre es
       möglich, entlang der heutigen Buslinien ein komplettes Straßenbahnnetz zu
       bauen. Das hätte fünf Linien mit 109 Haltestellen auf 53 Kilometern Länge
       und würde für die äußeren Stadtteile wichtige Verbindungen schaffen: etwa
       von Rahlstedt im Osten bis zum Osdorfer Born im Westen.
       
       Die Pläne dafür liegen größtenteils noch in den Schubladen, weil Hamburg
       unter schwarz-grün so ein Netz schon einmal geplant hatte. Doch anders als
       damals, als es Proteste gab, habe man diesmal die Linien auf große Straßen
       beschränkt, sagt Doege. Er habe im französischen Nantes eine Straßenbahn
       mit aufgebaut. Die Politik dürfe nicht „vom hohen Ross“ agieren. „Man muss
       den Menschen die Vorteile klarmachen, [4][dann geht das auch].“
       
       Hamburg hatte bis 1979 ein Straßenbahnnetz. Größtenteils gebe es die
       Trassen noch, sagt Jens Ode. Entlang der Metrolinie 5 oder vom Berliner
       Tor in Richtung Harburg könnte man auf 30 Kilometern sofort die alten
       Trassen beschienen, „ohne ein Auto zu stören“.
       
       ## Tiefe Röhren-U-Bahn schwierig zu bauen
       
       Sudmann argumentiert auch mit der Bauzeit. Die U5 werde erst in den 2040ern
       fertig, die Straßenbahn dagegen könne schon bis 2030 fertig sein, „wenn
       jetzt eine Umentscheidung kommt“. Dafür sprechen laut Doege auch technische
       Gründe, weil der viele Meter tief unter der Erde geplante Röhren-U-Bahn-Bau
       als schwierig gilt. Gutachter hatten der Stadt in einer
       „Machbarkeitsuntersuchung“ geraten, Alternativen zu suchen.
       
       Der Bund der Steuerzahler teilte mit, diese Studie werfe „ein neues Licht“
       auf die geplante U5. „Sollten die Zahlen stimmen, wäre der Hamburger Senat
       gut beraten, sorgsam abzuwägen, ob das Konzept der Stadtbahn nicht deutlich
       besser ist als die bisherige U5-Planung“, so die Vorsitzende Petra
       Ackermann.
       
       Der Sprecher der Hochbahn, Christoph Kreienbaum, sagte: „Die Straßenbahn
       mag grundsätzlich ein sinnvolles Instrument der Verkehrpolitik sein“. Doch
       die neue Studie sage nichts darüber aus, wie aufwachsende Fahrgastzahlen zu
       bewältigen sind. Denn entlang der Strecke der künftigen U5 führen auf den
       vier Metrobuslinien 4, 5, 6 und 17 heute täglich knapp 140.000 Fahrgäste.
       Dafür habe die Stadtbahn nicht die „Leistungskapazitäten“. „Unsinn“,
       kontert Doege. „Ich kann niemals mit einer einzigen U-Bahn-Linie vier
       Buslinien ersetzen.“ Außerdem könnten moderne Stadtbahnen „zwei- bis
       dreimal so viele Fahrgäste aufnehmen wie der größte Hamburger Bus-Typ“.
       
       17 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bau-der-U5-in-Hamburg/!5801419
   DIR [2] https://www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/06/U5-Studie.pdf
   DIR [3] /Debatte-um-Hamburgs-Verkehrspolitik/!5852664
   DIR [4] /Hamburgs-Buergermeister-mag-keine-Tram/!5855749
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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