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       # taz.de -- Russische Kriegspropaganda in Moldau: In der gagausischen Parallelwelt
       
       > Im kleinen Gagausien im Süden der Republik Moldau erinnern sich viele
       > gerne an die Sowjetunion. Russische Propaganda kommt bei ihnen gut an.
       
   IMG Bild: Gänse in einem Dorf im autonomen Gagausien in der Republik Moldawien
       
       Drei Monate hat es gebraucht, um das Leben der Menschen in Gagausien quasi
       auf den Kopf zu stellen. Die Kriegshandlungen in der Ukraine haben die
       gagausische Bevölkerung in Befürworter und Gegner geteilt. Das Autonome
       Gebiet Gagaus Yeri, also Gagausien, liegt im Süden der Republik Moldau.
       Hier leben überwiegend (turksprachige) Gagausen, aber auch Bulgaren,
       Moldauer, Russen und Ukrainer, insgesamt rund 150.000 Einwohner.
       
       Den Beginn der kriegerischen „Rettungs-“Operation sah die Mehrheit der
       Menschen in Gagausien als Beginn einer großen Mission der Russischen
       Föderation zum Wohle des ukrainischen Volkes. Und auch als Rache für die
       acht Kriegsjahre im Donbass.
       
       Jedes Telefonat mit Angehörigen begann mit den Worten „Auf die Gesundheit“
       und endete mit einem Streit über den Krieg in der Ukraine. „Sie töten keine
       Zivilisten!“, „Sie bombardieren nur Militärstützpunkte“, „Sie retten die
       Ukrainer vor den Bandera-Leuten“ und andere „humanitäre“ Phrasen – so tönte
       es ständig durchs Telefon. Der Höhepunkt war dann jedes Mal ein Satz wie:
       „Die Ukrainer bombardieren sich selber!“ An dieser Stelle musste ich die
       Telefonate dann mit den Worten „Ich kann das nicht mehr hören“ beenden.
       
       Seitdem sind drei Monate vergangen und nichts hat sich geändert. [1][Die
       gagausische Gesellschaft in Moldau lebt in Parallelwelten]: Die einen sind
       von den humanitären Absichten Russlands überzeugt, die anderen von der
       Erbarmungslosigkeit der „Rettungsoperation“ in der Ukraine. Die einen
       behaupten: „Acht Jahre haben alle geschwiegen, als die Menschen im Donbass
       umgebracht wurden. Jetzt ist die Zeit reif, um die Ukraine von Verbrechern
       und Mördern zu säubern“, andere schreien: „Schluss mit der Ermordung
       unschuldiger ukrainischer Kinder! Das ist grausam! Sie haben doch noch das
       ganze Leben vor sich.“
       
       Mit dem Krieg in der Ukraine hat im Autonomen Gebiet Gagausien auch der
       verbale Krieg zwischen den einfachen Leuten begonnen, die [2][zu Opfern der
       Propaganda geworden sind]. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass die
       meisten Einwohner Gagausiens ihre Informationen aus dem russischen
       Fernsehen bekommen, das sie über die fast an jedem Haus hängenden
       Satellitenschüsseln empfangen. Ja, die Liebe zu Russland ist auch dreißig
       Jahre nach der Unabhängigkeit nicht weniger geworden.
       
       Im Gegenteil: Mit jeder neuen Regierung hat sich dieses Gefühl eher
       verstärkt. Moldau ist in Korruption und Armut versunken, die Menschen sind
       mit Überleben beschäftigt und erinnern sich an die besten Jahre ihres
       Lebens in der Sowjetunion, als man noch an ein „Morgen“, an eine Zukunft
       glaubte. Und genau diese Erinnerungen sind die Grundlage dafür, dass die
       Mehrheit der Gagausen jetzt alles unterstützt, was Russland tut.
       
       Aus dem Russischen von [3][Gaby Coldewey]
       
       Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung]. 
       
       Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA
       im September als Dokumentation heraus.
       
       5 Jun 2022
       
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