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       # taz.de -- EU einigt sich auf Ölembargo: Orbán hat noch was in der Pipeline
       
       > Die EU-Staaten beschließen ein Embargo russischen Erdöls – erfolgreich
       > ist es nur auf dem Papier. Ungarn, Slowakei und Tschechien bekommen
       > Ausnahmen.
       
   IMG Bild: Das Ölembargo gegen Russland kommt der Forderung vieler Menschen zumindest teilweise nach
       
       Brüssel taz | Die 27 EU-Staaten haben sich bei ihrem Sondergipfel in
       Brüssel auf ein Ölembargo „light“ gegen Russland geeinigt. Die Einfuhr von
       russischem Öl auf dem Schiffsweg wird verboten, die Lieferung über die
       Druschba-Pipeline bleibt jedoch vorerst erlaubt. Es handelt sich um eine
       grundsätzliche „politische Einigung“; die Details müssen noch ausgehandelt
       werden. Bisher steht der Erfolg nur auf dem Papier.
       
       EU-Ratspräsident Charles Michel sprach dennoch von einem „bemerkenswerten
       Erfolg“. Der Kompromiss, der am Montag kurz vor Mitternacht erreicht wurde,
       decke mehr als zwei Drittel der Öl-Importe aus Russland ab, „und schneidet
       damit eine enorme Quelle der Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie ab“. Bis
       zum Jahresende würden sogar fast 90 Prozent der russischen Ölimporte
       gekappt.
       
       Ganz anders stellte es [1][Ungarns autoritärer Regierungschef Viktor Orbán]
       dar, der den Beschluss wochenlang blockiert hatte. „Wir haben eine Einigung
       erzielt“, schrieb er auf Facebook. „Ungarn ist von dem Ölembargo
       ausgenommen!“ Tatsächlich entsteht nun ein Zwei-Klassen-System. Ungarn, die
       Slowakei und Tschechien dürfen weiter russisches Öl über die
       Druschba-Pipeline beziehen.
       
       Demgegenüber müssen alle anderen Staaten ihre Nachfrage nach dem günstigen
       Brennstoff herunterfahren. Das gilt auch für Deutschland. Obwohl
       Ostdeutschland ebenfalls über die Druschba-Pipeline versorgt wird, soll das
       Embargo dort bis zum Jahresende greifen. Brandenburgs Finanzministerin
       Katrin Lange (SPD) hatte noch am Montag eine Ausnahme gefordert.
       
       ## Die Debatte war von Misstrauen geprägt
       
       Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat anders entschieden. „Die EU ist
       sich einig“, [2][teilte er auf Twitter mit.] Zuvor musste Scholz noch die
       Niederlande und Belgien beruhigen. Beide Länder sind durch das nahende Ende
       der Ölverschiffung in den Häfen Rotterdam und Antwerpen besonders
       betroffen. Sie hatten Sorge, dass Deutschland sich eine Hintertür offen
       halten könnte.
       
       Auch sonst war die Debatte über das Ölembargo von Misstrauen geprägt. So
       verlangte Orbán noch Garantien für den Fall, dass die Ölpipeline Druschba
       ausfallen sollte – etwa durch ein Attentat. Griechenland stemmte sich gegen
       das ursprünglich geplante vollständige Verbot der Verschiffung. Mit Erfolg:
       Nun dürfen griechische Öltanker weiter liefern, allerdings nur in Häfen
       außerhalb der EU.
       
       Letztlich konnte die europäische Einheit nur durch eine Aufweichung des
       Embargos gewahrt werden. Doch an anderer Stelle – beim Umgang mit den
       explodierenden Energiepreisen und der Inflation – bröckelt die Einigkeit
       schon wieder. So fordern Griechenland und Spanien einen Preisdeckel für
       Energie – doch Deutschland steht auf der Bremse. Auch die EU-Kommission
       sträubt sich gegen Eingriffe in den Markt.
       
       Dabei reagiert der Markt sehr empfindlich auf die Entscheidungen in
       Brüssel. Bereits am Montag stieg der Preis für die [3][Ölsorte Brent] auf
       ein Zwei-Monats-Hoch – eine Reaktion auf das europäische Ölembargo. Die
       Händler fürchten eine Verknappung des Ölangebots. Ob die EU-Beschlüsse auch
       Russlands Präsident Wladimir Putin das Fürchten lehren, steht auf einem
       anderen Blatt.
       
       31 May 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-Oelembargo-gegen-Russland/!5857486
   DIR [2] https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1531400349344473089?s=20&t=9yRt2GcKY1bvjodYPq9A7w
   DIR [3] https://www.boerse-frankfurt.de/rohstoff/brent-crude-rohoel
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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