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       # taz.de -- 9-Euro-Ticket und Hartz IV: Ein Armutszeugnis
       
       > Eine Anrechnung des 9-Euro-Tickets auf Hartz IV ist völlig daneben. Eine
       > Regierung, die Entlastung für alle will, muss auch alle meinen und
       > mitnehmen.
       
   IMG Bild: Willkommen im Land der Pfennigfuchser und Schikaneure
       
       Deutschland ist das Land der Pfennigfuchser und Schikaneure. Wenn es dazu
       eines Beweises bedurft hätte, dann ist es der Umgang mit dem
       [1][9-Euro-Ticket]. Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind, sollen in
       einigen Bundesländern nun tatsächlich Zuschüsse zurückzahlen, weil sie im
       Juni nicht den Normalpreis für ein Schülerticket zahlen müssen, sondern nur
       9 Euro.
       
       Der Skandal daran ist: Die Schikaneure haben recht. Also rechtlich gesehen
       zumindest. Sie dürfen, nein, sie sollen sogar bei jedem armen Schlucker
       nachprüfen, ob er nicht versehentlich den einen oder anderen Euro zu viel
       bekommen hat. Dafür investieren Mitarbeiter:innen in den Ämtern ihre
       Arbeitskraft und Energie. Damit sie sich mit Rückforderungen nicht komplett
       überarbeiten, werden Zuschüsse für Schülertickets im Juli und August von
       vornherein gekürzt. Im Namen der Gerechtigkeit.
       
       Die Schikane hat System: Mal werden Kindergelderhöhungen so gegengerechnet,
       dass sie überall, aber nicht ganz unten ankommen. Mal wird Betteln oder
       Flaschensammeln als abzugsfähiges Nebeneinkommen definiert. Und nun wird
       eben beim 9-Euro-Ticket nichts gegönnt.
       
       Dabei war es doch das große Ziel dieses revolutionären
       Superduper-Extratickets, dass alle mal günstiger den öffentlichen
       Nahverkehr ausprobieren und nutzen können. Leider heißt alle mal wieder
       nur: alle, die auch bisher genug Geld gehabt hätten, um ihr Auto
       vollzutanken. Aber eben nicht alle, die ohne ÖPNV nirgendwo hinkommen, weil
       es schlicht unbezahlbar ist.
       
       Von einer Bundesregierung, deren größte Partei sich sozial nennt, deren
       zweitgrößte für soziale Teilhabe und ein Leben ohne Existenzangst kämpft
       und deren dritte eine unbürokratischere, mehr Würde wahrende Grundsicherung
       will, sollte man erwarten können, dass sie bei jeder staatlichen
       Erleichterung als Standard oben in die Beschlussvorlage schreibt: „muss in
       vollem Umfang auch und gerade [2][Hartz-IV-Empfänger:innen] zugutekommen“.
       Beim 9-Euro-Ticket wurde es vergessen. Ein Armutszeugnis für die Ampel.
       
       17 Jun 2022
       
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